Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Griechenland.
erschien, wie Kupfer, vielleicht aber auch infolge der Irrlehre von dem
Bronzezeitalter. Im Gegensatze zu dieser Übersetzung von khalkos mit
Erz haben andere und zwar schon in sehr früher Zeit die Behauptung
aufgestellt, khalkos bedeute weder Kupfer noch Erz, sondern Eisen 1).
Diese Ansicht ist daraus entstanden, dass einesteils allerdings Homer
das Wort sehr oft in dem allgemeinen Sinne von Metall gebraucht ohne
gerade speziell dabei an Kupfer zu denken, wie ja auch khalkeus durch-
aus nicht bloss der Kupferschmied, sondern ebenso auch der Gold- und
Eisenschmied bedeutet; andererseits bezeichnet Homer viele Waffen,
Werkzeuge und Geräte als von khalkos gemacht, bei denen es sich nicht
wohl denken lässt, dass sie von Kupfer oder Erz gefertigt waren, die
wenigstens nicht nur heutzutage, sondern auch schon wenige Jahrhun-
derte nach Homer auch in Griechenland aus Eisen hergestellt wurden.

Obgleich wir diese Gründe als sehr gewichtige anerkennen müssen,
so sind sie doch nicht hinreichend gegenüber den zahlreichen That-
sachen, die dafür sprechen, dass Homer unter khalkos in der Regel
Kupfer versteht, sobald er mit diesem Worte ein bestimmtes Metall
bezeichnen will. Eisen (sideros) nennt er häufig neben oder im
Gegensatze zu Kupfer, welches keinen Sinn hätte, wenn er mit beiden
Ausdrücken Eisen bezeichnen wollte. Auch das wichtige Beiwort
eruthros 2), das rötliche, rotschimmernde, passt nur für Kupfer. Vor allem
wird die Annahme, dass khalkos Kupfer heissen muss, durch die Aus-
grabungen von Troja, Mykenä und Cypern bestätigt. Diese Aus-
grabungen geben uns auch den richtigen Aufschluss über die Stellung
des Kupfers zur Bronze. Sowohl die älteren Funde, die Cesnola auf
Cypern gemacht hat, als die Entdeckungen Schliemanns bestätigen,
dass das verbreitetere und gebräuchlichere Metall jener entfernten
Zeitperiode das Kupfer war, welches verschmiedet wurde, dass dagegen
die Bronze noch selten und teurer war und der Bronzeguss bei den
Griechen jener Zeit noch in seinen ersten Anfängen sich befand.
Ebensowenig wie die Ägypter, Babylonier, Phönizier, Juden u. s. w.
hatten die Griechen einen besonderen Ausdruck für Bronze im Gegen-
satze zum Kupfer. Man sah im Altertume die Bronze immer nur als
eine Art des Kupfers an, die, wie wir gesehen haben, höchstens nach
ihrer Farbe durch ein Beiwort als "helles" Kupfer von dem unlegierten
Metalle, dem reinen Kupfer unterschieden wurde. Es ist dies auch
ganz natürlich, da beides aus denselben Quellen stammte, und von

1) Eustath zu Il. I, p. 93; de Maree Versuch über die Kultur der Griechen,
S. 34.
2) Il. 9, 365.

Griechenland.
erschien, wie Kupfer, vielleicht aber auch infolge der Irrlehre von dem
Bronzezeitalter. Im Gegensatze zu dieser Übersetzung von χαλκός mit
Erz haben andere und zwar schon in sehr früher Zeit die Behauptung
aufgestellt, χαλκός bedeute weder Kupfer noch Erz, sondern Eisen 1).
Diese Ansicht ist daraus entstanden, daſs einesteils allerdings Homer
das Wort sehr oft in dem allgemeinen Sinne von Metall gebraucht ohne
gerade speziell dabei an Kupfer zu denken, wie ja auch χαλκεὺς durch-
aus nicht bloſs der Kupferschmied, sondern ebenso auch der Gold- und
Eisenschmied bedeutet; andererseits bezeichnet Homer viele Waffen,
Werkzeuge und Geräte als von χαλκός gemacht, bei denen es sich nicht
wohl denken läſst, daſs sie von Kupfer oder Erz gefertigt waren, die
wenigstens nicht nur heutzutage, sondern auch schon wenige Jahrhun-
derte nach Homer auch in Griechenland aus Eisen hergestellt wurden.

