Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

ihre Worte und ihre Aufforderung verletzte. Sie glaubte, ihr liebevoll bittendes Wort und die Großthat des jungen Verwandten würden schwer genug wiegen, um allen Groll aus ihres Gemahls Gemüth hinweg zu bannen, denn noch nie hatte er ihr eine Bitte versagt, nie sie unfreundlich angeblickt, und es fiel ihm schwer genug, durch die politischen Verhältnisse und die Verpflichtungen, die er übernommen hatte, oft auf längere Zeit von ihr und seinen zarten Kindern getrennt zu sein. Mühsam rang der Graf nach Fassung, bewältigte sein inneres Widerstreben und sprach: Der junge Herr -- kennt meine Gesinnung. Sollte noch irgend etwas auszugleichen sein, so stehe ich zu Diensten. Ich gehorche meiner romantischen Gemahlin und trinke aus diesem Falken von Kniphausen. Möge sein Wein nicht die Eigenschaft jenes Getränkes haben, das die Zauberjungfrau im berühmten Oldenburger Horn unserm Ahnherrn, dem Grafen Otto darbot. -- Der Erbherr trank und reichte den Pokal an Ludwig.

Dieser hob erheitert und das Herz geschwellt von einer namenlos seligen Empfindung, wie er sie noch nie gekannt, das köstliche Trinkgefäß und sprach: Von ganzem Herzen trinke ich auf das Wohlgedeihen dieses hohen und edeln Hauses!

"Drink al ut!" sprach mit dem sanften Lächeln der schuldlosesten Heiterkeit Ottoline, jenen guten und schönen Spruch, den das Jungfrauenbild am Oldenburger Horne auf einem Zettel emporhält, und begeistert von so liebevollem Wort leerte der junge Graf den Goldpokal bis zur Nagelprobe. Sein Herz war viel zu unbefangen, ebenso wie das Ottolinens, völlig die doppelsinnige Schärfe der Anspielung des Erbgrafen zu verstehen; er gefiel sich in den Banden, welche hier Lieblichkeit und Anmuth mit Dankbarkeit und der seelenvollsten Güte eines jungen weiblichen Herzens um ihn schlangen, und hielt die Versöhnung für vollkommen.

Anderes ging im Gemüthe des Erbherrn vor; sein menschenkundigerer Blick sah eine drohende Doppelgefahr, welche schon, wie er wahrzunehmen glaubte, im Beginn schien, zwei ahnungslose Herzen zu umgarnen: der Scharfblick erwachender Eifersucht glaubte bereits Entdeckungen zu machen, welche die Anspielung auf jenes Wunderhorn der heimathlichen Sage rechtfertigten. Daher blieb Graf Wilhelm den Rest des Abends beim Thee ruhig und kalt-höflich, und sah es

ihre Worte und ihre Aufforderung verletzte. Sie glaubte, ihr liebevoll bittendes Wort und die Großthat des jungen Verwandten würden schwer genug wiegen, um allen Groll aus ihres Gemahls Gemüth hinweg zu bannen, denn noch nie hatte er ihr eine Bitte versagt, nie sie unfreundlich angeblickt, und es fiel ihm schwer genug, durch die politischen Verhältnisse und die Verpflichtungen, die er übernommen hatte, oft auf längere Zeit von ihr und seinen zarten Kindern getrennt zu sein. Mühsam rang der Graf nach Fassung, bewältigte sein inneres Widerstreben und sprach: Der junge Herr — kennt meine Gesinnung. Sollte noch irgend etwas auszugleichen sein, so stehe ich zu Diensten. Ich gehorche meiner romantischen Gemahlin und trinke aus diesem Falken von Kniphausen. Möge sein Wein nicht die Eigenschaft jenes Getränkes haben, das die Zauberjungfrau im berühmten Oldenburger Horn unserm Ahnherrn, dem Grafen Otto darbot. — Der Erbherr trank und reichte den Pokal an Ludwig.

Dieser hob erheitert und das Herz geschwellt von einer namenlos seligen Empfindung, wie er sie noch nie gekannt, das köstliche Trinkgefäß und sprach: Von ganzem Herzen trinke ich auf das Wohlgedeihen dieses hohen und edeln Hauses!

„Drink al ut!“ sprach mit dem sanften Lächeln der schuldlosesten Heiterkeit Ottoline, jenen guten und schönen Spruch, den das Jungfrauenbild am Oldenburger Horne auf einem Zettel emporhält, und begeistert von so liebevollem Wort leerte der junge Graf den Goldpokal bis zur Nagelprobe. Sein Herz war viel zu unbefangen, ebenso wie das Ottolinens, völlig die doppelsinnige Schärfe der Anspielung des Erbgrafen zu verstehen; er gefiel sich in den Banden, welche hier Lieblichkeit und Anmuth mit Dankbarkeit und der seelenvollsten Güte eines jungen weiblichen Herzens um ihn schlangen, und hielt die Versöhnung für vollkommen.

