Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Einleitung.
einen leblosen Stoff zum Gegenstand einer historischen Untersuchung
zu machen, so ist dies doch nicht ungerechtfertigt, am wenigsten bei
dem Eisen. Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Ge-
schichtschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu
grosse Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Be-
dingungen der menschlichen Entwickelung, unter denen die Fortschritte
der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle
einnehmen, zu wenig Berücksichtung fänden. Was hat den Umschwung
der modernen Welt in solchem Masse veranlasst als die Erfindung
der Dampfmaschine? Nehmen wir aber ein Geschichtsbuch, beispiels-
weise eine Geschichte der französischen Revolution in die Hände, so
finden wir darin wohl ausführliche Untersuchungen über Charakter,
Herkunft, Bildungsgang der grossen und kleinen Menschen, die in dieser
Katastrophe eine Rolle gespielt haben, und der individuellen Eigen-
tümlichkeit der leitenden Personen wird die gründlichste Beachtung
geschenkt, aber von der Einwirkung, der oben erwähnten Erfindung
des grossen Watt, sowie des daran sich knüpfenden Umsturzes der
ganzen alten Technik durch die Herrschaft, welche die Steinkohle in-
folge derselben erlangte, lesen wir nichts. Und doch hat der mate-
rielle Druck, der infolge des Vorsprungs Englands durch Ausbeutung
obiger Erfindung auf der gesamten Industrie Frankreichs lastete,
vielleicht mehr Menschen der Revolution in die Arme getrieben, als
die Ideen der Encyklopädisten! Wer wird die historische Bedeutung
solcher Thatsachen in Abrede stellen wollen, wenn wir nur auf den Ein-
fluss hinweisen, den in dem letzten Menschenalter die Veränderung des
Verkehrs durch die Eisenbahnen auf unsere Entwickelung, auf unsere
Geschichte geübt hat? Beide Erfindungen aber, die der Dampfmaschinen
wie die der Eisenbahnen, waren bedingt und ermöglicht durch technische
Fortschritte der Eisenbereitung, infolge deren dieses Metall billiger
und besser beschafft werden konnte.

Eine Geschichte des Eisens hat zunächst das erste Auftreten, die
früheste Verwendung, also das Alter desselben zu untersuchen; dann
die Art der Gewinnung, der Verarbeitung und der Benutzung,
sowie die Fortschritte, die im Laufe der Zeit bei den verschiedenen
Völkern hierin gemacht worden sind. Diese Untersuchung wird sich
aber ausdehnen müssen auf den Einfluss der Verwendung des
Eisens und die hierin erzielten Fortschritte auf die Völker im ein-
zelnen und die Menschheit im ganzen, sowie auch der Verkehr mit diesem
Metall in rohem und verarbeiteten Zustand, der Eisenhandel, in das
Gebiet unserer Betrachtung fällt.


Einleitung.
einen leblosen Stoff zum Gegenstand einer historischen Untersuchung
zu machen, so ist dies doch nicht ungerechtfertigt, am wenigsten bei
dem Eisen. Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Ge-
schichtschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu
groſse Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Be-
dingungen der menschlichen Entwickelung, unter denen die Fortschritte
der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle
einnehmen, zu wenig Berücksichtung fänden. Was hat den Umschwung
der modernen Welt in solchem Maſse veranlaſst als die Erfindung
der Dampfmaschine? Nehmen wir aber ein Geschichtsbuch, beispiels-
weise eine Geschichte der französischen Revolution in die Hände, so
finden wir darin wohl ausführliche Untersuchungen über Charakter,
Herkunft, Bildungsgang der groſsen und kleinen Menschen, die in dieser
Katastrophe eine Rolle gespielt haben, und der individuellen Eigen-
tümlichkeit der leitenden Personen wird die gründlichste Beachtung
geschenkt, aber von der Einwirkung, der oben erwähnten Erfindung
des groſsen Watt, sowie des daran sich knüpfenden Umsturzes der
ganzen alten Technik durch die Herrschaft, welche die Steinkohle in-
folge derselben erlangte, lesen wir nichts. Und doch hat der mate-
rielle Druck, der infolge des Vorsprungs Englands durch Ausbeutung
obiger Erfindung auf der gesamten Industrie Frankreichs lastete,
vielleicht mehr Menschen der Revolution in die Arme getrieben, als
die Ideen der Encyklopädisten! Wer wird die historische Bedeutung
solcher Thatsachen in Abrede stellen wollen, wenn wir nur auf den Ein-
fluſs hinweisen, den in dem letzten Menschenalter die Veränderung des
Verkehrs durch die Eisenbahnen auf unsere Entwickelung, auf unsere
Geschichte geübt hat? Beide Erfindungen aber, die der Dampfmaschinen
wie die der Eisenbahnen, waren bedingt und ermöglicht durch technische
Fortschritte der Eisenbereitung, infolge deren dieses Metall billiger
und besser beschafft werden konnte.

