Schmiedeeisen, sondern direkt Stahl, sogar in ausgezeichneter Qualität ergeben, so müsste es doch fast wunderbar zugegangen sein, wenn den alten Kulturvölkern Amerikas das Eisen und seine eminent praktische Bedeutung entgangen wäre.
Und dennoch soll dies, wie einige spanische Geschichtsschreiber, deren Aussagen wir nun näher betrachten wollen, versichern, in der That der Fall gewesen sein. Die älteste positive Nachricht, dass in Mexiko Stahl und Eisen unbekannt waren, findet sich, soviel ich sehe, bei Pietro Martire de Angleria, der am Hofe von Castilien als Staats- mann und Gelehrter in hohem Ansehen stand und bereits im Jahre 1525 starb. Bei ihm lautet die betreffende Stelle (De Orbe Novo, Dec. V, c. IV, p. 348 ed. Hakluyti) allerdings sehr bestimmt: Carent chalybe ac ferro; allein es hat ganz den Anschein, als ob der Verfasser sich durch die Berichte des Columbus, Chanca, Vasco Nundez und Vespucio, in denen die Nichtexistenz des Eisens bei den Bewohnern der westindischen Inseln, der benachbarten Küstendistrikte und des Innern von Darien häufig betont wird, verleiten liess, dieselbe ohne Weiteres auch für Mexiko anzunehmen.
Als zweiter Gewährsmann ist Juan de Torquemada zu nennen, der im Jahre 1550 nach Mexiko ging; und als dritter Lopez de Gomara, der als Hauskaplan des Cortez in Spanien füglich auf authentische Mit- teilungen sich zu stützen vermochte. Um so mehr muss es denn auffallen, wenn beide lediglich dem Martyr zu folgen scheinen, denn Torquemada (Monarq. Ind. lib. XIII, c. 34) übersetzt ihn geradezu wörtlich mit Carecian de hierro y azero, und Gomara (Conq. de Mejico, Cap. CCXXX, p. 451) sagt mit geringer Abweichung: Carecian del uso de hierro. Hierzu kommt noch Antonio de Herrera, der, ohne selbst in der neuen Welt gewesen zu sein, von Philipp II. zum Geschichtsschreiber Indiens ernannt wurde; er erwähnt bei der Beschreibung der Provinzen Zaca- tula und Colima, man habe dort zwei Sorten Kupfer gekannt, eine sehr weiche, aus welcher vortreffliche Gefässe getrieben wurden, und eine harte, mit der man die Erde bearbeitete als Ersatz des Eisens, das man überhaupt erst durch die Castilianer habe kennen lernen 1).
Was Peru anbetrifft, so finden sich hier nur drei Gewährsmänner, die aber nicht das Fehlen des Eisens überhaupt, sondern eigentlich nur den Mangel eiserner Werkzeuge bei der Bearbeitung der Bausteine be- haupten. Die älteste Nachricht gibt der Licenciat Ondegardo in seiner
1) Herrera, Descripcion de las Ind. Occid. (Madrid 1601, fol.) p. 27: ay muy buenas minas de cobre en este distrito, del qual hazen los Indios maravillosos vasos, porque es dulce, y otro tan duro que con ello labran la tierra en lugar de yerro, que nunca supieron hacer, hasta que lo ensennaron los Castellanos.
Amerika.
Schmiedeeisen, sondern direkt Stahl, sogar in ausgezeichneter Qualität ergeben, so müſste es doch fast wunderbar zugegangen sein, wenn den alten Kulturvölkern Amerikas das Eisen und seine eminent praktische Bedeutung entgangen wäre.
Und dennoch soll dies, wie einige spanische Geschichtsschreiber, deren Aussagen wir nun näher betrachten wollen, versichern, in der That der Fall gewesen sein. Die älteste positive Nachricht, daſs in Mexiko Stahl und Eisen unbekannt waren, findet sich, soviel ich sehe, bei Pietro Martire de Angleria, der am Hofe von Castilien als Staats- mann und Gelehrter in hohem Ansehen stand und bereits im Jahre 1525 starb. Bei ihm lautet die betreffende Stelle (De Orbe Novo, Dec. V, c. IV, p. 348 ed. Hakluyti) allerdings sehr bestimmt: Carent chalybe ac ferro; allein es hat ganz den Anschein, als ob der Verfasser sich durch die Berichte des Columbus, Chanca, Vasco Nuñez und Vespucio, in denen die Nichtexistenz des Eisens bei den Bewohnern der westindischen Inseln, der benachbarten Küstendistrikte und des Innern von Darien häufig betont wird, verleiten lieſs, dieselbe ohne Weiteres auch für Mexiko anzunehmen.