Anderes ging im Gemüthe des Erbherrn vor; sein menschenkundigerer Blick sah eine drohende Doppelgefahr, welche schon, wie er wahrzunehmen glaubte, im Beginn schien, zwei ahnungslose Herzen zu umgarnen: der Scharfblick erwachender Eifersucht glaubte bereits Entdeckungen zu machen, welche die Anspielung auf jenes Wunderhorn der heimathlichen Sage rechtfertigten. Daher blieb Graf Wilhelm den Rest des Abends beim Thee ruhig und kalt-höflich, und sah es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0067" n="63"/>
ihre Worte und ihre Aufforderung verletzte. Sie glaubte, ihr liebevoll bittendes Wort und die Großthat des jungen Verwandten würden schwer genug wiegen, um allen Groll aus ihres Gemahls Gemüth hinweg zu bannen, denn noch nie hatte er ihr eine Bitte versagt, nie sie unfreundlich angeblickt, und es fiel ihm schwer genug, durch die politischen Verhältnisse und die Verpflichtungen, die er übernommen hatte, oft auf längere Zeit von ihr und seinen zarten Kindern getrennt zu sein. Mühsam rang der Graf nach Fassung, bewältigte sein inneres Widerstreben und sprach: Der junge Herr &#x2014; kennt meine Gesinnung. Sollte noch irgend etwas auszugleichen sein, so stehe ich zu Diensten. Ich gehorche meiner romantischen Gemahlin und trinke aus diesem Falken von Kniphausen. Möge sein Wein nicht die Eigenschaft jenes Getränkes haben, das die Zauberjungfrau im berühmten Oldenburger Horn unserm Ahnherrn, dem Grafen Otto darbot. &#x2014; Der Erbherr trank und reichte den Pokal an Ludwig.</p>
          <p>Dieser hob erheitert und das Herz geschwellt von einer namenlos seligen Empfindung, wie er sie noch nie gekannt, das köstliche Trinkgefäß und sprach: Von ganzem Herzen trinke ich auf das Wohlgedeihen dieses hohen und edeln Hauses!</p>
          <p><hi rendition="#b">&#x201E;Drink al ut!&#x201C; </hi> sprach mit dem sanften Lächeln der schuldlosesten Heiterkeit Ottoline, jenen guten und schönen Spruch, den das Jungfrauenbild am Oldenburger Horne auf einem Zettel emporhält, und begeistert von so liebevollem Wort leerte der junge Graf den Goldpokal bis zur Nagelprobe. Sein Herz war viel zu unbefangen, ebenso wie das Ottolinens, völlig die doppelsinnige Schärfe der Anspielung des Erbgrafen zu verstehen; er gefiel sich in den Banden, welche hier Lieblichkeit und Anmuth mit Dankbarkeit und der seelenvollsten Güte eines jungen weiblichen Herzens um ihn schlangen, und hielt die Versöhnung für vollkommen.</p>
          <p>Anderes ging im Gemüthe des Erbherrn vor; sein menschenkundigerer Blick sah eine drohende Doppelgefahr, welche schon, wie er wahrzunehmen glaubte, im Beginn schien, zwei ahnungslose Herzen zu umgarnen: der Scharfblick erwachender Eifersucht glaubte bereits Entdeckungen zu machen, welche die Anspielung auf jenes Wunderhorn der heimathlichen Sage rechtfertigten. Daher blieb Graf Wilhelm den Rest des Abends beim Thee ruhig und kalt-höflich, und sah es
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0067] ihre Worte und ihre Aufforderung verletzte. Sie glaubte, ihr liebevoll bittendes Wort und die Großthat des jungen Verwandten würden schwer genug wiegen, um allen Groll aus ihres Gemahls Gemüth hinweg zu bannen, denn noch nie hatte er ihr eine Bitte versagt, nie sie unfreundlich angeblickt, und es fiel ihm schwer genug, durch die politischen Verhältnisse und die Verpflichtungen, die er übernommen hatte, oft auf längere Zeit von ihr und seinen zarten Kindern getrennt zu sein. Mühsam rang der Graf nach Fassung, bewältigte sein inneres Widerstreben und sprach: Der junge Herr — kennt meine Gesinnung. Sollte noch irgend etwas auszugleichen sein, so stehe ich zu Diensten. Ich gehorche meiner romantischen Gemahlin und trinke aus diesem Falken von Kniphausen. Möge sein Wein nicht die Eigenschaft jenes Getränkes haben, das die Zauberjungfrau im berühmten Oldenburger Horn unserm Ahnherrn, dem Grafen Otto darbot. — Der Erbherr trank und reichte den Pokal an Ludwig. Dieser hob erheitert und das Herz geschwellt von einer namenlos seligen Empfindung, wie er sie noch nie gekannt, das köstliche Trinkgefäß und sprach: Von ganzem Herzen trinke ich auf das Wohlgedeihen dieses hohen und edeln Hauses! „Drink al ut!“ sprach mit dem sanften Lächeln der schuldlosesten Heiterkeit Ottoline, jenen guten und schönen Spruch, den das Jungfrauenbild am Oldenburger Horne auf einem Zettel emporhält, und begeistert von so liebevollem Wort leerte der junge Graf den Goldpokal bis zur Nagelprobe. Sein Herz war viel zu unbefangen, ebenso wie das Ottolinens, völlig die doppelsinnige Schärfe der Anspielung des Erbgrafen zu verstehen; er gefiel sich in den Banden, welche hier Lieblichkeit und Anmuth mit Dankbarkeit und der seelenvollsten Güte eines jungen weiblichen Herzens um ihn schlangen, und hielt die Versöhnung für vollkommen. Anderes ging im Gemüthe des Erbherrn vor; sein menschenkundigerer Blick sah eine drohende Doppelgefahr, welche schon, wie er wahrzunehmen glaubte, im Beginn schien, zwei ahnungslose Herzen zu umgarnen: der Scharfblick erwachender Eifersucht glaubte bereits Entdeckungen zu machen, welche die Anspielung auf jenes Wunderhorn der heimathlichen Sage rechtfertigten. Daher blieb Graf Wilhelm den Rest des Abends beim Thee ruhig und kalt-höflich, und sah es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/67
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/67>, abgerufen am 17.05.2024.