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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Griechenland.
denselben Händlern vertrieben wurde. Ganz unbegreiflich erscheint es
deshalb, wenn Gladstone das Bedürfnis fühlt, einen selbständigen Aus-
druck für Bronze ausfindig zu machen und die Ansicht ausspricht, dass
kuanos, das, wie wir später mehr ausführen werden, ganz bestimmt
Stahl heisst und auch zu allen Zeiten so übersetzt worden ist, Bronze
bedeutet habe. Es wurde bereits erwähnt, dass khalkos das Beiwort
eruthros, rötlich, führt. Dieses Beiwort spricht für Kupfer und gegen
die Übersetzung: Erz oder Bronze 1). Die übrigen Beiwörter bei Homer
sind weniger charakteristisch für das spezielle Metall, wie ateires
unverwüstlich, unbändig, kalt, starrend 2); ebenso psukhros kalt,
grausam 3), aithops funkelnd 4), glänzend 5), phaeinos blendend. Noch
weniger charakteristisch sind folgende Beiwörter: spitzig, hartdurch-
schneidend, mit langer Spitze, furchtbar, göttlich, herrlich, mannhaft.
Wichtiger schon ist der Ausdruck, dass die zur Schlacht eilenden Troer
"von Kupfer schimmernd" (khalko marmairontes 6) heissen. Ebenso die
Wendung, dass Hektor in seiner Rüstung leuchtet wie der Blitz des
Zeus 7), sowie der Dichter zahlreiche andere Bilder über den Glanz des
Erzes mitteilt.

Das Kupfer ist früher benutzt worden, als das Erz, ebenso ist die
Metallschmiedekunst weit älter, als die des Metallgusses. Beides
ist aus metallurgischen Gründen schon a priori klar, wird aber bestätigt
durch die interessanten Entdeckungen von Cesnola auf Cypern, sowie
von Schliemann zu Mykenä und Hissarlik (Troja).

Die erste Frage ist die, zu was verwendeten die Griechen das
Kupfer? Dass es sehr vielfache Anwendung fand, ja, dass es das ver-
breitetste Nutzmetall war, haben wir schon erwähnt. Dass khalkeus, der
Kupferschmied, der Schmied im allgemeinen heisst, bestätigt dies.
Ebenso heisst khalkeuein schmieden und khalkeios domos die Schmiede 8).

Dieser khalkeios domos, der vorm Orte zu liegen pflegte, war zu-
gleich die öffentliche Kneipe (leskhe), und als ein Aufenthalt für Land-
streicher und Lumpen verrufen. Dieser Makel haftete auch noch den
Schmieden des Mittelalters an.

Die Verwendung des Kupfers war nach Homers Schilderung eine
sehr mannigfaltige und wurde das Kupfer zu vielen Zwecken benutzt,
wofür man später unbedingt das Eisen vorzog.

So sind mancherlei Geräte und Werkzeuge von Kupfer, die später
von Eisen waren. Die ganzen Schmiedewerkzeuge des Hephästos nennt

1) Vergl. Hoeck, Kreta ad 1, 261, 262.
2) Ilias 5, 292; 7, 247; 14, 25;
18, 444.
3) Ilias 5, 75.
4) Ilias 4, 495.
5) Ilias 12, 151; 2, 587.
6) Ilias
13, 807.
7) Ilias 11, 65.
8) Odyssee 18, 328.

Griechenland.
denselben Händlern vertrieben wurde. Ganz unbegreiflich erscheint es
deshalb, wenn Gladstone das Bedürfnis fühlt, einen selbständigen Aus-
druck für Bronze ausfindig zu machen und die Ansicht ausspricht, daſs
κύανος, das, wie wir später mehr ausführen werden, ganz bestimmt
Stahl heiſst und auch zu allen Zeiten so übersetzt worden ist, Bronze
bedeutet habe. Es wurde bereits erwähnt, daſs χαλκός das Beiwort
ἐρυϑρός, rötlich, führt. Dieses Beiwort spricht für Kupfer und gegen
die Übersetzung: Erz oder Bronze 1). Die übrigen Beiwörter bei Homer
sind weniger charakteristisch für das spezielle Metall, wie ἀτειρής
unverwüstlich, unbändig, kalt, starrend 2); ebenso ψυχρός kalt,
grausam 3), αἴϑοψ funkelnd 4), glänzend 5), φαεινός blendend. Noch
weniger charakteristisch sind folgende Beiwörter: spitzig, hartdurch-
schneidend, mit langer Spitze, furchtbar, göttlich, herrlich, mannhaft.
Wichtiger schon ist der Ausdruck, daſs die zur Schlacht eilenden Troer
„von Kupfer schimmernd“ (χαλκῷ μαρμαίροντες 6) heiſsen. Ebenso die
Wendung, daſs Hektor in seiner Rüstung leuchtet wie der Blitz des
Zeus 7), sowie der Dichter zahlreiche andere Bilder über den Glanz des
Erzes mitteilt.

