den war, und die übergestrippte Tülle. Diese Waffe, im Rhein bei Mainz gefunden, befindet sich im dortigen römisch-germanischen Museum.
Fig. 146 Nr. 12, 13 1) zeigt ein im Kastell bei Hofheim gefundenes, im Museum zu Wiesbaden aufbewahrtes Pilum von abweichender Kon- struktion. Hier ist die Tülle hohl, vierkantig, 200 mm lang über den Holzschaft gestülpt und mit diesem verstiftet. Die Klinge selbst ist 1060 mm lang. Ein drittes Pilum vom Nydamer Moor, jetzt zu Kiel (Fig. 146 Nr. 16), hat eine 640 mm lange Klinge mit Widerhaken und runder Tülle. Die Formen waren demnach verschieden und entsprechen durchaus nicht alle der Beschreibung des Polybios. Charakteristisch gegenüber dem späteren Angon ist abgesehen von der Schäftung noch der Umstand, dass der Schaft mit seinem Fussende stets in eine eiserne Spitze ausläuft.
Nächst dem Spiess war das Schwert die älteste und wichtigste Waffe der römischen Soldaten. Welches seine älteste Gestalt war ist noch nicht ganz aufgeklärt. Auf Abbildungen werden die Helden der Vorzeit mit dem kurzen, breiten, zweischneidigen Heroenschwert dargestellt. Diese Gestalt ist indes wohl mehr als konventionelle Kunstform aufzufassen. Dagegen sprechen andere Gründe dafür, dass die einschneidige Hiebwaffe, der ensis, die älteste Schwertform ist. Es war ein langer, einschneidiger Haudegen, der auch öfter als "gallisches Schwert" bezeichnet wird. Das Wort ensis wird mit der alten Be- zeichnung as, ansi-Schwert in der indogermanischen Grundsprache in direkte Beziehung gebracht 2).
Nach der Schlacht von Cannä änderten die Römer ihre Schwert- form um, sie nahmen das spanische, zweischneidige Stossschwert, gladius hispanus, an. Ursprünglich war die Waffe kurz, später machte man die Klinge länger, namentlich zeichneten sich die Reiterschwerter durch grössere Länge aus. Der Gladius war zu Hieb und Stoss gleich taug- lich. Er wurde rechts getragen, was bei der relativ kurzen Klinge zweckmässig war, da das Ausziehen auf der rechten Seite die schild- gedeckte Linke im Moment des Nahkampfes nicht blossstellte.
Die Spatha, das breite, grosse zweischneidige Hauschwert, nahmen die Römer in späterer Zeit von den Galliern an. Zur Kaiserzeit war diese Form sehr allgemein. Die Klinge war von verschiedener Länge, manchmal wurde die Spatha sogar mit zwei Händen geführt.
Die schönen Eisenklingen aus dem Pfahlbau von la Tene und dem
1) Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung etc. Taf. XI, Fig. 12 u. 13.
2) Fick, Wörterbuch der indogermanischen Grundsprache. Göttingen 1868 u. Jähns a. a. O. S. 197.
Italien und die Römer.
den war, und die übergestrippte Tülle. Diese Waffe, im Rhein bei Mainz gefunden, befindet sich im dortigen römisch-germanischen Museum.
Fig. 146 Nr. 12, 13 1) zeigt ein im Kastell bei Hofheim gefundenes, im Museum zu Wiesbaden aufbewahrtes Pilum von abweichender Kon- struktion. Hier ist die Tülle hohl, vierkantig, 200 mm lang über den Holzschaft gestülpt und mit diesem verstiftet. Die Klinge selbst ist 1060 mm lang. Ein drittes Pilum vom Nydamer Moor, jetzt zu Kiel (Fig. 146 Nr. 16), hat eine 640 mm lange Klinge mit Widerhaken und runder Tülle. Die Formen waren demnach verschieden und entsprechen durchaus nicht alle der Beschreibung des Polybios. Charakteristisch gegenüber dem späteren Angon ist abgesehen von der Schäftung noch der Umstand, daſs der Schaft mit seinem Fuſsende stets in eine eiserne Spitze ausläuft.
Nächst dem Spieſs war das Schwert die älteste und wichtigste Waffe der römischen Soldaten. Welches seine älteste Gestalt war ist noch nicht ganz aufgeklärt. Auf Abbildungen werden die Helden der Vorzeit mit dem kurzen, breiten, zweischneidigen Heroenschwert dargestellt. Diese Gestalt ist indes wohl mehr als konventionelle Kunstform aufzufassen. Dagegen sprechen andere Gründe dafür, daſs die einschneidige Hiebwaffe, der ensis, die älteste Schwertform ist. Es war ein langer, einschneidiger Haudegen, der auch öfter als „gallisches Schwert“ bezeichnet wird. Das Wort ensis wird mit der alten Be- zeichnung as, ansi-Schwert in der indogermanischen Grundsprache in direkte Beziehung gebracht 2).
