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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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angstvoll geschlungen. Rasch schwang sich der Graf vom Roß, riß den Schlag auf und hob das Kind heraus.

Onkel Ludwig! Wir todt! sprach das Kind. Mutter hat sagt: Mariechen -- wir todt!

O Himmel, die Gräfin! seufzte Ludwig erschüttert und sprach zu dem Kinde, einen flüchtigen Kuß auf dessen Stirn hauchend: Nicht todt, nicht sterben, kleine Marie, nicht sterben, nicht todt sein!

Doch -- Mutter -- sterben, Onkel Ludwig! stammelte das Kind und weinte. Das wolle Gott nicht; die gnädige Gräfin ist nur ohnmächtig! Mit Hülfe der herbeigeeilten Dienerschaft und des Wassers der Made geschah alles Nöthige, die ohnmächtige Gräfin in das Leben zurückzurufen; es fand sich im Wagen ein Fläschchen mit kölnischem Wasser. Decken wurden auf den neu hervorsprossenden Rasenteppich gebreitet, die Gräfin wurde sanft und vorsichtig aus dem Wagen gehoben, durch Kissen, die sich vorfanden, ihr Haupt gestützt, und so lag sie sanft und warm und weich, und Graf Ludwig kniete neben ihr und rieb ihr mit der von gewürzreichen Oelen gesättigten geistigen Flüssigkeit, die so falsch kölnisches Wasser heißt, und kölnischer Weingeist heißen sollte, die Schläfe.

Die Gemahlin des Erbherrn von In- und Kniphausen, Ottoline Friederike Louise, geborne Gräfin von Lynden-Reede, Tochter des holländischen Gesandten am königlichen Hofe zu Berlin, schlug die Augen auf, und hauchte nach einigen Secunden: Marie! Meine Marie!

Da bin, Mama! rief das Kind.

O Gott, o Gott, Dank! seufzte die Mutter, und richtete sich empor. Verwundert fiel ihr Blick auf die veränderte Umgebung, auf den um sie bemühten ihr wohlbekannten jungen Mann, auf ihr sich zärtlich an sie anschmiegendes Töchterchen, auf die verwirrte und bestürzte Dienerschaft -- doch kehrte ihr schnell Erinnerung und besonnene Fassung zurück. Dort stand der Wagen, dort schnaubten noch die wieder aufgerichteten Pferde stark und heftig, und jetzt sprach Ludwig: Gnädige Frau Gräfin, das war eine entsetzliche Gefahr! Dem Himmel sei Dank, der mich durch wunderbaren Zufall auf diesen Weg führte!

Sie sind es, Vetter! erwiederte die junge Reichsgräfin, und versuchte sich zu erheben, wobei sie aber seiner Unterstützung bedurfte, und mit einem schmachtenden Blick aus ihren schönen blauen Augen

angstvoll geschlungen. Rasch schwang sich der Graf vom Roß, riß den Schlag auf und hob das Kind heraus.

Onkel Ludwig! Wir todt! sprach das Kind. Mutter hat sagt: Mariechen — wir todt!

O Himmel, die Gräfin! seufzte Ludwig erschüttert und sprach zu dem Kinde, einen flüchtigen Kuß auf dessen Stirn hauchend: Nicht todt, nicht sterben, kleine Marie, nicht sterben, nicht todt sein!

Doch — Mutter — sterben, Onkel Ludwig! stammelte das Kind und weinte. Das wolle Gott nicht; die gnädige Gräfin ist nur ohnmächtig! Mit Hülfe der herbeigeeilten Dienerschaft und des Wassers der Made geschah alles Nöthige, die ohnmächtige Gräfin in das Leben zurückzurufen; es fand sich im Wagen ein Fläschchen mit kölnischem Wasser. Decken wurden auf den neu hervorsprossenden Rasenteppich gebreitet, die Gräfin wurde sanft und vorsichtig aus dem Wagen gehoben, durch Kissen, die sich vorfanden, ihr Haupt gestützt, und so lag sie sanft und warm und weich, und Graf Ludwig kniete neben ihr und rieb ihr mit der von gewürzreichen Oelen gesättigten geistigen Flüssigkeit, die so falsch kölnisches Wasser heißt, und kölnischer Weingeist heißen sollte, die Schläfe.

