die Litauer und Slaven ihren Namen für das Eisen entnommen und vermutlich wurden sie auch von diesen mit dem Gebrauche dieses Metalles zuerst bekannt gemacht. Zur ugro-finnischen Gruppe rechnet Lenormand die Tschuden, jenes verschwundene Metallvolk, das vor unbekannter Zeit die Schätze des Altai ausbeutete. Ehe wir auf diese näher eingehen, wird es am Platze sein, das anzuführen, was die Griechen und Römer über die Turanier berichtet haben.
Alle die zahlreichen Stämme, die teils mongolischer, teils tatarischer Rasse, teils Mischvölker beider sind und die längs des Nordrandes des grossen, asiatischen Plateaus vom Amur bis zur Wolga sich ausdehnten, fassten die Griechen zusammen unter der generellen Bezeichnung der Skythen. Diese Stämme waren damals schon ebenso verschiedenartig wie heute, und lebten in derselben bunten Vermischung ohne hervor- tretendes politisches oder nationales Streben nebeneinander. Die Griechen behandelten Geographie und Naturgeschichte des riesigen Landes der Skythen sehr summarisch, Herodot berichtet, der Winter dauere bei ihnen acht Monate, Hanf wüchse wild und Eisen gäbe es im Überfluss. Diese Nachrichten bezogen sich zunächst nur auf die Skythen, mit denen die Griechen in Handelsverbindung standen, also auf die nördlich vom Schwarzen und Kaspischen Meere Ansässigen.
Das eine geht mit Bestimmtheit aus den Nachrichten der Alten hervor, dass die Skythen das Eisen bereits kannten und benutzten, als die Griechen mit ihnen in Verbindung traten und dass sie sich das Eisen selbst darstellten. Nach Herodots Angabe 1) beteten sie sogar einen "alten eisernen Säbel als Gott an und brachten ihm Blutopfer dar". Wenn dieses Eisenschwert auch wohl nur ein Symbol war, so spielte doch bei allen Stämmen, die aus dem tatarisch-mongolischen Nordasien hervorbrachen, das Schwert eine wichtige, religiöse Rolle. So ging beispielsweise bei den Hunnen die Sage, der Kriegsgott habe ein Schwert auf die Erde geworfen, wer dies fände, würde der Mäch- tigste auf Erden. Als nun ein Hirte ein Schwert, welches er beim Graben auf dem Felde gefunden hatte, dem Attila brachte, erklärte dieser die alte Prophezeiung für erfüllt und reizte durch dieses Mittel die Hunnen zum Kriege. Der Missionär Rubruquis erzählt, der Er- oberer Dschingiskhan sei ein Eisenschmied gewesen. Auch Timurs Name, der das Eisen bedeutet, hatte einen bildlichen Sinn. Häufig brachen aus diesen nordasiatischen Völkersitzen Eroberer hervor, deren Ziel jedoch meist nur auf Raub und Bereicherung ging und deren
1) Herodot, Historia IV, 62.
Turanier und Mongolen.
die Litauer und Slaven ihren Namen für das Eisen entnommen und vermutlich wurden sie auch von diesen mit dem Gebrauche dieses Metalles zuerst bekannt gemacht. Zur ugro-finnischen Gruppe rechnet Lenormand die Tschuden, jenes verschwundene Metallvolk, das vor unbekannter Zeit die Schätze des Altai ausbeutete. Ehe wir auf diese näher eingehen, wird es am Platze sein, das anzuführen, was die Griechen und Römer über die Turanier berichtet haben.
Alle die zahlreichen Stämme, die teils mongolischer, teils tatarischer Rasse, teils Mischvölker beider sind und die längs des Nordrandes des groſsen, asiatischen Plateaus vom Amur bis zur Wolga sich ausdehnten, faſsten die Griechen zusammen unter der generellen Bezeichnung der Skythen. Diese Stämme waren damals schon ebenso verschiedenartig wie heute, und lebten in derselben bunten Vermischung ohne hervor- tretendes politisches oder nationales Streben nebeneinander. Die Griechen behandelten Geographie und Naturgeschichte des riesigen Landes der Skythen sehr summarisch, Herodot berichtet, der Winter dauere bei ihnen acht Monate, Hanf wüchse wild und Eisen gäbe es im Überfluſs. Diese Nachrichten bezogen sich zunächst nur auf die Skythen, mit denen die Griechen in Handelsverbindung standen, also auf die nördlich vom Schwarzen und Kaspischen Meere Ansässigen.
