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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Italien und die Römer.
Rest des fliessenden Wassers als Triebkraft zu benutzen, geht aus der
Schilderung des Vitruv von den Wassermühlen hervor. Er sagt 1):

1. Man macht auch in Flüssen Schöpfräder auf dieselbe Weise, wie
dies oben beschrieben worden ist. Nur befestigt man aussen an den
Schöpfrädern Schaufeln, welche, von dem Andrang des Wassers gefasst,
durch ihr Vorwärtsgehen die Räder zwingen, sich zu drehen, und so
in dem Kästchen das Wasser schöpfend und nach oben bringend,
leisten sie ohne die Arbeit des Tretens, durch die Strömung des Flusses
selbst umgedreht, die nötigen Dienste.

2. Auf dieselbe Weise werden auch die Wassermühlen getrieben,
bei welchen sonst alles dasselbe ist, mit Ausnahme des Umstandes,
dass an einem Ende der Welle ein Zahnrad läuft. Dieses aber ist
senkrecht gestellt und dreht sich gleichmässig mit dem Schaufelrade
in derselben Richtung; in dieses eingreifend ist ein zweites, kleineres
Zahnrad wagerecht angebracht, welches in einer Welle läuft, die
am oberen Ende einen eisernen Doppelschwalbenschwanz hat, welcher
in den Mühlstein eingekeilt ist. So zwingen die Zähne jenes an die
Welle (des Schaufelrades) angefügten Zahnrades, dadurch, dass sie in
die Zähne des wagerechten Zahnrades eingreifend, dieses treiben, die
Mühlsteine zur Umdrehung; die über dieser Maschine hängende
Gosse giebt den Mühlsteinen immer das Getreide zu und durch die-
selbe Umdrehung wird das Mehl gemahlen.

Von den Kariern wird berichtet, dass sie zuerst das Zersägen des
Marmors mit Stahlsägen angewendet hätten, ob dies aber mit Hilfe der
Wasserkraft geschah ist zweifelhaft 2). Dagegen hat Mithridates
bereits Wassermühlen gehabt und sollen nach Julius Cäsars Feldzug
gegen ihn dieselben in Italien bekannt geworden sein. Strabo erzählt,
dass neben der Residenz des Mithridates in Cappadocien sich eine
Wassermühle befunden habe (lib. XII). Gewiss ist, dass sie zur Zeit
des Augustus schon bei den Römern Eingang gefunden hatten 3), denn
Antipater aus Thessalonich, ein Zeitgenosse dieses Kaisers, redet die
Mühlensklavinnen also an 4): "Höret auf, euch zu bemühen, ihr Mädchen,
die ihr an den Mühlen arbeitet; jetzt schafft und lasst die Vögel der
Morgenröte entgegensingen, denn Ceres hat den Najaden be-
fohlen, eure Arbeit zu verrichten. Diese gehorchen,

1) Lib. X, Cap. 5.
2) Vergl. auch Vitruv, lib. II, cap. 7; "der weisse Tuff
von Venetien wird mit einer gezahnten Säge wie Holz zerschnitten".
3) Julius
Pomponius Lätus berichtet: Usus molinarum ad manum in Cappadocia inventus,
inde inventus usus earum ad ventum et ad equos. Paulo ante Augustum molae
aquis actae, Romae in Tiberi primum factae, tempore Graecorum cum fornices
diruissent.
4) Bruhns, anal. 2, S. 119, 2, S. 39.

Italien und die Römer.
Rest des flieſsenden Wassers als Triebkraft zu benutzen, geht aus der
Schilderung des Vitruv von den Wassermühlen hervor. Er sagt 1):

1. Man macht auch in Flüssen Schöpfräder auf dieselbe Weise, wie
dies oben beschrieben worden ist. Nur befestigt man auſsen an den
Schöpfrädern Schaufeln, welche, von dem Andrang des Wassers gefaſst,
durch ihr Vorwärtsgehen die Räder zwingen, sich zu drehen, und so
in dem Kästchen das Wasser schöpfend und nach oben bringend,
leisten sie ohne die Arbeit des Tretens, durch die Strömung des Fluſses
selbst umgedreht, die nötigen Dienste.

2. Auf dieselbe Weise werden auch die Wassermühlen getrieben,
bei welchen sonst alles dasſelbe ist, mit Ausnahme des Umstandes,
daſs an einem Ende der Welle ein Zahnrad läuft. Dieses aber ist
senkrecht gestellt und dreht sich gleichmäſsig mit dem Schaufelrade
in derselben Richtung; in dieses eingreifend ist ein zweites, kleineres
Zahnrad wagerecht angebracht, welches in einer Welle läuft, die
am oberen Ende einen eisernen Doppelschwalbenschwanz hat, welcher
in den Mühlstein eingekeilt ist. So zwingen die Zähne jenes an die
Welle (des Schaufelrades) angefügten Zahnrades, dadurch, daſs sie in
die Zähne des wagerechten Zahnrades eingreifend, dieses treiben, die
Mühlsteine zur Umdrehung; die über dieser Maschine hängende
Gosse giebt den Mühlsteinen immer das Getreide zu und durch die-
selbe Umdrehung wird das Mehl gemahlen.