Obgleich wir diese Gründe als sehr gewichtige anerkennen müssen,
so sind sie doch nicht hinreichend gegenüber den zahlreichen That-
sachen, die dafür sprechen, daſs Homer unter χαλκός in der Regel
Kupfer versteht, sobald er mit diesem Worte ein bestimmtes Metall
bezeichnen will. Eisen (σίδηρος) nennt er häufig neben oder im
Gegensatze zu Kupfer, welches keinen Sinn hätte, wenn er mit beiden
Ausdrücken Eisen bezeichnen wollte. Auch das wichtige Beiwort
ἐρυϑρός 2), das rötliche, rotschimmernde, paſst nur für Kupfer. Vor allem
wird die Annahme, daſs χαλκός Kupfer heiſsen muſs, durch die Aus-
grabungen von Troja, Mykenä und Cypern bestätigt. Diese Aus-
grabungen geben uns auch den richtigen Aufschluſs über die Stellung
des Kupfers zur Bronze. Sowohl die älteren Funde, die Cesnola auf
Cypern gemacht hat, als die Entdeckungen Schliemanns bestätigen,
daſs das verbreitetere und gebräuchlichere Metall jener entfernten
Zeitperiode das Kupfer war, welches verschmiedet wurde, daſs dagegen
die Bronze noch selten und teurer war und der Bronzeguſs bei den
Griechen jener Zeit noch in seinen ersten Anfängen sich befand.
Ebensowenig wie die Ägypter, Babylonier, Phönizier, Juden u. s. w.
hatten die Griechen einen besonderen Ausdruck für Bronze im Gegen-
satze zum Kupfer. Man sah im Altertume die Bronze immer nur als
eine Art des Kupfers an, die, wie wir gesehen haben, höchstens nach
ihrer Farbe durch ein Beiwort als „helles“ Kupfer von dem unlegierten
Metalle, dem reinen Kupfer unterschieden wurde. Es ist dies auch
ganz natürlich, da beides aus denselben Quellen stammte, und von

