des Gegners, so verhinderten einerseits die Widerhaken das Heraus- ziehen, andererseits bewirkte der schwere lange Schaft, dass sich die dünne Eisenstange, die unterhalb der Stahlspitze nur die Stärke eines starken Federkiels hatte, umbog 1), in beiden Fällen zog die schwere Lanze den Arm des Schildträgers nieder und wenn der Getroffene auch mit Anstrengung seinen Arm hoch hielt, so vermochte er doch nicht vorwärts zu schreiten, weil sich die eiserne Spitze am Fussende in den Boden einbohrte. Gelang es ihm aber auch im günstigsten Fall die Waffe aus dem Schilde zu reissen, so war dieselbe für ihn nutzlos, da die Spitze krumm gebogen war. Den Moment der Wehrlosigkeit benutzte der Pilite um mit dem Schwert auf den Gegner einzuspringen. Das Pilum war daher bei der damaligen Kampfweise eine höchst wirkungsvolle Waffe, freilich auch eine kostspielige, denn sie konnte höchstens nach
[Abbildung]
Fig. 149.
glücklicher Beendigung des Kampfes wieder er- langt werden. Anders war dies bei den leichten Wurfspiessen der Leichtbewaffneten und Reiter, die mit Hilfe eines Lederriemens geworfen wurden.
Die Konstruktion des Pilums giebt einen Beweis für die Kunstfertigkeit der römischen Eisenschmiede. Bei dem normalen Pilum der Legionare, wie es auch Polybios, wenn auch etwas unklar, beschreibt, bestehen Spitze, Stiel und das breite Heft, welches mit dem Holze ver- bunden wurde, aus einem Schmiedestücke, über diese ist die Zwinge, welche den Schaft schützt, in der Weise übergestrippt, dass die Stahlspitze erst angeschweisst werden konnte, nachdem die Zwinge übergestrippt war. Nebenstehende Ab- bildungen geben die nähere Erläuterung (Fig. 146 Nr. 14, 15).
Das Eisen des Pilums war tief in den Schaft eingelassen und wie Polybios bemerkt, so fest mit dem Holze verbunden, dass eher das Eisen brach, als diese Verbindung sich löste 2).
Dies zeigt unsere Fig. 149, welche bei a den eisernen Fortsatz des Pilums, die Zunge, angiebt, bei b die Art wie diese mit dem Holze verbun-
1) Caes. bel. Gal. I, 25.
2) Zwei Pila sind in dem interessanten Pfahlbau unterhalb Mainz, dem Dimeser Ort, gefunden worden, woselbst man auch eine Schwertklinge, Dolchklingen und Pfeilspitzen von Eisen auffand; dabei fanden sich Münzen, von denen die jüngsten aus der Zeit des Lucius verus (161 bis 169 n. Chr.) waren.
Italien und die Römer.
des Gegners, so verhinderten einerseits die Widerhaken das Heraus- ziehen, andererseits bewirkte der schwere lange Schaft, daſs sich die dünne Eisenstange, die unterhalb der Stahlspitze nur die Stärke eines starken Federkiels hatte, umbog 1), in beiden Fällen zog die schwere Lanze den Arm des Schildträgers nieder und wenn der Getroffene auch mit Anstrengung seinen Arm hoch hielt, so vermochte er doch nicht vorwärts zu schreiten, weil sich die eiserne Spitze am Fuſsende in den Boden einbohrte. Gelang es ihm aber auch im günstigsten Fall die Waffe aus dem Schilde zu reiſsen, so war dieselbe für ihn nutzlos, da die Spitze krumm gebogen war. Den Moment der Wehrlosigkeit benutzte der Pilite um mit dem Schwert auf den Gegner einzuspringen. Das Pilum war daher bei der damaligen Kampfweise eine höchst wirkungsvolle Waffe, freilich auch eine kostspielige, denn sie konnte höchstens nach
[Abbildung]
Fig. 149.
glücklicher Beendigung des Kampfes wieder er- langt werden. Anders war dies bei den leichten Wurfspieſsen der Leichtbewaffneten und Reiter, die mit Hilfe eines Lederriemens geworfen wurden.