Die Gemahlin des Erbherrn von In- und Kniphausen, Ottoline Friederike Louise, geborne Gräfin von Lynden-Reede, Tochter des holländischen Gesandten am königlichen Hofe zu Berlin, schlug die Augen auf, und hauchte nach einigen Secunden: Marie! Meine Marie!

Da bin, Mama! rief das Kind.

O Gott, o Gott, Dank! seufzte die Mutter, und richtete sich empor. Verwundert fiel ihr Blick auf die veränderte Umgebung, auf den um sie bemühten ihr wohlbekannten jungen Mann, auf ihr sich zärtlich an sie anschmiegendes Töchterchen, auf die verwirrte und bestürzte Dienerschaft — doch kehrte ihr schnell Erinnerung und besonnene Fassung zurück. Dort stand der Wagen, dort schnaubten noch die wieder aufgerichteten Pferde stark und heftig, und jetzt sprach Ludwig: Gnädige Frau Gräfin, das war eine entsetzliche Gefahr! Dem Himmel sei Dank, der mich durch wunderbaren Zufall auf diesen Weg führte!

Sie sind es, Vetter! erwiederte die junge Reichsgräfin, und versuchte sich zu erheben, wobei sie aber seiner Unterstützung bedurfte, und mit einem schmachtenden Blick aus ihren schönen blauen Augen

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          <p>Die Gemahlin des Erbherrn von In- und Kniphausen, Ottoline Friederike Louise, geborne Gräfin von Lynden-Reede, Tochter des holländischen Gesandten am königlichen Hofe zu Berlin, schlug die Augen auf, und hauchte nach einigen Secunden: Marie! Meine Marie!</p>
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[54/0058] angstvoll geschlungen. Rasch schwang sich der Graf vom Roß, riß den Schlag auf und hob das Kind heraus. Onkel Ludwig! Wir todt! sprach das Kind. Mutter hat sagt: Mariechen — wir todt! O Himmel, die Gräfin! seufzte Ludwig erschüttert und sprach zu dem Kinde, einen flüchtigen Kuß auf dessen Stirn hauchend: Nicht todt, nicht sterben, kleine Marie, nicht sterben, nicht todt sein! Doch — Mutter — sterben, Onkel Ludwig! stammelte das Kind und weinte. Das wolle Gott nicht; die gnädige Gräfin ist nur ohnmächtig! Mit Hülfe der herbeigeeilten Dienerschaft und des Wassers der Made geschah alles Nöthige, die ohnmächtige Gräfin in das Leben zurückzurufen; es fand sich im Wagen ein Fläschchen mit kölnischem Wasser. Decken wurden auf den neu hervorsprossenden Rasenteppich gebreitet, die Gräfin wurde sanft und vorsichtig aus dem Wagen gehoben, durch Kissen, die sich vorfanden, ihr Haupt gestützt, und so lag sie sanft und warm und weich, und Graf Ludwig kniete neben ihr und rieb ihr mit der von gewürzreichen Oelen gesättigten geistigen Flüssigkeit, die so falsch kölnisches Wasser heißt, und kölnischer Weingeist heißen sollte, die Schläfe. Die Gemahlin des Erbherrn von In- und Kniphausen, Ottoline Friederike Louise, geborne Gräfin von Lynden-Reede, Tochter des holländischen Gesandten am königlichen Hofe zu Berlin, schlug die Augen auf, und hauchte nach einigen Secunden: Marie! Meine Marie! Da bin, Mama! rief das Kind. O Gott, o Gott, Dank! seufzte die Mutter, und richtete sich empor. Verwundert fiel ihr Blick auf die veränderte Umgebung, auf den um sie bemühten ihr wohlbekannten jungen Mann, auf ihr sich zärtlich an sie anschmiegendes Töchterchen, auf die verwirrte und bestürzte Dienerschaft — doch kehrte ihr schnell Erinnerung und besonnene Fassung zurück. Dort stand der Wagen, dort schnaubten noch die wieder aufgerichteten Pferde stark und heftig, und jetzt sprach Ludwig: Gnädige Frau Gräfin, das war eine entsetzliche Gefahr! Dem Himmel sei Dank, der mich durch wunderbaren Zufall auf diesen Weg führte! Sie sind es, Vetter! erwiederte die junge Reichsgräfin, und versuchte sich zu erheben, wobei sie aber seiner Unterstützung bedurfte, und mit einem schmachtenden Blick aus ihren schönen blauen Augen

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/58>, abgerufen am 24.11.2024.