befehdeten. Gemeinsam war ihre schöne, erhabene Religion, die im wesentlichen eine Naturverehrung war, gemeinsam ihre reiche Sprache, wundervolle Dichtkunst, die ihren Ausdruck fand in dem Rigveda. Veda heisst "das Wissen" Rigveda -- "das Wissen der Lobpreisung" --, es sind die indischen Psalmen. So wenig wir über die wichtigen Schicksalswendungen der indischen Arier eine thatsächliche Über- lieferung haben, so wenig besitzen wir solche über die Zeit und Ent- stehung dieser merkwürdigen Gesänge, die in ihrer Sammlung das älteste und angesehenste Religionsbuch der Indier bilden. Aus dem Inhalte lässt sich erkennen, dass sie abgefasst wurden zu der Zeit, als die Arier noch im Fünfstromlande wohnten und bevor sie in das Thal des Ganges hinabgestiegen waren, deswegen kann man die Zeit ihrer Abfassung ziemlich bestimmt vor das Jahr 1500 v. Chr. setzen.
In den Gesängen der Veda erklingt ein frischer, kräftiger Ton. Es ist nicht der üppige, träumerische Naturgenuss der späteren Dichtungen, sondern das männliche Sicheinsfühlen mit einer schönen, aber gesunden Natur. Von den hohen Göttern, die den obersten Himmel, das Firmament beherrschen ist Agni, der Gott des Feuers, der am meisten angerufen wird. Weit mehr aber wenden sich die Gebete der Vedas an einen jüngeren Gott, der den Menschen näher steht, an den Herrscher des Luftkreises, dem Herrn von Regen und Wind, von Sturm, Donner und Blitz, der wie Agni auch als Herr der Schlachten erscheint, an Indra. Aus den Gesängen der Rigveda, die also etwa aus der Zeit stammen mögen, als Thutmosis in Ägypten gegen die Cheta im Lande Kanaan zu Felde zog, erkennen wir deutlich, dass die Arier am Indus schon auf einer ziemlich hohen Stufe der Kultur standen, dass sie mit den Metallen, Gold, Silber, Kupfer und besonders dem Eisen genau vertraut waren. Wenn auch das Leben der alten Indier sehr einfach war -- sie lebten hauptsächlich vom Ertrage ihrer Viehherden --, so herrschte doch bei den Vornehmen, -- und Standesunterschiede ent- wickelten sich sehr früh in Indien, -- bereits ein ziemlicher Luxus. Sie lagen auf Divanen, die mit kostbaren Polstern belegt waren, in den Ge- mächern waren Teppiche und mit Elfenbein und Edelsteinen geschmückte Tischchen. Die Könige liessen sich in reichgeschmückten Palankinen austragen und sassen auf einem Throne aus Feigenholz geschnitzt mit Löwenbildern als Stützen. Die Gefässe der Fürsten waren von Gold, während die der geringeren Leute aus gegossenem Kupfer waren, die alle wenig haltbar und weit geringer als die westasiatischen Erzgefässe waren. Das Eisen war den arischen Indiern sehr früh bekannt, es wurde zu Waffen und Werkzeugen (und unter letzteren besonders zu
Die Arier in Asien.
befehdeten. Gemeinsam war ihre schöne, erhabene Religion, die im wesentlichen eine Naturverehrung war, gemeinsam ihre reiche Sprache, wundervolle Dichtkunst, die ihren Ausdruck fand in dem Rigveda. Veda heiſst „das Wissen“ Rigveda — „das Wissen der Lobpreisung“ —, es sind die indischen Psalmen. So wenig wir über die wichtigen Schicksalswendungen der indischen Arier eine thatsächliche Über- lieferung haben, so wenig besitzen wir solche über die Zeit und Ent- stehung dieser merkwürdigen Gesänge, die in ihrer Sammlung das älteste und angesehenste Religionsbuch der Indier bilden. Aus dem Inhalte läſst sich erkennen, daſs sie abgefaſst wurden zu der Zeit, als die Arier noch im Fünfstromlande wohnten und bevor sie in das Thal des Ganges hinabgestiegen waren, deswegen kann man die Zeit ihrer Abfassung ziemlich bestimmt vor das Jahr 1500 v. Chr. setzen.