Nach der Schlacht von Cannä änderten die Römer ihre Schwert- form um, sie nahmen das spanische, zweischneidige Stoſsschwert, gladius hispanus, an. Ursprünglich war die Waffe kurz, später machte man die Klinge länger, namentlich zeichneten sich die Reiterschwerter durch gröſsere Länge aus. Der Gladius war zu Hieb und Stoſs gleich taug- lich. Er wurde rechts getragen, was bei der relativ kurzen Klinge zweckmäſsig war, da das Ausziehen auf der rechten Seite die schild- gedeckte Linke im Moment des Nahkampfes nicht bloſsstellte.
Die Spatha, das breite, groſse zweischneidige Hauschwert, nahmen die Römer in späterer Zeit von den Galliern an. Zur Kaiserzeit war diese Form sehr allgemein. Die Klinge war von verschiedener Länge, manchmal wurde die Spatha sogar mit zwei Händen geführt.
Die schönen Eisenklingen aus dem Pfahlbau von la Têne und dem
1) Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung etc. Taf. XI, Fig. 12 u. 13.
2) Fick, Wörterbuch der indogermanischen Grundsprache. Göttingen 1868 u. Jähns a. a. O. S. 197.
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Italien und die Römer.
den war, und die übergestrippte Tülle. Diese Waffe, im Rhein bei Mainz
gefunden, befindet sich im dortigen römisch-germanischen Museum.
Fig. 146 Nr. 12, 13 1) zeigt ein im Kastell bei Hofheim gefundenes,
im Museum zu Wiesbaden aufbewahrtes Pilum von abweichender Kon-
struktion. Hier ist die Tülle hohl, vierkantig, 200 mm lang über den
Holzschaft gestülpt und mit diesem verstiftet. Die Klinge selbst ist
1060 mm lang. Ein drittes Pilum vom Nydamer Moor, jetzt zu Kiel
(Fig. 146 Nr. 16), hat eine 640 mm lange Klinge mit Widerhaken und
runder Tülle. Die Formen waren demnach verschieden und entsprechen
durchaus nicht alle der Beschreibung des Polybios. Charakteristisch
gegenüber dem späteren Angon ist abgesehen von der Schäftung noch
der Umstand, daſs der Schaft mit seinem Fuſsende stets in eine eiserne
Spitze ausläuft.
Nächst dem Spieſs war das Schwert die älteste und wichtigste
Waffe der römischen Soldaten. Welches seine älteste Gestalt war
ist noch nicht ganz aufgeklärt. Auf Abbildungen werden die Helden
der Vorzeit mit dem kurzen, breiten, zweischneidigen Heroenschwert
dargestellt. Diese Gestalt ist indes wohl mehr als konventionelle
Kunstform aufzufassen. Dagegen sprechen andere Gründe dafür, daſs
die einschneidige Hiebwaffe, der ensis, die älteste Schwertform ist. Es
war ein langer, einschneidiger Haudegen, der auch öfter als „gallisches
Schwert“ bezeichnet wird. Das Wort ensis wird mit der alten Be-
zeichnung as, ansi-Schwert in der indogermanischen Grundsprache in
direkte Beziehung gebracht 2).
Nach der Schlacht von Cannä änderten die Römer ihre Schwert-
form um, sie nahmen das spanische, zweischneidige Stoſsschwert, gladius
hispanus, an. Ursprünglich war die Waffe kurz, später machte man
die Klinge länger, namentlich zeichneten sich die Reiterschwerter durch
gröſsere Länge aus. Der Gladius war zu Hieb und Stoſs gleich taug-
lich. Er wurde rechts getragen, was bei der relativ kurzen Klinge
zweckmäſsig war, da das Ausziehen auf der rechten Seite die schild-
gedeckte Linke im Moment des Nahkampfes nicht bloſsstellte.
Die Spatha, das breite, groſse zweischneidige Hauschwert, nahmen
die Römer in späterer Zeit von den Galliern an. Zur Kaiserzeit war
diese Form sehr allgemein. Die Klinge war von verschiedener Länge,
manchmal wurde die Spatha sogar mit zwei Händen geführt.
Die schönen Eisenklingen aus dem Pfahlbau von la Têne und dem
1) Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung etc. Taf. XI, Fig. 12 u. 13.
2) Fick,
Wörterbuch der indogermanischen Grundsprache. Göttingen 1868 u. Jähns a. a. O.
S. 197.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/576>, abgerufen am 22.11.2024.
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