Das Kupfer ist früher benutzt worden, als das Erz, ebenso ist die
Metallschmiedekunst weit älter, als die des Metallgusses. Beides
ist aus metallurgischen Gründen schon a priori klar, wird aber bestätigt
durch die interessanten Entdeckungen von Cesnola auf Cypern, sowie
von Schliemann zu Mykenä und Hissarlik (Troja).

Die erste Frage ist die, zu was verwendeten die Griechen das
Kupfer? Daſs es sehr vielfache Anwendung fand, ja, daſs es das ver-
breitetste Nutzmetall war, haben wir schon erwähnt. Daſs χαλκεύς, der
Kupferschmied, der Schmied im allgemeinen heiſst, bestätigt dies.
Ebenso heiſst χαλκεύειν schmieden und χαλκήιος δόμος die Schmiede 8).

Dieser χαλκήιος δόμος, der vorm Orte zu liegen pflegte, war zu-
gleich die öffentliche Kneipe (λέσχη), und als ein Aufenthalt für Land-
streicher und Lumpen verrufen. Dieser Makel haftete auch noch den
Schmieden des Mittelalters an.

Die Verwendung des Kupfers war nach Homers Schilderung eine
sehr mannigfaltige und wurde das Kupfer zu vielen Zwecken benutzt,
wofür man später unbedingt das Eisen vorzog.

So sind mancherlei Geräte und Werkzeuge von Kupfer, die später
von Eisen waren. Die ganzen Schmiedewerkzeuge des Hephästos nennt

1) Vergl. Hoeck, Kreta ad 1, 261, 262.
2) Ilias 5, 292; 7, 247; 14, 25;
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[395/0417] Griechenland. denselben Händlern vertrieben wurde. Ganz unbegreiflich erscheint es deshalb, wenn Gladstone das Bedürfnis fühlt, einen selbständigen Aus- druck für Bronze ausfindig zu machen und die Ansicht ausspricht, daſs κύανος, das, wie wir später mehr ausführen werden, ganz bestimmt Stahl heiſst und auch zu allen Zeiten so übersetzt worden ist, Bronze bedeutet habe. Es wurde bereits erwähnt, daſs χαλκός das Beiwort ἐρυϑρός, rötlich, führt. Dieses Beiwort spricht für Kupfer und gegen die Übersetzung: Erz oder Bronze 1). Die übrigen Beiwörter bei Homer sind weniger charakteristisch für das spezielle Metall, wie ἀτειρής unverwüstlich, unbändig, kalt, starrend 2); ebenso ψυχρός kalt, grausam 3), αἴϑοψ funkelnd 4), glänzend 5), φαεινός blendend. Noch weniger charakteristisch sind folgende Beiwörter: spitzig, hartdurch- schneidend, mit langer Spitze, furchtbar, göttlich, herrlich, mannhaft. Wichtiger schon ist der Ausdruck, daſs die zur Schlacht eilenden Troer „von Kupfer schimmernd“ (χαλκῷ μαρμαίροντες 6) heiſsen. Ebenso die Wendung, daſs Hektor in seiner Rüstung leuchtet wie der Blitz des Zeus 7), sowie der Dichter zahlreiche andere Bilder über den Glanz des Erzes mitteilt. Das Kupfer ist früher benutzt worden, als das Erz, ebenso ist die Metallschmiedekunst weit älter, als die des Metallgusses. Beides ist aus metallurgischen Gründen schon a priori klar, wird aber bestätigt durch die interessanten Entdeckungen von Cesnola auf Cypern, sowie von Schliemann zu Mykenä und Hissarlik (Troja). Die erste Frage ist die, zu was verwendeten die Griechen das Kupfer? Daſs es sehr vielfache Anwendung fand, ja, daſs es das ver- breitetste Nutzmetall war, haben wir schon erwähnt. Daſs χαλκεύς, der Kupferschmied, der Schmied im allgemeinen heiſst, bestätigt dies. Ebenso heiſst χαλκεύειν schmieden und χαλκήιος δόμος die Schmiede 8). Dieser χαλκήιος δόμος, der vorm Orte zu liegen pflegte, war zu- gleich die öffentliche Kneipe (λέσχη), und als ein Aufenthalt für Land- streicher und Lumpen verrufen. Dieser Makel haftete auch noch den Schmieden des Mittelalters an. Die Verwendung des Kupfers war nach Homers Schilderung eine sehr mannigfaltige und wurde das Kupfer zu vielen Zwecken benutzt, wofür man später unbedingt das Eisen vorzog. So sind mancherlei Geräte und Werkzeuge von Kupfer, die später von Eisen waren. Die ganzen Schmiedewerkzeuge des Hephästos nennt 1) Vergl. Hoeck, Kreta ad 1, 261, 262. 2) Ilias 5, 292; 7, 247; 14, 25; 18, 444. 3) Ilias 5, 75. 4) Ilias 4, 495. 5) Ilias 12, 151; 2, 587. 6) Ilias 13, 807. 7) Ilias 11, 65. 8) Odyssee 18, 328.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/417>, abgerufen am 18.05.2024.