Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.ihn lohnend, blieb sie sanft an ihn gelehnt, der ihr eine starke Stütze war, und suchte ihre dahin geschwundene Kraft mit leisem Erathmen zu sammeln. Da nahte diesem Paare der Kutscher und stürzte in die Kniee vor den beiden Gebietern: Gnädigste Frau Gräfin, gnädigster junger Herr, üben Sie Barmherzigkeit und verzeihen Sie mir! Unversehens stieß die Wagendeichsel beim Ausfahren aus dem Schlosse an einen Prallstein, ohne daß ihr Bruch erfolgte, sonst würde ich denselben gewahrt haben; ich fuhr daher ohne irgend eine Sorge weiter; plötzlich während der Spazierfahrt brach das vordere Holz der Deichsel splitternd ab, und das hintere Theil verwundete nun ebenso plötzlich mit seiner scharfen Spitze die Pferde fort und fort, die dadurch wüthend wurden und durchgingen, und auf die andern Pferde einhieben, daß auch diese wie toll mit von dannen rannten. Wenn der junge gnädige Herr nicht im einzig möglichen Augenblick der Rettung dazukam, so wären wir vielleicht jetzt alle todt, denn die Pferde hätten sich sammt dem Wagen in die tiefe Made gestürzt, auf die sie unaufhaltsam zuliefen. Ich bin unschuldig, das kann ich bei Gott beschwören! -- Todt! todt! rief schaudernd die junge, schöne, im vollen Leben reizend blühende Gräfin aus. Todt -- ich und meine kleine Marie! -- Stehe auf, Klas -- mir schaudert. Ich will dir glauben! -- Nicht todt, Mama! rief das Kind zu ihr hinauf und langte mit seinen Händchen nach der Hand der Mutter. Und Sie mein Retter! der Retter meines Lebens, und meines theuren Kindes! rief die Gräfin zu dem ritterlichen Jüngling, der mit mannigfach einander widerstreitenden Gefühlen vor ihr stand. Zurück nach dem Schlosse! Sie kommen mit, Cousin! sprach Ottoline. Sie hatten uns wohl ohnehin und ohne Zweifel Ihren Besuch zugedacht? Ich danke, gnädige Gräfin, erwiederte Ludwig verwirrt. Ich war nicht auf dem Wege nach Schloß Kniphausen, ich wollte -- zur Seeküste. Ein glücklicher Zufall führte mich Ihnen zur günstigen Stunde entgegen, und ich danke diesem -- aber -- Aber? Mein junger Cousin? wiederholte die Gräfin. Wollen Sie Ihren Ritterdienst nur halb thun? Soll ich hier harren, bis vom Schlosse ein anderer Wagen geholt ist? Sehen Sie nicht, daß ihn lohnend, blieb sie sanft an ihn gelehnt, der ihr eine starke Stütze war, und suchte ihre dahin geschwundene Kraft mit leisem Erathmen zu sammeln. Da nahte diesem Paare der Kutscher und stürzte in die Kniee vor den beiden Gebietern: Gnädigste Frau Gräfin, gnädigster junger Herr, üben Sie Barmherzigkeit und verzeihen Sie mir! Unversehens stieß die Wagendeichsel beim Ausfahren aus dem Schlosse an einen Prallstein, ohne daß ihr Bruch erfolgte, sonst würde ich denselben gewahrt haben; ich fuhr daher ohne irgend eine Sorge weiter; plötzlich während der Spazierfahrt brach das vordere Holz der Deichsel splitternd ab, und das hintere Theil verwundete nun ebenso plötzlich mit seiner scharfen Spitze die Pferde fort und fort, die dadurch wüthend wurden und durchgingen, und auf die andern Pferde einhieben, daß auch diese wie toll mit von dannen rannten. Wenn der junge gnädige Herr nicht im einzig möglichen Augenblick der Rettung dazukam, so wären wir vielleicht jetzt alle todt, denn die Pferde hätten sich sammt dem Wagen in die tiefe Made gestürzt, auf die sie unaufhaltsam zuliefen. Ich bin unschuldig, das kann ich bei Gott beschwören! — Todt! todt! rief schaudernd die junge, schöne, im vollen Leben reizend blühende Gräfin aus. Todt — ich und meine kleine Marie! — Stehe auf, Klas — mir schaudert. Ich will dir glauben! — Nicht todt, Mama! rief das Kind zu ihr hinauf und langte mit seinen Händchen nach der Hand der Mutter. Und Sie mein Retter! der Retter meines Lebens, und meines theuren Kindes! rief die Gräfin zu dem ritterlichen