Eine Geschichte des Eisens hat zunächst das erste Auftreten, die
früheste Verwendung, also das Alter desſelben zu untersuchen; dann
die Art der Gewinnung, der Verarbeitung und der Benutzung,
sowie die Fortschritte, die im Laufe der Zeit bei den verschiedenen
Völkern hierin gemacht worden sind. Diese Untersuchung wird sich
aber ausdehnen müssen auf den Einfluſs der Verwendung des
Eisens und die hierin erzielten Fortschritte auf die Völker im ein-
zelnen und die Menschheit im ganzen, sowie auch der Verkehr mit diesem
Metall in rohem und verarbeiteten Zustand, der Eisenhandel, in das
Gebiet unserer Betrachtung fällt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="2"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/>
einen leblosen Stoff zum Gegenstand einer historischen Untersuchung<lb/>
zu machen, so ist dies doch nicht ungerechtfertigt, am wenigsten bei<lb/>
dem Eisen. Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Ge-<lb/>
schichtschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu<lb/>
gro&#x017F;se Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Be-<lb/>
dingungen der menschlichen Entwickelung, unter denen die Fortschritte<lb/>
der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle<lb/>
einnehmen, zu wenig Berücksichtung fänden. Was hat den Umschwung<lb/>
der modernen Welt in solchem Ma&#x017F;se veranla&#x017F;st als die Erfindung<lb/>
der Dampfmaschine? Nehmen wir aber ein Geschichtsbuch, beispiels-<lb/>
weise eine Geschichte der französischen Revolution in die Hände, so<lb/>
finden wir darin wohl ausführliche Untersuchungen über Charakter,<lb/>
Herkunft, Bildungsgang der gro&#x017F;sen und kleinen Menschen, die in dieser<lb/>
Katastrophe eine Rolle gespielt haben, und der individuellen Eigen-<lb/>
tümlichkeit der leitenden Personen wird die gründlichste Beachtung<lb/>
geschenkt, aber von der Einwirkung, der oben erwähnten Erfindung<lb/>
des gro&#x017F;sen Watt, sowie des daran sich knüpfenden Umsturzes der<lb/>
ganzen alten Technik durch die Herrschaft, welche die Steinkohle in-<lb/>
folge derselben erlangte, lesen wir nichts. Und doch hat der mate-<lb/>
rielle Druck, der infolge des Vorsprungs Englands durch Ausbeutung<lb/>
obiger Erfindung auf der gesamten Industrie Frankreichs lastete,<lb/>
vielleicht mehr Menschen der Revolution in die Arme getrieben, als<lb/>
die Ideen der Encyklopädisten! Wer wird die historische Bedeutung<lb/>
solcher Thatsachen in Abrede stellen wollen, wenn wir nur auf den Ein-<lb/>
flu&#x017F;s hinweisen, den in dem letzten Menschenalter die Veränderung des<lb/>
Verkehrs durch die Eisenbahnen auf unsere Entwickelung, auf unsere<lb/>
Geschichte geübt hat? Beide Erfindungen aber, die der Dampfmaschinen<lb/>
wie die der Eisenbahnen, waren bedingt und ermöglicht durch technische<lb/>
Fortschritte der Eisenbereitung, infolge deren dieses Metall billiger<lb/>
und besser beschafft werden konnte.</p><lb/>
        <p>Eine Geschichte des Eisens hat zunächst das erste Auftreten, die<lb/>
früheste Verwendung, also das <hi rendition="#g">Alter</hi> des&#x017F;elben zu untersuchen; dann<lb/>
die <hi rendition="#g">Art der Gewinnung</hi>, der <hi rendition="#g">Verarbeitung</hi> und der <hi rendition="#g">Benutzung</hi>,<lb/>
sowie die <hi rendition="#g">Fortschritte</hi>, die im Laufe der Zeit bei den verschiedenen<lb/>