Das eine geht mit Bestimmtheit aus den Nachrichten der Alten hervor, daſs die Skythen das Eisen bereits kannten und benutzten, als die Griechen mit ihnen in Verbindung traten und daſs sie sich das Eisen selbst darstellten. Nach Herodots Angabe 1) beteten sie sogar einen „alten eisernen Säbel als Gott an und brachten ihm Blutopfer dar“. Wenn dieses Eisenschwert auch wohl nur ein Symbol war, so spielte doch bei allen Stämmen, die aus dem tatarisch-mongolischen Nordasien hervorbrachen, das Schwert eine wichtige, religiöse Rolle. So ging beispielsweise bei den Hunnen die Sage, der Kriegsgott habe ein Schwert auf die Erde geworfen, wer dies fände, würde der Mäch- tigste auf Erden. Als nun ein Hirte ein Schwert, welches er beim Graben auf dem Felde gefunden hatte, dem Attila brachte, erklärte dieser die alte Prophezeiung für erfüllt und reizte durch dieses Mittel die Hunnen zum Kriege. Der Missionär Rubruquis erzählt, der Er- oberer Dschingiskhan sei ein Eisenschmied gewesen. Auch Timurs Name, der das Eisen bedeutet, hatte einen bildlichen Sinn. Häufig brachen aus diesen nordasiatischen Völkersitzen Eroberer hervor, deren Ziel jedoch meist nur auf Raub und Bereicherung ging und deren
1) Herodot, Historia IV, 62.
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Turanier und Mongolen.
die Litauer und Slaven ihren Namen für das Eisen entnommen und
vermutlich wurden sie auch von diesen mit dem Gebrauche dieses
Metalles zuerst bekannt gemacht. Zur ugro-finnischen Gruppe rechnet
Lenormand die Tschuden, jenes verschwundene Metallvolk, das vor
unbekannter Zeit die Schätze des Altai ausbeutete. Ehe wir auf diese
näher eingehen, wird es am Platze sein, das anzuführen, was die
Griechen und Römer über die Turanier berichtet haben.
Alle die zahlreichen Stämme, die teils mongolischer, teils tatarischer
Rasse, teils Mischvölker beider sind und die längs des Nordrandes des
groſsen, asiatischen Plateaus vom Amur bis zur Wolga sich ausdehnten,
faſsten die Griechen zusammen unter der generellen Bezeichnung der
Skythen. Diese Stämme waren damals schon ebenso verschiedenartig
wie heute, und lebten in derselben bunten Vermischung ohne hervor-
tretendes politisches oder nationales Streben nebeneinander. Die
Griechen behandelten Geographie und Naturgeschichte des riesigen
Landes der Skythen sehr summarisch, Herodot berichtet, der Winter
dauere bei ihnen acht Monate, Hanf wüchse wild und Eisen gäbe es
im Überfluſs. Diese Nachrichten bezogen sich zunächst nur auf die
Skythen, mit denen die Griechen in Handelsverbindung standen, also
auf die nördlich vom Schwarzen und Kaspischen Meere Ansässigen.
Das eine geht mit Bestimmtheit aus den Nachrichten der Alten
hervor, daſs die Skythen das Eisen bereits kannten und benutzten, als
die Griechen mit ihnen in Verbindung traten und daſs sie sich das
Eisen selbst darstellten. Nach Herodots Angabe 1) beteten sie sogar
einen „alten eisernen Säbel als Gott an und brachten ihm Blutopfer
dar“. Wenn dieses Eisenschwert auch wohl nur ein Symbol war, so
spielte doch bei allen Stämmen, die aus dem tatarisch-mongolischen
Nordasien hervorbrachen, das Schwert eine wichtige, religiöse Rolle.
So ging beispielsweise bei den Hunnen die Sage, der Kriegsgott habe
ein Schwert auf die Erde geworfen, wer dies fände, würde der Mäch-
tigste auf Erden. Als nun ein Hirte ein Schwert, welches er beim
Graben auf dem Felde gefunden hatte, dem Attila brachte, erklärte
dieser die alte Prophezeiung für erfüllt und reizte durch dieses Mittel
die Hunnen zum Kriege. Der Missionär Rubruquis erzählt, der Er-
oberer Dschingiskhan sei ein Eisenschmied gewesen. Auch Timurs
Name, der das Eisen bedeutet, hatte einen bildlichen Sinn. Häufig
brachen aus diesen nordasiatischen Völkersitzen Eroberer hervor,
deren Ziel jedoch meist nur auf Raub und Bereicherung ging und deren
1) Herodot, Historia IV, 62.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/296>, abgerufen am 22.11.2024.
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