Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.war, besichtigen und mit eigenen Augen schauen, da er sich einmal im Lande befand, in welcher Weise seine Aufträge vollzogen worden seien. Dieser neue Weg führte über das Gehöft Buppel zu einem zweiten, welches vorzugsweise den Namen: "beim neuen Wege" führte, übersprang dort das kleine Flüßchen Wapel und führte über Heupult nach Jahde, dessen 1523 erbaute Kirche stattlich in Mitten der Häuser des bedeutenden Dorfes stand, welche sich wie ein großer Zug wilder Gänse, oder in Form des Gestirns der Hyaden unabsehbar erstreckten. Mitten hindurch rann das Flüßchen Jahde und ringsum wurde außer den Häusern und wenigen vereinzelten Bäumen nichts erblickt, als Dämme und Deiche, die Zeugen des ewigen Kampfes der die Ufer bewohnenden Menschen mit dem gewaltigen Element des Wassers, das fort und fort wühlend, steigend und fallend, fluthend und ebbend, mit jedem Wellenschlage der Fluth wiederholend und drohend anpocht, und verheißt, seine Drohungen wahr zu machen, die es schon oft und zum starren Entsetzen ganzer, großer, weiter und blühender Landstrecken wahr gemacht hat. Graf Wilhelm Gustav Friedrich fand den neuen Weg vortrefflich und besser als die Wege außerhalb seiner Herrlichkeit, und fuhr nun in etwas erheiterterer Stimmung über die Vareler Groden nach dem großen und hohen Deichdamm, der in unermeßlicher Zickzackausdehnung den Jahdebusen und seine Geesten umfängt. Als das Deichthor geöffnet war, rollte der Reisewagen rasch über die harte Kiesfläche des unfruchtbaren grobkörnigen Meersandes, dem Jahder und Wapler Siel vorüber und dem Vareler Siel zu, wo die "schöne Susanna" , so hieß die Jacht des Grafen, vor Anker lag. Des Grafen scharfer Blick fand sie bald unter den andern in der Bucht geankerten Fahrzeugen heraus, aber dieser Blick verfinsterte sich, als er mit kundigem Auge entdeckte, daß das Schiff nicht segelfertig sei, und er entsann sich jetzt mit Verdruß, daß er vergessen hatte, dazu Befehl zu geben, vielmehr wußten der Steuermann und die wenigen Matrosen, die der Dienst des kleinen Schiffes erforderte, nicht anders, als der Gebieter werde mehrere Tage am Lande bleiben, daher auch sie sich an demselben nach ihrer Art von der widrigen Seereise zu erholen trachteten. Noch mehr aber stieg der Unwille des Grafen, als er am Hafenplatze den Zimmermann seines Schiffes mit einigen am Lande geholten Arbeitern war, besichtigen und mit eigenen Augen schauen, da er sich einmal im Lande befand, in welcher Weise seine Aufträge vollzogen worden seien. Dieser neue Weg führte über das Gehöft Buppel zu einem zweiten, welches vorzugsweise den Namen: „beim neuen Wege“ führte, übersprang dort das kleine Flüßchen Wapel und führte über Heupult nach Jahde, dessen 1523 erbaute Kirche stattlich in Mitten der Häuser des bedeutenden Dorfes stand, welche sich wie ein großer Zug wilder Gänse, oder in Form des Gestirns der Hyaden unabsehbar erstreckten. Mitten hindurch rann das Flüßchen Jahde und ringsum wurde außer den Häusern und wenigen vereinzelten Bäumen nichts erblickt, als Dämme und Deiche, die Zeugen des ewigen Kampfes der die Ufer bewohnenden Menschen mit dem gewaltigen Element des Wassers, das fort und fort wühlend, steigend und fallend, fluthend und ebbend, mit jedem Wellenschlage der Fluth wiederholend und drohend anpocht, und verheißt, seine Drohungen wahr zu machen, die es schon oft und zum starren Entsetzen ganzer, großer, weiter und blühender Landstrecken wahr gemacht hat. Graf Wilhelm Gustav Friedrich fand den neuen Weg vortrefflich und besser als die Wege außerhalb seiner Herrlichkeit, und fuhr nun in etwas erheiterterer Stimmung über die Vareler Groden nach dem großen und hohen Deichdamm, der in unermeßlicher Zickzackausdehnung den Jahdebusen und seine Geesten umfängt. Als das Deichthor geöffnet war, rollte der Reisewagen rasch über die harte Kiesfläche des unfruchtbaren grobkörnigen Meersandes, dem Jahder und Wapler Siel vorüber und dem Vareler Siel zu, wo die „schöne Susanna“ , so hieß die Jacht des Grafen, vor Anker lag. Des Grafen scharfer Blick fand sie bald unter den andern in der Bucht geankerten Fahrzeugen heraus, aber dieser Blick verfinsterte sich, als er mit kundigem Auge entdeckte, daß das Schiff nicht segelfertig sei, und er entsann sich jetzt mit Verdruß, daß er vergessen hatte, dazu Befehl zu geben, vielmehr wußten der Steuermann und die wenigen Matrosen, die der Dienst des kleinen Schiffes erforderte, nicht anders, als der Gebieter werde mehrere Tage am Lande bleiben, daher auch sie sich an demselben nach ihrer Art von der widrigen Seereise zu erholen trachteten. 