Von den Kariern wird berichtet, daſs sie zuerst das Zersägen des
Marmors mit Stahlsägen angewendet hätten, ob dies aber mit Hilfe der
Wasserkraft geschah ist zweifelhaft 2). Dagegen hat Mithridates
bereits Wassermühlen gehabt und sollen nach Julius Cäsars Feldzug
gegen ihn dieselben in Italien bekannt geworden sein. Strabo erzählt,
daſs neben der Residenz des Mithridates in Cappadocien sich eine
Wassermühle befunden habe (lib. XII). Gewiſs ist, daſs sie zur Zeit
des Augustus schon bei den Römern Eingang gefunden hatten 3), denn
Antipater aus Thessalonich, ein Zeitgenosse dieses Kaisers, redet die
Mühlensklavinnen also an 4): „Höret auf, euch zu bemühen, ihr Mädchen,
die ihr an den Mühlen arbeitet; jetzt schafft und laſst die Vögel der
Morgenröte entgegensingen, denn Ceres hat den Najaden be-
fohlen, eure Arbeit zu verrichten. Diese gehorchen,

1) Lib. X, Cap. 5.
2) Vergl. auch Vitruv, lib. II, cap. 7; „der weiſse Tuff
von Venetien wird mit einer gezahnten Säge wie Holz zerschnitten“.
3) Julius
Pomponius Lätus berichtet: Usus molinarum ad manum in Cappadocia inventus,
inde inventus usus earum ad ventum et ad equos. Paulo ante Augustum molae
aquis actae, Romae in Tiberi primum factae, tempore Graecorum cum fornices
diruissent.
4) Bruhns, anal. 2, S. 119, 2, S. 39.
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[580/0602] Italien und die Römer. Rest des flieſsenden Wassers als Triebkraft zu benutzen, geht aus der Schilderung des Vitruv von den Wassermühlen hervor. Er sagt 1): 1. Man macht auch in Flüssen Schöpfräder auf dieselbe Weise, wie dies oben beschrieben worden ist. Nur befestigt man auſsen an den Schöpfrädern Schaufeln, welche, von dem Andrang des Wassers gefaſst, durch ihr Vorwärtsgehen die Räder zwingen, sich zu drehen, und so in dem Kästchen das Wasser schöpfend und nach oben bringend, leisten sie ohne die Arbeit des Tretens, durch die Strömung des Fluſses selbst umgedreht, die nötigen Dienste. 2. Auf dieselbe Weise werden auch die Wassermühlen getrieben, bei welchen sonst alles dasſelbe ist, mit Ausnahme des Umstandes, daſs an einem Ende der Welle ein Zahnrad läuft. Dieses aber ist senkrecht gestellt und dreht sich gleichmäſsig mit dem Schaufelrade in derselben Richtung; in dieses eingreifend ist ein zweites, kleineres Zahnrad wagerecht angebracht, welches in einer Welle läuft, die am oberen Ende einen eisernen Doppelschwalbenschwanz hat, welcher in den Mühlstein eingekeilt ist. So zwingen die Zähne jenes an die Welle (des Schaufelrades) angefügten Zahnrades, dadurch, daſs sie in die Zähne des wagerechten Zahnrades eingreifend, dieses treiben, die Mühlsteine zur Umdrehung; die über dieser Maschine hängende Gosse giebt den Mühlsteinen immer das Getreide zu und durch die- selbe Umdrehung wird das Mehl gemahlen. Von den Kariern wird berichtet, daſs sie zuerst das Zersägen des Marmors mit Stahlsägen angewendet hätten, ob dies aber mit Hilfe der Wasserkraft geschah ist zweifelhaft 2). Dagegen hat Mithridates bereits Wassermühlen gehabt und sollen nach Julius Cäsars Feldzug gegen ihn dieselben in Italien bekannt geworden sein. Strabo erzählt, daſs neben der Residenz des Mithridates in Cappadocien sich eine Wassermühle befunden habe (lib. XII). Gewiſs ist, daſs sie zur Zeit des Augustus schon bei den Römern Eingang gefunden hatten 3), denn Antipater aus Thessalonich, ein Zeitgenosse dieses Kaisers, redet die Mühlensklavinnen also an 4): „Höret auf, euch zu bemühen, ihr Mädchen, die ihr an den Mühlen arbeitet; jetzt schafft und laſst die Vögel der Morgenröte entgegensingen, denn Ceres hat den Najaden be- fohlen, eure Arbeit zu verrichten. Diese gehorchen, 1) Lib. X, Cap. 5. 2) Vergl. auch Vitruv, lib. II, cap. 7; „der weiſse Tuff von Venetien wird mit einer gezahnten Säge wie Holz zerschnitten“. 3) Julius Pomponius Lätus berichtet: Usus molinarum ad manum in Cappadocia inventus, inde inventus usus earum ad ventum et ad equos. Paulo ante Augustum molae aquis actae, Romae in Tiberi primum factae, tempore Graecorum cum fornices diruissent. 4) Bruhns, anal. 2, S. 119, 2, S. 39.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/602>, abgerufen am 16.06.2024.