Als zweiter Gewährsmann ist Juan de Torquemada zu nennen, der im Jahre 1550 nach Mexiko ging; und als dritter Lopez de Gómara, der als Hauskaplan des Cortez in Spanien füglich auf authentische Mit- teilungen sich zu stützen vermochte. Um so mehr muſs es denn auffallen, wenn beide lediglich dem Martyr zu folgen scheinen, denn Torquemada (Monarq. Ind. lib. XIII, c. 34) übersetzt ihn geradezu wörtlich mit Carecian de hierro y azero, und Gómara (Conq. de Méjico, Cap. CCXXX, p. 451) sagt mit geringer Abweichung: Carecian del uso de hierro. Hierzu kommt noch Antonio de Herrera, der, ohne selbst in der neuen Welt gewesen zu sein, von Philipp II. zum Geschichtsschreiber Indiens ernannt wurde; er erwähnt bei der Beschreibung der Provinzen Zaca- tula und Colima, man habe dort zwei Sorten Kupfer gekannt, eine sehr weiche, aus welcher vortreffliche Gefäſse getrieben wurden, und eine harte, mit der man die Erde bearbeitete als Ersatz des Eisens, das man überhaupt erst durch die Castilianer habe kennen lernen 1).
Was Peru anbetrifft, so finden sich hier nur drei Gewährsmänner, die aber nicht das Fehlen des Eisens überhaupt, sondern eigentlich nur den Mangel eiserner Werkzeuge bei der Bearbeitung der Bausteine be- haupten. Die älteste Nachricht gibt der Licenciat Ondegardo in seiner
1) Herrera, Descripcion de las Ind. Occid. (Madrid 1601, fol.) p. 27: ay muy buenas minas de cobre en este distrito, del qual hazen los Indios maravillosos vasos, porque es dulce, y otro tan duro que con ello labran la tierra en lugar de yerro, que nunca supieron hacer, hasta que lo enseñaron los Castellanos.
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Schmiedeeisen, sondern direkt Stahl, sogar in ausgezeichneter Qualität
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alten Kulturvölkern Amerikas das Eisen und seine eminent praktische
Bedeutung entgangen wäre.
Und dennoch soll dies, wie einige spanische Geschichtsschreiber,
deren Aussagen wir nun näher betrachten wollen, versichern, in der
That der Fall gewesen sein. Die älteste positive Nachricht, daſs in
Mexiko Stahl und Eisen unbekannt waren, findet sich, soviel ich sehe,
bei Pietro Martire de Angleria, der am Hofe von Castilien als Staats-
mann und Gelehrter in hohem Ansehen stand und bereits im Jahre 1525
starb. Bei ihm lautet die betreffende Stelle (De Orbe Novo, Dec. V,
c. IV, p. 348 ed. Hakluyti) allerdings sehr bestimmt: Carent chalybe ac
ferro; allein es hat ganz den Anschein, als ob der Verfasser sich durch die
Berichte des Columbus, Chanca, Vasco Nuñez und Vespucio, in denen die
Nichtexistenz des Eisens bei den Bewohnern der westindischen Inseln, der
benachbarten Küstendistrikte und des Innern von Darien häufig betont
wird, verleiten lieſs, dieselbe ohne Weiteres auch für Mexiko anzunehmen.
Als zweiter Gewährsmann ist Juan de Torquemada zu nennen, der
im Jahre 1550 nach Mexiko ging; und als dritter Lopez de Gómara,
der als Hauskaplan des Cortez in Spanien füglich auf authentische Mit-
teilungen sich zu stützen vermochte. Um so mehr muſs es denn auffallen,
wenn beide lediglich dem Martyr zu folgen scheinen, denn Torquemada
(Monarq. Ind. lib. XIII, c. 34) übersetzt ihn geradezu wörtlich mit
Carecian de hierro y azero, und Gómara (Conq. de Méjico, Cap. CCXXX,
p. 451) sagt mit geringer Abweichung: Carecian del uso de hierro.
Hierzu kommt noch Antonio de Herrera, der, ohne selbst in der neuen
Welt gewesen zu sein, von Philipp II. zum Geschichtsschreiber Indiens
ernannt wurde; er erwähnt bei der Beschreibung der Provinzen Zaca-
tula und Colima, man habe dort zwei Sorten Kupfer gekannt, eine sehr
weiche, aus welcher vortreffliche Gefäſse getrieben wurden, und eine
harte, mit der man die Erde bearbeitete als Ersatz des Eisens, das man
überhaupt erst durch die Castilianer habe kennen lernen 1).
Was Peru anbetrifft, so finden sich hier nur drei Gewährsmänner,
die aber nicht das Fehlen des Eisens überhaupt, sondern eigentlich nur
den Mangel eiserner Werkzeuge bei der Bearbeitung der Bausteine be-
haupten. Die älteste Nachricht gibt der Licenciat Ondegardo in seiner
1) Herrera, Descripcion de las Ind. Occid. (Madrid 1601, fol.) p. 27: ay muy
buenas minas de cobre en este distrito, del qual hazen los Indios maravillosos
vasos, porque es dulce, y otro tan duro que con ello labran la tierra en lugar de
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/373>, abgerufen am 22.11.2024.
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