Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung zum Mittelalter.
der Vertreibung aus dem Paradies den Acker graben musste, schlossen,
dass Gott ihm einen eisernen Spaten gegeben haben müsse, Adam also
schon das Eisen benutzt habe, verkannt werden 1). Diese Thatsache, der
Nachweis einer metalllosen Zeit, der Periode, welche man die "Steinzeit"
nennt, ist durch die Archäologie genügend festgestellt. Ebenso erwiesen
ist es aber, dass dieses Steinzeitalter nicht an einen bestimmten Zeit-
abschnitt gebunden ist, dass diese Kindheit der Völker bei verschiedenen
Stämmen in ganz verschiedenen Zeiten ihren Abschluss fand. Denn
während bei den Ägyptern und den Kulturvölkern Westasiens der Ge-
brauch der Metalle, die Anwendung von Steinwerkzeugen schon Jahr-
tausende v. Chr. verdrängte, so erhielt sich die Steinperiode im Norden
von Europa in einzelnen Gegenden bis zum Jahre 1000 unserer Zeit-
rechnung und bei den Völkern der Südsee finden wir diesen Zustand,
wenn auch rasch im Verschwinden begriffen, noch heutzutage. Für
uns hat es keine Bedeutung, dass man die Steinperiode, die unzweifel-
haft einen viel grösseren Zeitraum umfasste, als seit der Entdeckung
der Nutzmetalle verstrichen ist, einteilt in tertiäre und quarternäre,
oder in die Zeit des Mastodons, des Rentiers u. s. w., oder in die Zeit
gespaltener oder geglätteter Steinwerkzeuge. Weit wichtiger ist es
für uns, dass das Steinzeitalter im Süden von Europa früher geendet
hat, als im Norden. Nach der beliebten Theorie soll auf das Stein-
zeitalter das Bronzezeitalter gefolgt sein. Wir haben schon in der
Einleitung die theoretischen Gründe über die Unhaltbarkeit, ja Un-
möglichkeit einer solchen Annahme aufgeführt. Wir haben in dem
Verlauf unserer vorausgegangenen Erörterungen überall den Nachweis
liefern können, dass sie für die älteren Kulturvölker, für die Ägypter,
Assyrer, Perser, Indier, Chinesen, Israeliten, Westasiaten, Griechen auch
aller thatsächlichen Begründung entbehrt. Wir haben auch schon
darauf hingewiesen, dass eine so paradoxe Theorie nur durch eine ganz
einseitige Beobachtung archäologischer Funde ohne Berücksichtigung
der metallurgischen Wissenschaft entstehen konnte. Auf der anderen
Seite muss eingeräumt werden, dass für Europa, oder wenigstens für
einen Teil von Europa, die Priorität der Bronzezeit vielleicht eine ge-
wisse Berechtigung hat, insofern es möglich ist, dass einzelnen Völkern,
welche diese Gegenden bewohnten, als sie noch im Steinzeitalter lebten,
die Bronze als erstes Metall durch den Handel zugeführt wurde. Wie
und woher dies geschah, geschehen konnte und geschehen musste, ist
durch die früher aufgeführten Thatsachen genugsam erläutert. Wir

1) Lazarus Ercker, Einleitung zur Probierkunde.

Einleitung zum Mittelalter.
