Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.Die Arier in Asien. Indier. In Syrien heissen sie Kauli, d. i. Kabuli, Leute aus dem Kabul-thal. Diese Namen geben uns nähere Aufklärung über ihre Herkunft. Sie stammen aus dem nördlichen Indien. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie einen Stamm bildeten, ähnlich den obenerwähnten Kohata, die das Schmiedegewerbe, namentlich die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens als Hauptbeschäftigung schon in ihrer Heimat betrieben und die durch Timurs Kriegszug nach Indien 1398 aus ihrer Heimat verdrängt wurden. Es ist leicht möglich, dass Timur, der in vielen Dingen an die grossen Kriegsfürsten Assyriens erinnert, den ganzen Stamm mit Gewalt fortgeführt hat, ähnlich wie er alle Schmiede und Eisenarbeiter aus Damaskus nach seiner Hauptstadt Samarkand und nach anderen Städten geschleppt hat. Es gelang ihm aber nicht, die Zigeuner anzusiedeln, wie sie auch in ihrer eigenen Heimat wahrschein- lich nicht sesshaft gewesen waren und hatte diese gewaltsame Weg- führung nur zur Folge, dass sie sich, ähnlich wie durch gleiche Ver- anlassung die Juden, über die ganze Welt verbreiteten. Sicher ist, dass sie sich zum Anfang des 15. Jahrhunderts zuerst über Westasien, dann über ganz Europa und Nordafrika ausbreiteten. Am meisten folgten sie den Kriegs- und Siegeszügen der Türken. Noch heutzutage sind sie in der Türkei am zahlreichsten, wo etwa 200000 leben, danach sind sie am meisten verbreitet in den Grenzländern der Türkei, be- sonders in Siebenbürgen und Ungarn. In Siebenbürgen betreiben sie noch das Goldwaschen und nennt man diese Goldwäscher dort Rudari oder Aurari. In der Türkei wie in Ungarn und Siebenbürgen beschäf- tigen sie sich noch ganz vorzugsweise mit der Gewinnung und Ver- arbeitung des Eisens. Diese Schmiedezigeuner heissen in der Türkei Demirdschiler. Sie bekennen sich zu der mohammedanischen Religion, durchziehen hausierend das Land und kommen nur selten nach Kon- stantinopel, wenn dies geschieht, so kampieren sie in schwarzen Filz- zelten ausserhalb Pera bei dem Kavillerplatz. In Siebenbürgen und Ungarn betreiben sie neben dem Schmiedehandwerk und der Drahtflechterei auch noch die Gewinnung des Eisens. Ihr Verfahren ist höchst einfach und gleicht ausserordentlich dem Verfahren der Kohata und der Schmiede von Orissa. Das Schmelzen geschieht in einfachen Gruben, die in die Erde gegraben sind, mit Hilfe von Hand- bälgen. Diese Schmelzvorrichtungen der Zigeuner hiessen im Volks- munde Heidenfeuer. Die Schmiede in Südungarn, sowie zum Teil selbst die slowakischen Draht- und Blecharbeiter, die besonders als Maus- fallenhändler Deutschland durchziehen und an einzelnen Orten, wie z. B. in Schierstein bei Wiesbaden, förmlich Kolonieen gebildet haben, Die Arier in Asien. Indier. In Syrien heiſsen sie Kauli, d. i. Kabuli, Leute aus dem Kabul-thal. Diese Namen geben uns nähere Aufklärung über ihre Herkunft. Sie stammen aus dem nördlichen Indien. Es ist sehr wahrscheinlich, daſs sie einen Stamm bildeten, ähnlich den obenerwähnten Kohata, die das Schmiedegewerbe, namentlich die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens als Hauptbeschäftigung schon in ihrer Heimat betrieben und die durch Timurs Kriegszug nach Indien 1398 aus ihrer Heimat verdrängt wurden. Es ist leicht möglich, daſs Timur, der in vielen Dingen an die groſsen Kriegsfürsten Assyriens erinnert, den ganzen Stamm mit Gewalt fortgeführt hat, ähnlich wie er alle Schmiede und Eisenarbeiter aus Damaskus nach seiner Hauptstadt Samarkand und nach anderen Städten geschleppt hat. Es gelang ihm aber nicht, die Zigeuner anzusiedeln, wie sie auch in ihrer eigenen Heimat wahrschein- lich nicht seſshaft gewesen waren und hatte diese gewaltsame Weg- führung nur zur Folge, daſs sie sich, ähnlich wie durch gleiche Ver- anlassung die Juden, über die ganze Welt verbreiteten. Sicher ist, daſs sie sich zum Anfang des 15. Jahrhunderts zuerst über Westasien, dann über ganz Europa und Nordafrika ausbreiteten. Am meisten folgten sie den Kriegs- und Siegeszügen der Türken. Noch heutzutage sind sie in der