Die Konstruktion des Pilums giebt einen Beweis für die Kunstfertigkeit der römischen Eisenschmiede. Bei dem normalen Pilum der Legionare, wie es auch Polybios, wenn auch etwas unklar, beschreibt, bestehen Spitze, Stiel und das breite Heft, welches mit dem Holze ver- bunden wurde, aus einem Schmiedestücke, über diese ist die Zwinge, welche den Schaft schützt, in der Weise übergestrippt, daſs die Stahlspitze erst angeschweiſst werden konnte, nachdem die Zwinge übergestrippt war. Nebenstehende Ab- bildungen geben die nähere Erläuterung (Fig. 146 Nr. 14, 15).
Das Eisen des Pilums war tief in den Schaft eingelassen und wie Polybios bemerkt, so fest mit dem Holze verbunden, daſs eher das Eisen brach, als diese Verbindung sich löste 2).
Dies zeigt unsere Fig. 149, welche bei a den eisernen Fortsatz des Pilums, die Zunge, angiebt, bei b die Art wie diese mit dem Holze verbun-
1) Caes. bel. Gal. I, 25.
2) Zwei Pila sind in dem interessanten Pfahlbau unterhalb Mainz, dem Dimeser Ort, gefunden worden, woselbst man auch eine Schwertklinge, Dolchklingen und Pfeilspitzen von Eisen auffand; dabei fanden sich Münzen, von denen die jüngsten aus der Zeit des Lucius verus (161 bis 169 n. Chr.) waren.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0575"n="553"/><fwplace="top"type="header">Italien und die Römer.</fw><lb/>
des Gegners, so verhinderten einerseits die Widerhaken das Heraus-<lb/>
ziehen, andererseits bewirkte der schwere lange Schaft, daſs sich die<lb/>
dünne Eisenstange, die unterhalb der Stahlspitze nur die Stärke eines<lb/>
starken Federkiels hatte, umbog <noteplace="foot"n="1)">Caes. bel. Gal. I, 25.</note>, in beiden Fällen zog die schwere<lb/>
Lanze den Arm des Schildträgers nieder und wenn der Getroffene auch<lb/>
mit Anstrengung seinen Arm hoch hielt, so vermochte er doch nicht<lb/>
vorwärts zu schreiten, weil sich die eiserne Spitze am Fuſsende in den<lb/>
Boden einbohrte. Gelang es ihm aber auch im günstigsten Fall die<lb/>
Waffe aus dem Schilde zu reiſsen, so war dieselbe für ihn nutzlos, da<lb/>
die Spitze krumm gebogen war. Den Moment der Wehrlosigkeit benutzte<lb/>
der Pilite um mit dem Schwert auf den Gegner einzuspringen. Das Pilum<lb/>
war daher bei der damaligen Kampfweise eine höchst wirkungsvolle<lb/>
Waffe, freilich auch eine kostspielige, denn sie konnte höchstens nach<lb/><figure><head>Fig. 149.</head></figure><lb/>
glücklicher Beendigung des Kampfes wieder er-<lb/>
langt werden. Anders war dies bei den leichten<lb/>
Wurfspieſsen der Leichtbewaffneten und Reiter,<lb/>
die mit Hilfe eines Lederriemens geworfen wurden.</p><lb/><p>Die Konstruktion des Pilums giebt einen<lb/>
Beweis für die Kunstfertigkeit der römischen<lb/>
Eisenschmiede. Bei dem normalen Pilum der<lb/>
Legionare, wie es auch Polybios, wenn auch<lb/>
etwas unklar, beschreibt, bestehen Spitze, Stiel<lb/>
und das breite Heft, welches mit dem Holze ver-<lb/>
bunden wurde, aus einem Schmiedestücke, über<lb/>
diese ist die Zwinge, welche den Schaft schützt,<lb/>
in der Weise übergestrippt, daſs die Stahlspitze<lb/>
erst angeschweiſst werden konnte, nachdem die<lb/>
Zwinge übergestrippt war. Nebenstehende Ab-<lb/>
bildungen geben die nähere Erläuterung (Fig. 146<lb/>
Nr. 14, 15).</p><lb/><p>Das Eisen des Pilums war tief in den Schaft eingelassen und wie<lb/>
Polybios bemerkt, so fest mit dem Holze verbunden, daſs eher das<lb/>
Eisen brach, als diese Verbindung sich löste <noteplace="foot"n="2)">Zwei Pila sind in dem interessanten Pfahlbau<lb/>
unterhalb Mainz, dem Dimeser Ort, gefunden worden, woselbst man auch eine<lb/>
Schwertklinge, Dolchklingen und Pfeilspitzen von Eisen auffand; dabei fanden sich<lb/>
Münzen, von denen die jüngsten aus der Zeit des Lucius verus (161 bis 169 n. Chr.)<lb/>
waren.</note>.</p><lb/><p>Dies zeigt unsere Fig. 149, welche bei <hirendition="#i">a</hi> den eisernen Fortsatz des<lb/>
Pilums, die Zunge, angiebt, bei <hirendition="#i">b</hi> die Art wie diese mit dem Holze verbun-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[553/0575]
Italien und die Römer.