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Mitten hindurch rann das Flüßchen Jahde und ringsum wurde außer den Häusern und wenigen vereinzelten Bäumen nichts erblickt, als Dämme und Deiche, die Zeugen des ewigen Kampfes der die Ufer bewohnenden Menschen mit dem gewaltigen Element des Wassers, das fort und fort wühlend, steigend und fallend, fluthend und ebbend, mit jedem Wellenschlage der Fluth wiederholend und drohend anpocht, und verheißt, seine Drohungen wahr zu machen, die es schon oft und zum starren Entsetzen ganzer, großer, weiter und blühender Landstrecken wahr gemacht hat.</p> <p>Graf Wilhelm Gustav Friedrich fand den neuen Weg vortrefflich und besser als die Wege außerhalb seiner Herrlichkeit, und fuhr nun in etwas erheiterterer Stimmung über die Vareler Groden nach dem großen und hohen Deichdamm, der in unermeßlicher Zickzackausdehnung den Jahdebusen und seine Geesten umfängt. Als das Deichthor geöffnet war, rollte der Reisewagen rasch über die harte Kiesfläche des unfruchtbaren grobkörnigen Meersandes, dem Jahder und Wapler Siel vorüber und dem Vareler Siel zu, wo die „schöne Susanna“ , so hieß die Jacht des Grafen, vor Anker lag. Des Grafen scharfer Blick fand sie bald unter den andern in der Bucht geankerten Fahrzeugen heraus, aber dieser Blick verfinsterte sich, als er mit kundigem Auge entdeckte, daß das Schiff nicht segelfertig sei, und er entsann sich jetzt mit Verdruß, daß er vergessen hatte, dazu Befehl zu geben, vielmehr wußten der Steuermann und die wenigen Matrosen, die der Dienst des kleinen Schiffes erforderte, nicht anders, als der Gebieter werde mehrere Tage am Lande bleiben, daher auch sie sich an demselben nach ihrer Art von der widrigen Seereise zu erholen trachteten. Noch mehr aber stieg der Unwille des Grafen, als er am Hafenplatze den Zimmermann seines Schiffes mit einigen am Lande geholten Arbeitern </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0055]
war, besichtigen und mit eigenen Augen schauen, da er sich einmal im Lande befand, in welcher Weise seine Aufträge vollzogen worden seien. Dieser neue Weg führte über das Gehöft Buppel zu einem zweiten, welches vorzugsweise den Namen: „beim neuen Wege“ führte, übersprang dort das kleine Flüßchen Wapel und führte über Heupult nach Jahde, dessen 1523 erbaute Kirche stattlich in Mitten der Häuser des bedeutenden Dorfes stand, welche sich wie ein großer Zug wilder Gänse, oder in Form des Gestirns der Hyaden unabsehbar erstreckten. Mitten hindurch rann das Flüßchen Jahde und ringsum wurde außer den Häusern und wenigen vereinzelten Bäumen nichts erblickt, als Dämme und Deiche, die Zeugen des ewigen Kampfes der die Ufer bewohnenden Menschen mit dem gewaltigen Element des Wassers, das fort und fort wühlend, steigend und fallend, fluthend und ebbend, mit jedem Wellenschlage der Fluth wiederholend und drohend anpocht, und verheißt, seine Drohungen wahr zu machen, die es schon oft und zum starren Entsetzen ganzer, großer, weiter und blühender Landstrecken wahr gemacht hat.
Graf Wilhelm Gustav Friedrich fand den neuen Weg vortrefflich und besser als die Wege außerhalb seiner Herrlichkeit, und fuhr nun in etwas erheiterterer Stimmung über die Vareler Groden nach dem großen und hohen Deichdamm, der in unermeßlicher Zickzackausdehnung den Jahdebusen und seine Geesten umfängt. Als das Deichthor geöffnet war, rollte der Reisewagen rasch über die harte Kiesfläche des unfruchtbaren grobkörnigen Meersandes, dem Jahder und Wapler Siel vorüber und dem Vareler Siel zu, wo die „schöne Susanna“ , so hieß die Jacht des Grafen, vor Anker lag. Des Grafen scharfer Blick fand sie bald unter den andern in der Bucht geankerten Fahrzeugen heraus, aber dieser Blick verfinsterte sich, als er mit kundigem Auge entdeckte, daß das Schiff nicht segelfertig sei, und er entsann sich jetzt mit Verdruß, daß er vergessen hatte, dazu Befehl zu geben, vielmehr wußten der Steuermann und die wenigen Matrosen, die der Dienst des kleinen Schiffes erforderte, nicht anders, als der Gebieter werde mehrere Tage am Lande bleiben, daher auch sie sich an demselben nach ihrer Art von der widrigen Seereise zu erholen trachteten. Noch mehr aber stieg der Unwille des Grafen, als er am Hafenplatze den Zimmermann seines Schiffes mit einigen am Lande geholten Arbeitern
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/55>, abgerufen am 16.02.2025. |