1) Eustath zu Il. I, p. 93; de Marée Versuch über die Kultur der Griechen,
S. 34.
2) Il. 9, 365.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0416" n="394"/><fw place="top" type="header">Griechenland.</fw><lb/>
erschien, wie Kupfer, vielleicht aber auch infolge der Irrlehre von dem<lb/>
Bronzezeitalter. Im Gegensatze zu dieser Übersetzung von &#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C2; mit<lb/>
Erz haben andere und zwar schon in sehr früher Zeit die Behauptung<lb/>
aufgestellt, &#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C2; bedeute weder Kupfer noch Erz, sondern Eisen <note place="foot" n="1)">Eustath zu Il. I, p. 93; de Marée Versuch über die Kultur der Griechen,<lb/>
S. 34.</note>.<lb/>
Diese Ansicht ist daraus entstanden, da&#x017F;s einesteils allerdings Homer<lb/>
das Wort sehr oft in dem allgemeinen Sinne von Metall gebraucht ohne<lb/>
gerade speziell dabei an Kupfer zu denken, wie ja auch &#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BA;&#x03B5;&#x1F7A;&#x03C2; durch-<lb/>
aus nicht blo&#x017F;s der Kupferschmied, sondern ebenso auch der Gold- und<lb/>
Eisenschmied bedeutet; andererseits bezeichnet Homer viele Waffen,<lb/>
Werkzeuge und Geräte als von &#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C2; gemacht, bei denen es sich nicht<lb/>
wohl denken lä&#x017F;st, da&#x017F;s sie von Kupfer oder Erz gefertigt waren, die<lb/>
wenigstens nicht nur heutzutage, sondern auch schon wenige Jahrhun-<lb/>
derte nach Homer <choice><sic>anch</sic><corr>auch</corr></choice> in Griechenland aus Eisen hergestellt wurden.</p><lb/>
          <p>Obgleich wir diese Gründe als sehr gewichtige anerkennen müssen,<lb/>
so sind sie doch nicht hinreichend gegenüber den zahlreichen That-<lb/>
sachen, die dafür sprechen, da&#x017F;s Homer unter &#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C2; in der Regel<lb/>
Kupfer versteht, sobald er mit diesem Worte ein bestimmtes Metall<lb/>
bezeichnen will. Eisen (&#x03C3;&#x03AF;&#x03B4;&#x03B7;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C2;) nennt er häufig neben oder im<lb/>
Gegensatze zu Kupfer, welches keinen Sinn hätte, wenn er mit beiden<lb/>
Ausdrücken Eisen bezeichnen wollte. Auch das wichtige Beiwort<lb/>
&#x1F10;&#x03C1;&#x03C5;&#x03D1;&#x03C1;&#x03CC;&#x03C2; <note place="foot" n="2)">Il. 9, 365.</note>, das rötliche, rotschimmernde, pa&#x017F;st nur für Kupfer. Vor allem<lb/>
wird die Annahme, da&#x017F;s &#x03C7;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C2; Kupfer hei&#x017F;sen mu&#x017F;s, durch die Aus-<lb/>
grabungen von Troja, Mykenä und Cypern bestätigt. Diese Aus-<lb/>
grabungen geben uns auch den richtigen Aufschlu&#x017F;s über die Stellung<lb/>
des Kupfers zur Bronze. Sowohl die älteren Funde, die Cesnola auf<lb/>
Cypern gemacht hat, als die Entdeckungen Schliemanns bestätigen,<lb/>
da&#x017F;s das verbreitetere und gebräuchlichere Metall jener entfernten<lb/>
Zeitperiode das Kupfer war, welches verschmiedet wurde, da&#x017F;s dagegen<lb/>
die Bronze noch selten und teurer war und der Bronzegu&#x017F;s bei den<lb/>
Griechen jener Zeit noch in seinen ersten Anfängen sich befand.<lb/>
Ebensowenig wie die Ägypter, Babylonier, Phönizier, Juden u. s. w.<lb/>
hatten die Griechen einen besonderen Ausdruck für Bronze im Gegen-<lb/>
satze zum Kupfer. Man sah im Altertume die Bronze immer nur als<lb/>
eine Art des Kupfers an, die, wie wir gesehen haben, höchstens nach<lb/>
ihrer Farbe durch ein Beiwort als &#x201E;helles&#x201C; Kupfer von dem unlegierten<lb/>
Metalle, dem reinen Kupfer unterschieden wurde. Es ist dies auch<lb/>
ganz natürlich, da beides aus denselben Quellen stammte, und von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0416] Griechenland. erschien, wie Kupfer, vielleicht aber auch infolge der Irrlehre von dem Bronzezeitalter. Im Gegensatze zu dieser Übersetzung von χαλκός mit Erz haben andere und zwar schon in sehr früher Zeit die Behauptung aufgestellt, χαλκός bedeute weder Kupfer noch Erz, sondern Eisen 1). Diese Ansicht ist daraus entstanden, daſs einesteils allerdings Homer das Wort sehr oft in dem allgemeinen Sinne von Metall gebraucht ohne gerade speziell dabei an Kupfer zu denken, wie ja auch χαλκεὺς durch- aus nicht bloſs der Kupferschmied, sondern ebenso auch der Gold- und Eisenschmied bedeutet; andererseits bezeichnet Homer viele Waffen, Werkzeuge und Geräte als von χαλκός gemacht, bei denen es sich nicht wohl denken läſst, daſs sie von Kupfer oder Erz gefertigt waren, die wenigstens nicht nur heutzutage, sondern auch schon wenige Jahrhun- derte nach Homer auch in Griechenland aus Eisen hergestellt wurden. Obgleich wir diese Gründe als sehr gewichtige anerkennen müssen, so sind sie doch nicht hinreichend gegenüber den zahlreichen That- sachen, die dafür sprechen, daſs Homer unter χαλκός in der Regel Kupfer versteht, sobald er mit diesem Worte ein bestimmtes Metall bezeichnen will. Eisen (σίδηρος) nennt er häufig neben oder im Gegensatze zu Kupfer, welches keinen Sinn hätte, wenn er mit beiden Ausdrücken Eisen bezeichnen wollte. Auch das wichtige Beiwort ἐρυϑρός 2), das rötliche, rotschimmernde, paſst nur für Kupfer. Vor allem wird die Annahme, daſs χαλκός Kupfer heiſsen muſs, durch die Aus- grabungen von Troja, Mykenä und Cypern bestätigt. Diese Aus- grabungen geben uns auch den richtigen Aufschluſs über die Stellung des Kupfers zur Bronze. Sowohl die älteren Funde, die Cesnola auf Cypern gemacht hat, als die Entdeckungen Schliemanns bestätigen, daſs das verbreitetere und gebräuchlichere Metall jener entfernten Zeitperiode das Kupfer war, welches verschmiedet wurde, daſs dagegen die Bronze noch selten und teurer war und der Bronzeguſs bei den Griechen jener Zeit noch in seinen ersten Anfängen sich befand. Ebensowenig wie die Ägypter, Babylonier, Phönizier, Juden u. s. w. hatten die Griechen einen besonderen Ausdruck für Bronze im Gegen- satze zum Kupfer. Man sah im Altertume die Bronze immer nur als eine Art des Kupfers an, die, wie wir gesehen haben, höchstens nach ihrer Farbe durch ein Beiwort als „helles“ Kupfer von dem unlegierten Metalle, dem reinen Kupfer unterschieden wurde. Es ist dies auch ganz natürlich, da beides aus denselben Quellen stammte, und von 1) Eustath zu Il. I, p. 93; de Marée Versuch über die Kultur der Griechen, S. 34. 2) Il. 9, 365.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/416
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/416>, abgerufen am 22.11.2024.