Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.Syrien. 13. Jahrhunderts angibt, so ist dies nur als ein Minimum der Zeit-berechnung anzusehen. Nehmen wir diese Zahl als annähernd richtig an, so muss der Kupferreichtum der Chetiter über drei Jahrhunderte früher aus anderen Quellen geflossen sein. Da wir ferner vermuten dürfen, dass der Bronzeguss in Ägypten zur Zeit der Ramessiten und in Israel zur Zeit des Exodus bekannt war, so mussten die metallur- gischen Kenntnisse der Phönizier, namentlich auch ihre Kunst der Bronzebereitung älter sein, als die erste Ansiedelung von Cypern. Waren sie aber in Asien vielleicht nur Schüler einer älteren Kultur auch in metallurgischen Dingen, so traten sie in Europa doch überall als Lehrer auf und die Spuren ihrer Ansiedelungen sind bezeichnet durch die Anlage von Bergwerken. Wir wollen einen Blick auf die wichtigsten und namentlich die für unseren Zweck bedeutsamsten Kolonieen der Phönizier werfen, doch bemerken wir im voraus, dass wir hierbei den Ausdruck phönizische Kolonieen nicht so beschränkt auf- fassen, dass wir darunter nur Kolonieen von Sidon, Tyrus, Aradus, den eigentlichen Städten des beschränkten Gebietes der Phönizier begreifen, sondern dass wir es für möglich und wahrscheinlich halten, dass auch die verwandten Nachbarstämme der Philister und ihre Hafenstädte Gaza, Asdod und Joppe und andere, wenn auch in beschränkterem Masse, an diesen Kolonisationen Teil genommen haben. Bestimmen zu wollen, ob die Ansiedelung eines Distriktes durch Philister (Pheresiter, Hetiter, Luditer) oder Phönizier erfolgt sei, scheint uns indes vorläufig eine vergebliche Mühe zu sein, wie auch die Behauptung von Rougemont (Bronzezeit), dass in allen Pelasgern Philister zu erkennen seien, zum mindesten sehr gewagt ist. Nach Cypern war es die Insel Rhodos, auf der die Phönizier festen Fuss fassten. Es kann dies als ihr Eintritt in Europa bezeichnet werden. Ferner setzten sie sich auf Kreta fest, das lange ein Mittelpunkt ihrer Macht und Kultur im Ägäischen Meere blieb. Von ihren vielen sonstigen Kolonieen auf Melos, Thera, Samo- thrake, Thasos, Lemnos, Kythere u. s. w. ist die Ansiedelung von Thasos für uns die interessanteste, weil sie hier den grossartigsten Bergbau und zwar auf goldführenden Quarzsand anlegten. Auch Thasos wurde als Mittelpunkt einer bedeutenden Industrie, ein Mittelpunkt der Kultur und dehnte sich der Handel von Thasos über Tracien bis nach der Donauebene aus. Die Archäologen, welche an dem Bronzezeitalter fest- halten, nehmen an, dass durch den Handel von Thasos aus die ältere Kupferzeit in Ungarn etwa im 12. Jahrhundert v. Chr. durch eine Bronzezeit verdrängt worden sei 1). Die Phönizier drangen weiter vor 1) Siehe Rougemont.
Syrien. 13. Jahrhunderts angibt, so ist dies nur als ein Minimum der Zeit-berechnung anzusehen. Nehmen wir diese Zahl als annähernd richtig an, so muſs der Kupferreichtum der Chetiter über drei Jahrhunderte früher aus anderen Quellen geflossen sein. Da wir ferner vermuten dürfen, daſs der Bronzeguſs in Ägypten zur Zeit der Ramessiten und in Israel zur Zeit des Exodus bekannt war, so muſsten die metallur- gischen Kenntnisse der Phönizier, namentlich auch ihre Kunst der Bronzebereitung älter sein, als die erste Ansiedelung von Cypern. Waren sie aber in Asien vielleicht nur Schüler einer älteren Kultur auch in metallurgischen Dingen, so traten sie in Europa doch überall als Lehrer auf und die Spuren ihrer Ansiedelungen sind bezeichnet durch die Anlage von Bergwerken. Wir wollen einen Blick auf die wichtigsten und namentlich die für unseren Zweck bedeutsamsten Kolonieen der Phönizier werfen, doch bemerken wir im voraus, daſs wir hierbei den Ausdruck phönizische Kolonieen nicht so beschränkt auf- fassen, daſs wir darunter nur Kolonieen von Sidon, Tyrus, Aradus, den eigentlichen Städten des beschränkten Gebietes der Phönizier begreifen, sondern daſs wir es für möglich und wahrscheinlich halten, daſs auch die verwandten Nachbarstämme der Philister und ihre Hafenstädte Gaza, Asdod und Joppe und andere, wenn auch in beschränkterem Maſse, an diesen