der Vertreibung aus dem Paradies den Acker graben muſste, schlossen,
daſs Gott ihm einen eisernen Spaten gegeben haben müsse, Adam also
schon das Eisen benutzt habe, verkannt werden 1). Diese Thatsache, der
Nachweis einer metalllosen Zeit, der Periode, welche man die „Steinzeit“
nennt, ist durch die Archäologie genügend festgestellt. Ebenso erwiesen
ist es aber, daſs dieses Steinzeitalter nicht an einen bestimmten Zeit-
abschnitt gebunden ist, daſs diese Kindheit der Völker bei verschiedenen
Stämmen in ganz verschiedenen Zeiten ihren Abschluſs fand. Denn
während bei den Ägyptern und den Kulturvölkern Westasiens der Ge-
brauch der Metalle, die Anwendung von Steinwerkzeugen schon Jahr-
tausende v. Chr. verdrängte, so erhielt sich die Steinperiode im Norden
von Europa in einzelnen Gegenden bis zum Jahre 1000 unserer Zeit-
rechnung und bei den Völkern der Südsee finden wir diesen Zustand,
wenn auch rasch im Verschwinden begriffen, noch heutzutage. Für
uns hat es keine Bedeutung, daſs man die Steinperiode, die unzweifel-
haft einen viel gröſseren Zeitraum umfaſste, als seit der Entdeckung
der Nutzmetalle verstrichen ist, einteilt in tertiäre und quarternäre,
oder in die Zeit des Mastodons, des Rentiers u. s. w., oder in die Zeit
gespaltener oder geglätteter Steinwerkzeuge. Weit wichtiger ist es
für uns, daſs das Steinzeitalter im Süden von Europa früher geendet
hat, als im Norden. Nach der beliebten Theorie soll auf das Stein-
zeitalter das Bronzezeitalter gefolgt sein. Wir haben schon in der
Einleitung die theoretischen Gründe über die Unhaltbarkeit, ja Un-
möglichkeit einer solchen Annahme aufgeführt. Wir haben in dem
Verlauf unserer vorausgegangenen Erörterungen überall den Nachweis
liefern können, daſs sie für die älteren Kulturvölker, für die Ägypter,
Assyrer, Perser, Indier, Chinesen, Israeliten, Westasiaten, Griechen auch
aller thatsächlichen Begründung entbehrt. Wir haben auch schon
darauf hingewiesen, daſs eine so paradoxe Theorie nur durch eine ganz
einseitige Beobachtung archäologischer Funde ohne Berücksichtigung
der metallurgischen Wissenschaft entstehen konnte. Auf der anderen
Seite muſs eingeräumt werden, daſs für Europa, oder wenigstens für
einen Teil von Europa, die Priorität der Bronzezeit vielleicht eine ge-
wisse Berechtigung hat, insofern es möglich ist, daſs einzelnen Völkern,
welche diese Gegenden bewohnten, als sie noch im Steinzeitalter lebten,
die Bronze als erstes Metall durch den Handel zugeführt wurde. Wie
und woher dies geschah, geschehen konnte und geschehen muſste, ist
durch die früher aufgeführten Thatsachen genugsam erläutert. Wir

1) Lazarus Ercker, Einleitung zur Probierkunde.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0609" n="587"/><fw place="top" type="header">Einleitung zum Mittelalter.</fw><lb/>
der Vertreibung aus dem Paradies den Acker graben mu&#x017F;ste, schlossen,<lb/>
da&#x017F;s Gott ihm einen eisernen Spaten gegeben haben müsse, Adam also<lb/>
schon das Eisen benutzt habe, verkannt werden <note place="foot" n="1)">Lazarus Ercker, Einleitung zur Probierkunde.</note>. Diese Thatsache, der<lb/>
Nachweis einer metalllosen Zeit, der Periode, welche man die &#x201E;Steinzeit&#x201C;<lb/>
nennt, ist durch die Archäologie genügend festgestellt. Ebenso erwiesen<lb/>
ist es aber, da&#x017F;s dieses Steinzeitalter nicht an einen bestimmten Zeit-<lb/>
abschnitt gebunden ist, da&#x017F;s diese Kindheit der Völker bei verschiedenen<lb/>
Stämmen in ganz verschiedenen Zeiten ihren Abschlu&#x017F;s fand. Denn<lb/>
während bei den Ägyptern und den Kulturvölkern Westasiens der Ge-<lb/>
brauch der Metalle, die Anwendung von Steinwerkzeugen schon Jahr-<lb/>
tausende v. Chr. verdrängte, so erhielt sich die Steinperiode im Norden<lb/>
von Europa in einzelnen Gegenden bis zum Jahre 1000 unserer Zeit-<lb/>
rechnung und bei den Völkern der Südsee finden wir diesen Zustand,<lb/>
wenn auch rasch im Verschwinden begriffen, noch heutzutage. Für<lb/>
uns hat es keine Bedeutung, da&#x017F;s man die Steinperiode, die unzweifel-<lb/>
haft einen viel grö&#x017F;seren Zeitraum umfa&#x017F;ste, als seit der Entdeckung<lb/>
der Nutzmetalle verstrichen ist, einteilt in tertiäre und quarternäre,<lb/>
oder in die Zeit des Mastodons, des Rentiers u. s. w., oder in die Zeit<lb/>
gespaltener oder geglätteter Steinwerkzeuge. Weit wichtiger ist es<lb/>