Türkei am zahlreichsten, wo etwa 200000 leben, danach sind sie am meisten verbreitet in den Grenzländern der Türkei, be- sonders in Siebenbürgen und Ungarn. In Siebenbürgen betreiben sie noch das Goldwaschen und nennt man diese Goldwäscher dort Rudari oder Aurari. In der Türkei wie in Ungarn und Siebenbürgen beschäf- tigen sie sich noch ganz vorzugsweise mit der Gewinnung und Ver- arbeitung des Eisens. Diese Schmiedezigeuner heiſsen in der Türkei Demirdschiler. Sie bekennen sich zu der mohammedanischen Religion, durchziehen hausierend das Land und kommen nur selten nach Kon- stantinopel, wenn dies geschieht, so kampieren sie in schwarzen Filz- zelten auſserhalb Pera bei dem Kavillerplatz. In Siebenbürgen und Ungarn betreiben sie neben dem Schmiedehandwerk und der Drahtflechterei auch noch die Gewinnung des Eisens. Ihr Verfahren ist höchst einfach und gleicht auſserordentlich dem Verfahren der Kohata und der Schmiede von Orissa. Das Schmelzen geschieht in einfachen Gruben, die in die Erde gegraben sind, mit Hilfe von Hand- bälgen. Diese Schmelzvorrichtungen der Zigeuner hieſsen im Volks- munde Heidenfeuer. Die Schmiede in Südungarn, sowie zum Teil selbst die slowakischen Draht- und Blecharbeiter, die besonders als Maus- fallenhändler Deutschland durchziehen und an einzelnen Orten, wie z. 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Die Arier in Asien.
Indier. In Syrien heiſsen sie Kauli, d. i. Kabuli, Leute aus dem Kabul-
thal. Diese Namen geben uns nähere Aufklärung über ihre Herkunft.
Sie stammen aus dem nördlichen Indien. Es ist sehr wahrscheinlich,
daſs sie einen Stamm bildeten, ähnlich den obenerwähnten Kohata, die
das Schmiedegewerbe, namentlich die Gewinnung und Verarbeitung
des Eisens als Hauptbeschäftigung schon in ihrer Heimat betrieben
und die durch Timurs Kriegszug nach Indien 1398 aus ihrer Heimat
verdrängt wurden. Es ist leicht möglich, daſs Timur, der in vielen
Dingen an die groſsen Kriegsfürsten Assyriens erinnert, den ganzen
Stamm mit Gewalt fortgeführt hat, ähnlich wie er alle Schmiede und
Eisenarbeiter aus Damaskus nach seiner Hauptstadt Samarkand und
nach anderen Städten geschleppt hat. Es gelang ihm aber nicht, die
Zigeuner anzusiedeln, wie sie auch in ihrer eigenen Heimat wahrschein-
lich nicht seſshaft gewesen waren und hatte diese gewaltsame Weg-
führung nur zur Folge, daſs sie sich, ähnlich wie durch gleiche Ver-
anlassung die Juden, über die ganze Welt verbreiteten. Sicher ist,
daſs sie sich zum Anfang des 15. Jahrhunderts zuerst über Westasien,
dann über ganz Europa und Nordafrika ausbreiteten. Am meisten
folgten sie den Kriegs- und Siegeszügen der Türken. Noch heutzutage
sind sie in der Türkei am zahlreichsten, wo etwa 200000 leben, danach
sind sie am meisten verbreitet in den Grenzländern der Türkei, be-
sonders in Siebenbürgen und Ungarn. In Siebenbürgen betreiben sie
noch das Goldwaschen und nennt man diese Goldwäscher dort Rudari
oder Aurari. In der Türkei wie in Ungarn und Siebenbürgen beschäf-
tigen sie sich noch ganz vorzugsweise mit der Gewinnung und Ver-
arbeitung des Eisens. Diese Schmiedezigeuner heiſsen in der Türkei
Demirdschiler. Sie bekennen sich zu der mohammedanischen Religion,
durchziehen hausierend das Land und kommen nur selten nach Kon-
stantinopel, wenn dies geschieht, so kampieren sie in schwarzen Filz-
zelten auſserhalb Pera bei dem Kavillerplatz. In Siebenbürgen
und Ungarn betreiben sie neben dem Schmiedehandwerk und der
Drahtflechterei auch noch die Gewinnung des Eisens. Ihr Verfahren
ist höchst einfach und gleicht auſserordentlich dem Verfahren der
Kohata und der Schmiede von Orissa. Das Schmelzen geschieht in
einfachen Gruben, die in die Erde gegraben sind, mit Hilfe von Hand-
bälgen. Diese Schmelzvorrichtungen der Zigeuner hieſsen im Volks-
munde Heidenfeuer. Die Schmiede in Südungarn, sowie zum Teil selbst
die slowakischen Draht- und Blecharbeiter, die besonders als Maus-
fallenhändler Deutschland durchziehen und an einzelnen Orten, wie
z. B. in Schierstein bei Wiesbaden, förmlich Kolonieen gebildet haben,
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