Kolonisationen Teil genommen haben. Bestimmen zu wollen, ob die Ansiedelung eines Distriktes durch Philister (Pheresiter, Hetiter, Luditer) oder Phönizier erfolgt sei, scheint uns indes vorläufig eine vergebliche Mühe zu sein, wie auch die Behauptung von Rougemont (Bronzezeit), daſs in allen Pelasgern Philister zu erkennen seien, zum mindesten sehr gewagt ist. Nach Cypern war es die Insel Rhodos, auf der die Phönizier festen Fuſs faſsten. Es kann dies als ihr Eintritt in Europa bezeichnet werden. Ferner setzten sie sich auf Kreta fest, das lange ein Mittelpunkt ihrer Macht und Kultur im Ägäischen Meere blieb. Von ihren vielen sonstigen Kolonieen auf Melos, Thera, Samo- thrake, Thasos, Lemnos, Kythere u. s. w. ist die Ansiedelung von Thasos für uns die interessanteste, weil sie hier den groſsartigsten Bergbau und zwar auf goldführenden Quarzsand anlegten. Auch Thasos wurde als Mittelpunkt einer bedeutenden Industrie, ein Mittelpunkt der Kultur und dehnte sich der Handel von Thasos über Tracien bis nach der Donauebene aus. Die Archäologen, welche an dem Bronzezeitalter fest- halten, nehmen an, daſs durch den Handel von Thasos aus die ältere Kupferzeit in Ungarn etwa im 12. Jahrhundert v. Chr. durch eine Bronzezeit verdrängt worden sei 1). Die Phönizier drangen weiter vor 1) Siehe Rougemont.
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Syrien.
13. Jahrhunderts angibt, so ist dies nur als ein Minimum der Zeit-
berechnung anzusehen. Nehmen wir diese Zahl als annähernd richtig
an, so muſs der Kupferreichtum der Chetiter über drei Jahrhunderte
früher aus anderen Quellen geflossen sein. Da wir ferner vermuten
dürfen, daſs der Bronzeguſs in Ägypten zur Zeit der Ramessiten und
in Israel zur Zeit des Exodus bekannt war, so muſsten die metallur-
gischen Kenntnisse der Phönizier, namentlich auch ihre Kunst der
Bronzebereitung älter sein, als die erste Ansiedelung von Cypern.
Waren sie aber in Asien vielleicht nur Schüler einer älteren Kultur
auch in metallurgischen Dingen, so traten sie in Europa doch überall
als Lehrer auf und die Spuren ihrer Ansiedelungen sind bezeichnet
durch die Anlage von Bergwerken. Wir wollen einen Blick auf die
wichtigsten und namentlich die für unseren Zweck bedeutsamsten
Kolonieen der Phönizier werfen, doch bemerken wir im voraus, daſs wir
hierbei den Ausdruck phönizische Kolonieen nicht so beschränkt auf-
fassen, daſs wir darunter nur Kolonieen von Sidon, Tyrus, Aradus, den
eigentlichen Städten des beschränkten Gebietes der Phönizier begreifen,
sondern daſs wir es für möglich und wahrscheinlich halten, daſs auch
die verwandten Nachbarstämme der Philister und ihre Hafenstädte
Gaza, Asdod und Joppe und andere, wenn auch in beschränkterem
Maſse, an diesen Kolonisationen Teil genommen haben. Bestimmen
zu wollen, ob die Ansiedelung eines Distriktes durch Philister (Pheresiter,
Hetiter, Luditer) oder Phönizier erfolgt sei, scheint uns indes vorläufig
eine vergebliche Mühe zu sein, wie auch die Behauptung von Rougemont
(Bronzezeit), daſs in allen Pelasgern Philister zu erkennen seien, zum
mindesten sehr gewagt ist. Nach Cypern war es die Insel Rhodos, auf
der die Phönizier festen Fuſs faſsten. Es kann dies als ihr Eintritt in
Europa bezeichnet werden. Ferner setzten sie sich auf Kreta fest, das
lange ein Mittelpunkt ihrer Macht und Kultur im Ägäischen Meere
blieb. Von ihren vielen sonstigen Kolonieen auf Melos, Thera, Samo-
thrake, Thasos, Lemnos, Kythere u. s. w. ist die Ansiedelung von Thasos
für uns die interessanteste, weil sie hier den groſsartigsten Bergbau
und zwar auf goldführenden Quarzsand anlegten. Auch Thasos wurde
als Mittelpunkt einer bedeutenden Industrie, ein Mittelpunkt der Kultur
und dehnte sich der Handel von Thasos über Tracien bis nach der
Donauebene aus. Die Archäologen, welche an dem Bronzezeitalter fest-
halten, nehmen an, daſs durch den Handel von Thasos aus die ältere
Kupferzeit in Ungarn etwa im 12. Jahrhundert v. Chr. durch eine
Bronzezeit verdrängt worden sei 1). Die Phönizier drangen weiter vor
1) Siehe Rougemont.
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