für uns, da&#x017F;s das Steinzeitalter im Süden von Europa früher geendet<lb/>
hat, als im Norden. Nach der beliebten Theorie soll auf das Stein-<lb/>
zeitalter das Bronzezeitalter gefolgt sein. Wir haben schon in der<lb/>
Einleitung die theoretischen Gründe über die Unhaltbarkeit, ja Un-<lb/>
möglichkeit einer solchen Annahme aufgeführt. Wir haben in dem<lb/>
Verlauf unserer vorausgegangenen Erörterungen überall den Nachweis<lb/>
liefern können, da&#x017F;s sie für die älteren Kulturvölker, für die Ägypter,<lb/>
Assyrer, Perser, Indier, Chinesen, Israeliten, Westasiaten, Griechen auch<lb/>
aller thatsächlichen Begründung entbehrt. Wir haben auch schon<lb/>
darauf hingewiesen, da&#x017F;s eine so paradoxe Theorie nur durch eine ganz<lb/>
einseitige Beobachtung archäologischer Funde ohne Berücksichtigung<lb/>
der metallurgischen Wissenschaft entstehen konnte. Auf der anderen<lb/>
Seite mu&#x017F;s eingeräumt werden, da&#x017F;s für Europa, oder wenigstens für<lb/>
einen Teil von Europa, die Priorität der Bronzezeit vielleicht eine ge-<lb/>
wisse Berechtigung hat, insofern es möglich ist, da&#x017F;s einzelnen Völkern,<lb/>
welche diese Gegenden bewohnten, als sie noch im Steinzeitalter lebten,<lb/>
die Bronze als erstes Metall durch den Handel zugeführt wurde. Wie<lb/>
und woher dies geschah, geschehen konnte und geschehen mu&#x017F;ste, ist<lb/>
durch die früher aufgeführten Thatsachen genugsam erläutert. Wir<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[587/0609] Einleitung zum Mittelalter. der Vertreibung aus dem Paradies den Acker graben muſste, schlossen, daſs Gott ihm einen eisernen Spaten gegeben haben müsse, Adam also schon das Eisen benutzt habe, verkannt werden 1). Diese Thatsache, der Nachweis einer metalllosen Zeit, der Periode, welche man die „Steinzeit“ nennt, ist durch die Archäologie genügend festgestellt. Ebenso erwiesen ist es aber, daſs dieses Steinzeitalter nicht an einen bestimmten Zeit- abschnitt gebunden ist, daſs diese Kindheit der Völker bei verschiedenen Stämmen in ganz verschiedenen Zeiten ihren Abschluſs fand. Denn während bei den Ägyptern und den Kulturvölkern Westasiens der Ge- brauch der Metalle, die Anwendung von Steinwerkzeugen schon Jahr- tausende v. Chr. verdrängte, so erhielt sich die Steinperiode im Norden von Europa in einzelnen Gegenden bis zum Jahre 1000 unserer Zeit- rechnung und bei den Völkern der Südsee finden wir diesen Zustand, wenn auch rasch im Verschwinden begriffen, noch heutzutage. Für uns hat es keine Bedeutung, daſs man die Steinperiode, die unzweifel- haft einen viel gröſseren Zeitraum umfaſste, als seit der Entdeckung der Nutzmetalle verstrichen ist, einteilt in tertiäre und quarternäre, oder in die Zeit des Mastodons, des Rentiers u. s. w., oder in die Zeit gespaltener oder geglätteter Steinwerkzeuge. Weit wichtiger ist es für uns, daſs das Steinzeitalter im Süden von Europa früher geendet hat, als im Norden. Nach der beliebten Theorie soll auf das Stein- zeitalter das Bronzezeitalter gefolgt sein. Wir haben schon in der Einleitung die theoretischen Gründe über die Unhaltbarkeit, ja Un- möglichkeit einer solchen Annahme aufgeführt. Wir haben in dem Verlauf unserer vorausgegangenen Erörterungen überall den Nachweis liefern können, daſs sie für die älteren Kulturvölker, für die Ägypter, Assyrer, Perser, Indier, Chinesen, Israeliten, Westasiaten, Griechen auch aller thatsächlichen Begründung entbehrt. Wir haben auch schon darauf hingewiesen, daſs eine so paradoxe Theorie nur durch eine ganz einseitige Beobachtung archäologischer Funde ohne Berücksichtigung der metallurgischen Wissenschaft entstehen konnte. Auf der anderen Seite muſs eingeräumt werden, daſs für Europa, oder wenigstens für einen Teil von Europa, die Priorität der Bronzezeit vielleicht eine ge- wisse Berechtigung hat, insofern es möglich ist, daſs einzelnen Völkern, welche diese Gegenden bewohnten, als sie noch im Steinzeitalter lebten, die Bronze als erstes Metall durch den Handel zugeführt wurde. Wie und woher dies geschah, geschehen konnte und geschehen muſste, ist durch die früher aufgeführten Thatsachen genugsam erläutert. Wir 1) Lazarus Ercker, Einleitung zur Probierkunde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/609
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/609>, abgerufen am 22.11.2024.