Jüngling, der mit mannigfach einander widerstreitenden Gefühlen vor ihr stand. Zurück nach dem Schlosse! Sie kommen mit, Cousin! sprach Ottoline. Sie hatten uns wohl ohnehin und ohne Zweifel Ihren Besuch zugedacht? Ich danke, gnädige Gräfin, erwiederte Ludwig verwirrt. Ich war nicht auf dem Wege nach Schloß Kniphausen, ich wollte — zur Seeküste. Ein glücklicher Zufall führte mich Ihnen zur günstigen Stunde entgegen, und ich danke diesem — aber — Aber? Mein junger Cousin? wiederholte die Gräfin. Wollen Sie Ihren Ritterdienst nur halb thun? Soll ich hier harren, bis vom Schlosse ein anderer Wagen geholt ist? 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Wenn der junge gnädige Herr nicht im einzig möglichen Augenblick der Rettung dazukam, so wären wir vielleicht jetzt alle todt, denn die Pferde hätten sich sammt dem Wagen in die tiefe Made gestürzt, auf die sie unaufhaltsam zuliefen. Ich bin unschuldig, das kann ich bei Gott beschwören! — Todt! todt! rief schaudernd die junge, schöne, im vollen Leben reizend blühende Gräfin aus. Todt — ich und meine kleine Marie! — Stehe auf, Klas — mir schaudert. Ich will dir glauben! — Nicht todt, Mama! rief das Kind zu ihr hinauf und langte mit seinen Händchen nach der Hand der Mutter.</p> <p>Und Sie mein Retter! der Retter meines Lebens, und meines theuren Kindes! rief die Gräfin zu dem ritterlichen Jüngling, der mit mannigfach einander widerstreitenden Gefühlen vor ihr stand.</p> <p>Zurück nach dem Schlosse! Sie kommen mit, Cousin! sprach Ottoline. Sie hatten uns wohl ohnehin und ohne Zweifel Ihren Besuch zugedacht?</p> <p>Ich danke, gnädige Gräfin, erwiederte Ludwig verwirrt. 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ihn lohnend, blieb sie sanft an ihn gelehnt, der ihr eine starke Stütze war, und suchte ihre dahin geschwundene Kraft mit leisem Erathmen zu sammeln.
Da nahte diesem Paare der Kutscher und stürzte in die Kniee vor den beiden Gebietern: Gnädigste Frau Gräfin, gnädigster junger Herr, üben Sie Barmherzigkeit und verzeihen Sie mir! Unversehens stieß die Wagendeichsel beim Ausfahren aus dem Schlosse an einen Prallstein, ohne daß ihr Bruch erfolgte, sonst würde ich denselben gewahrt haben; ich fuhr daher ohne irgend eine Sorge weiter; plötzlich während der Spazierfahrt brach das vordere Holz der Deichsel splitternd ab, und das hintere Theil verwundete nun ebenso plötzlich mit seiner scharfen Spitze die Pferde fort und fort, die dadurch wüthend wurden und durchgingen, und auf die andern Pferde einhieben, daß auch diese wie toll mit von dannen rannten. Wenn der junge gnädige Herr nicht im einzig möglichen Augenblick der Rettung dazukam, so wären wir vielleicht jetzt alle todt, denn die Pferde hätten sich sammt dem Wagen in die tiefe Made gestürzt, auf die sie unaufhaltsam zuliefen. Ich bin unschuldig, das kann ich bei Gott beschwören! — Todt! todt! rief schaudernd die junge, schöne, im vollen Leben reizend blühende Gräfin aus. Todt — ich und meine kleine Marie! — Stehe auf, Klas — mir schaudert. Ich will dir glauben! — Nicht todt, Mama! rief das Kind zu ihr hinauf und langte mit seinen Händchen nach der Hand der Mutter.
Und Sie mein Retter! der Retter meines Lebens, und meines theuren Kindes! rief die Gräfin zu dem ritterlichen Jüngling, der mit mannigfach einander widerstreitenden Gefühlen vor ihr stand.
Zurück nach dem Schlosse! Sie kommen mit, Cousin! sprach Ottoline. Sie hatten uns wohl ohnehin und ohne Zweifel Ihren Besuch zugedacht?
Ich danke, gnädige Gräfin, erwiederte Ludwig verwirrt. Ich war nicht auf dem Wege nach Schloß Kniphausen, ich wollte — zur Seeküste. Ein glücklicher Zufall führte mich Ihnen zur günstigen Stunde entgegen, und ich danke diesem — aber —
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/59>, abgerufen am 16.07.2024. |