In den Gesängen der Veda erklingt ein frischer, kräftiger Ton. Es ist nicht der üppige, träumerische Naturgenuſs der späteren Dichtungen, sondern das männliche Sicheinsfühlen mit einer schönen, aber gesunden Natur. Von den hohen Göttern, die den obersten Himmel, das Firmament beherrschen ist Agni, der Gott des Feuers, der am meisten angerufen wird. Weit mehr aber wenden sich die Gebete der Vedas an einen jüngeren Gott, der den Menschen näher steht, an den Herrscher des Luftkreises, dem Herrn von Regen und Wind, von Sturm, Donner und Blitz, der wie Agni auch als Herr der Schlachten erscheint, an Indra. Aus den Gesängen der Rigveda, die also etwa aus der Zeit stammen mögen, als Thutmosis in Ägypten gegen die Cheta im Lande Kanaan zu Felde zog, erkennen wir deutlich, daſs die Arier am Indus schon auf einer ziemlich hohen Stufe der Kultur standen, daſs sie mit den Metallen, Gold, Silber, Kupfer und besonders dem Eisen genau vertraut waren. Wenn auch das Leben der alten Indier sehr einfach war — sie lebten hauptsächlich vom Ertrage ihrer Viehherden —, so herrschte doch bei den Vornehmen, — und Standesunterschiede ent- wickelten sich sehr früh in Indien, — bereits ein ziemlicher Luxus. Sie lagen auf Divanen, die mit kostbaren Polstern belegt waren, in den Ge- mächern waren Teppiche und mit Elfenbein und Edelsteinen geschmückte Tischchen. Die Könige lieſsen sich in reichgeschmückten Palankinen austragen und saſsen auf einem Throne aus Feigenholz geschnitzt mit Löwenbildern als Stützen. Die Gefäſse der Fürsten waren von Gold, während die der geringeren Leute aus gegossenem Kupfer waren, die alle wenig haltbar und weit geringer als die westasiatischen Erzgefäſse waren. Das Eisen war den arischen Indiern sehr früh bekannt, es wurde zu Waffen und Werkzeugen (und unter letzteren besonders zu
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Die Arier in Asien.
befehdeten. Gemeinsam war ihre schöne, erhabene Religion, die im
wesentlichen eine Naturverehrung war, gemeinsam ihre reiche Sprache,
wundervolle Dichtkunst, die ihren Ausdruck fand in dem Rigveda.
Veda heiſst „das Wissen“ Rigveda — „das Wissen der Lobpreisung“ —,
es sind die indischen Psalmen. So wenig wir über die wichtigen
Schicksalswendungen der indischen Arier eine thatsächliche Über-
lieferung haben, so wenig besitzen wir solche über die Zeit und Ent-
stehung dieser merkwürdigen Gesänge, die in ihrer Sammlung das
älteste und angesehenste Religionsbuch der Indier bilden. Aus dem
Inhalte läſst sich erkennen, daſs sie abgefaſst wurden zu der Zeit, als
die Arier noch im Fünfstromlande wohnten und bevor sie in das Thal
des Ganges hinabgestiegen waren, deswegen kann man die Zeit ihrer
Abfassung ziemlich bestimmt vor das Jahr 1500 v. Chr. setzen.
In den Gesängen der Veda erklingt ein frischer, kräftiger Ton.
Es ist nicht der üppige, träumerische Naturgenuſs der späteren
Dichtungen, sondern das männliche Sicheinsfühlen mit einer schönen,
aber gesunden Natur. Von den hohen Göttern, die den obersten Himmel,
das Firmament beherrschen ist Agni, der Gott des Feuers, der am
meisten angerufen wird. Weit mehr aber wenden sich die Gebete der
Vedas an einen jüngeren Gott, der den Menschen näher steht, an den
Herrscher des Luftkreises, dem Herrn von Regen und Wind, von Sturm,
Donner und Blitz, der wie Agni auch als Herr der Schlachten erscheint,
an Indra. Aus den Gesängen der Rigveda, die also etwa aus der Zeit
stammen mögen, als Thutmosis in Ägypten gegen die Cheta im Lande
Kanaan zu Felde zog, erkennen wir deutlich, daſs die Arier am Indus
schon auf einer ziemlich hohen Stufe der Kultur standen, daſs sie mit
den Metallen, Gold, Silber, Kupfer und besonders dem Eisen genau
vertraut waren. Wenn auch das Leben der alten Indier sehr einfach
war — sie lebten hauptsächlich vom Ertrage ihrer Viehherden —, so
herrschte doch bei den Vornehmen, — und Standesunterschiede ent-
wickelten sich sehr früh in Indien, — bereits ein ziemlicher Luxus. Sie
lagen auf Divanen, die mit kostbaren Polstern belegt waren, in den Ge-
mächern waren Teppiche und mit Elfenbein und Edelsteinen geschmückte
Tischchen. Die Könige lieſsen sich in reichgeschmückten Palankinen
austragen und saſsen auf einem Throne aus Feigenholz geschnitzt mit
Löwenbildern als Stützen. Die Gefäſse der Fürsten waren von Gold,
während die der geringeren Leute aus gegossenem Kupfer waren, die
alle wenig haltbar und weit geringer als die westasiatischen Erzgefäſse
waren. Das Eisen war den arischen Indiern sehr früh bekannt, es
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/227>, abgerufen am 25.11.2024.
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