des Gegners, so verhinderten einerseits die Widerhaken das Heraus-
ziehen, andererseits bewirkte der schwere lange Schaft, daſs sich die
dünne Eisenstange, die unterhalb der Stahlspitze nur die Stärke eines
starken Federkiels hatte, umbog 1), in beiden Fällen zog die schwere
Lanze den Arm des Schildträgers nieder und wenn der Getroffene auch
mit Anstrengung seinen Arm hoch hielt, so vermochte er doch nicht
vorwärts zu schreiten, weil sich die eiserne Spitze am Fuſsende in den
Boden einbohrte. Gelang es ihm aber auch im günstigsten Fall die
Waffe aus dem Schilde zu reiſsen, so war dieselbe für ihn nutzlos, da
die Spitze krumm gebogen war. Den Moment der Wehrlosigkeit benutzte
der Pilite um mit dem Schwert auf den Gegner einzuspringen. Das Pilum
war daher bei der damaligen Kampfweise eine höchst wirkungsvolle
Waffe, freilich auch eine kostspielige, denn sie konnte höchstens nach
[Abbildung Fig. 149.]
glücklicher Beendigung des Kampfes wieder er-
langt werden. Anders war dies bei den leichten
Wurfspieſsen der Leichtbewaffneten und Reiter,
die mit Hilfe eines Lederriemens geworfen wurden.
Die Konstruktion des Pilums giebt einen
Beweis für die Kunstfertigkeit der römischen
Eisenschmiede. Bei dem normalen Pilum der
Legionare, wie es auch Polybios, wenn auch
etwas unklar, beschreibt, bestehen Spitze, Stiel
und das breite Heft, welches mit dem Holze ver-
bunden wurde, aus einem Schmiedestücke, über
diese ist die Zwinge, welche den Schaft schützt,
in der Weise übergestrippt, daſs die Stahlspitze
erst angeschweiſst werden konnte, nachdem die
Zwinge übergestrippt war. Nebenstehende Ab-
bildungen geben die nähere Erläuterung (Fig. 146
Nr. 14, 15).
Das Eisen des Pilums war tief in den Schaft eingelassen und wie
Polybios bemerkt, so fest mit dem Holze verbunden, daſs eher das
Eisen brach, als diese Verbindung sich löste 2).
Dies zeigt unsere Fig. 149, welche bei a den eisernen Fortsatz des
Pilums, die Zunge, angiebt, bei b die Art wie diese mit dem Holze verbun-
1) Caes. bel. Gal. I, 25.
2) Zwei Pila sind in dem interessanten Pfahlbau
unterhalb Mainz, dem Dimeser Ort, gefunden worden, woselbst man auch eine
Schwertklinge, Dolchklingen und Pfeilspitzen von Eisen auffand; dabei fanden sich
Münzen, von denen die jüngsten aus der Zeit des Lucius verus (161 bis 169 n. Chr.)
waren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/575>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.