Völkern hierin gemacht worden sind. Diese Untersuchung wird sich<lb/>
aber ausdehnen müssen auf den <hi rendition="#g">Einflu&#x017F;s der Verwendung des<lb/>
Eisens</hi> und die hierin erzielten Fortschritte <hi rendition="#g">auf die Völker</hi> im ein-<lb/>
zelnen und die Menschheit im ganzen, sowie auch der Verkehr mit diesem<lb/>
Metall in rohem und verarbeiteten Zustand, der <hi rendition="#g">Eisenhandel</hi>, in das<lb/>
Gebiet unserer Betrachtung fällt.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0024] Einleitung. einen leblosen Stoff zum Gegenstand einer historischen Untersuchung zu machen, so ist dies doch nicht ungerechtfertigt, am wenigsten bei dem Eisen. Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Ge- schichtschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu groſse Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Be- dingungen der menschlichen Entwickelung, unter denen die Fortschritte der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle einnehmen, zu wenig Berücksichtung fänden. Was hat den Umschwung der modernen Welt in solchem Maſse veranlaſst als die Erfindung der Dampfmaschine? Nehmen wir aber ein Geschichtsbuch, beispiels- weise eine Geschichte der französischen Revolution in die Hände, so finden wir darin wohl ausführliche Untersuchungen über Charakter, Herkunft, Bildungsgang der groſsen und kleinen Menschen, die in dieser Katastrophe eine Rolle gespielt haben, und der individuellen Eigen- tümlichkeit der leitenden Personen wird die gründlichste Beachtung geschenkt, aber von der Einwirkung, der oben erwähnten Erfindung des groſsen Watt, sowie des daran sich knüpfenden Umsturzes der ganzen alten Technik durch die Herrschaft, welche die Steinkohle in- folge derselben erlangte, lesen wir nichts. Und doch hat der mate- rielle Druck, der infolge des Vorsprungs Englands durch Ausbeutung obiger Erfindung auf der gesamten Industrie Frankreichs lastete, vielleicht mehr Menschen der Revolution in die Arme getrieben, als die Ideen der Encyklopädisten! Wer wird die historische Bedeutung solcher Thatsachen in Abrede stellen wollen, wenn wir nur auf den Ein- fluſs hinweisen, den in dem letzten Menschenalter die Veränderung des Verkehrs durch die Eisenbahnen auf unsere Entwickelung, auf unsere Geschichte geübt hat? Beide Erfindungen aber, die der Dampfmaschinen wie die der Eisenbahnen, waren bedingt und ermöglicht durch technische Fortschritte der Eisenbereitung, infolge deren dieses Metall billiger und besser beschafft werden konnte. Eine Geschichte des Eisens hat zunächst das erste Auftreten, die früheste Verwendung, also das Alter desſelben zu untersuchen; dann die Art der Gewinnung, der Verarbeitung und der Benutzung, sowie die Fortschritte, die im Laufe der Zeit bei den verschiedenen Völkern hierin gemacht worden sind. Diese Untersuchung wird sich aber ausdehnen müssen auf den Einfluſs der Verwendung des Eisens und die hierin erzielten Fortschritte auf die Völker im ein- zelnen und die Menschheit im ganzen, sowie auch der Verkehr mit diesem Metall in rohem und verarbeiteten Zustand, der Eisenhandel, in das Gebiet unserer Betrachtung fällt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/24
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/24>, abgerufen am 26.04.2024.