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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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voran und hinter dem Sarge die Laternen tragenden Knaben, still durch die dunkle Nacht, dem Berghain, dem Grabe zu.

Ueber dem Berghaus war die öde, einsame Stätte, wo die Hülle der Tochter so hoher Ahnen, fern von ihrem Heimathlande, irdische Ruhe finden sollte.

Damit nicht noch um ihre Asche die Lügenmäre ihr Gespinnst webe, hatte der Graf ausdrücklich geboten, den Sarg vor der Einsenkung noch einmal zu öffnen und Allen, die bei derselben zugegen, nun das milde Angesicht zu zeigen, das sich so lange Jahre hindurch hinter dichtem Schleier verborgen gehalten hatte.

Lautlos standen Alle; da lag sie im Silberglanze, im hellen Schein, die marmorbleiche schöne Leiche.

Heimlich schauerte die Nacht. Thränen flossen; leise schloß man den Sarg, und nun wurde dieser hinabgesenkt. --

Schreckliche Tage nahten bald dem Grafen, Tage, wie er sie nie durchlebt, nie geahnet hatte, denn nun kam ihm, was unvermeidlich kommen mußte, die Einmischung der Behörden.

Es war nicht Alles formell hergegangen bei diesem Begräbniß. Sophiens Hülle ruhte schon im kühlen Erdenschooße, als erst Anzeige, und zwar die zufällige durch einen Kreisgerichtsdiener vom Ableben der geheimnißvollen Dame an die Gerichtsstelle erfolgte. Diese forderte Bericht von der Verwaltungsbehörde und erhielt eine Auskunft, die sich über den Grafen nur wohlwollend äußerte; daß derselbe mit der Verstorbenen seit länger denn 30 Jahren ruhig und geschätzt im Lande gelebt, daß noch von keiner Seite her der geringste Anspruch oder eine Beschwerde an und gegen ihn erhoben worden sei, daß er viel Vermögen habe und sich der Stadt und der Umgegend durch Nichts bemerkbar gemacht habe, als durch Wohlthun; es seien weder Kinder noch sonst Jemand da, die Ansprüche an die Nachlassenschaft der Verstorbenen zu erheben berechtigt seien. So viel Dank habe jedenfalls der Graf verdient, um schonend und zart behandelt zu werden, und ein Einschreiten der Civilbehörde vor des Grafen Tode sei wohl nicht rathsam, zumal derselbe dem Vernehmen nach eine bedeutende milde Stiftung für die Gegend beabsichtige, und eine unzarte Behandlung bei seiner Eigenthümlichkeit wohl nur vom entschiedensten Nachtheil sein werde. -- Diese wohlmeinenden

voran und hinter dem Sarge die Laternen tragenden Knaben, still durch die dunkle Nacht, dem Berghain, dem Grabe zu.

Ueber dem Berghaus war die öde, einsame Stätte, wo die Hülle der Tochter so hoher Ahnen, fern von ihrem Heimathlande, irdische Ruhe finden sollte.

Damit nicht noch um ihre Asche die Lügenmäre ihr Gespinnst webe, hatte der Graf ausdrücklich geboten, den Sarg vor der Einsenkung noch einmal zu öffnen und Allen, die bei derselben zugegen, nun das milde Angesicht zu zeigen, das sich so lange Jahre hindurch hinter dichtem Schleier verborgen gehalten hatte.

Lautlos standen Alle; da lag sie im Silberglanze, im hellen Schein, die marmorbleiche schöne Leiche.

Heimlich schauerte die Nacht. Thränen flossen; leise schloß man den Sarg, und nun wurde dieser hinabgesenkt. —

Schreckliche Tage nahten bald dem Grafen, Tage, wie er sie nie durchlebt, nie geahnet hatte, denn nun kam ihm, was unvermeidlich kommen mußte, die Einmischung der Behörden.

Es war nicht Alles formell hergegangen bei diesem Begräbniß. Sophiens Hülle ruhte schon im kühlen Erdenschooße, als erst Anzeige, und zwar die zufällige durch einen Kreisgerichtsdiener vom Ableben der geheimnißvollen Dame an die Gerichtsstelle erfolgte. Diese forderte Bericht von der Verwaltungsbehörde und erhielt eine Auskunft, die sich über den Grafen nur wohlwollend äußerte; daß derselbe mit der Verstorbenen seit länger denn 30 Jahren ruhig und geschätzt im Lande gelebt, daß noch von keiner Seite her der geringste Anspruch oder eine Beschwerde an und gegen ihn erhoben worden sei, daß er viel Vermögen habe und sich der Stadt und der Umgegend durch Nichts bemerkbar gemacht habe, als durch Wohlthun; es seien weder Kinder noch sonst Jemand da, die Ansprüche an die Nachlassenschaft der Verstorbenen zu erheben berechtigt seien. So viel Dank habe jedenfalls der Graf verdient, um schonend und zart behandelt zu werden, und ein Einschreiten der Civilbehörde vor des Grafen Tode sei wohl nicht rathsam, zumal derselbe dem Vernehmen nach eine bedeutende milde Stiftung für die Gegend beabsichtige, und eine unzarte Behandlung bei seiner Eigenthümlichkeit wohl nur vom entschiedensten Nachtheil sein werde. — Diese wohlmeinenden

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[458/0462] voran und hinter dem Sarge die Laternen tragenden Knaben, still durch die dunkle Nacht, dem Berghain, dem Grabe zu. Ueber dem Berghaus war die öde, einsame Stätte, wo die Hülle der Tochter so hoher Ahnen, fern von ihrem Heimathlande, irdische Ruhe finden sollte. Damit nicht noch um ihre Asche die Lügenmäre ihr Gespinnst webe, hatte der Graf ausdrücklich geboten, den Sarg vor der Einsenkung noch einmal zu öffnen und Allen, die bei derselben zugegen, nun das milde Angesicht zu zeigen, das sich so lange Jahre hindurch hinter dichtem Schleier verborgen gehalten hatte. Lautlos standen Alle; da lag sie im Silberglanze, im hellen Schein, die marmorbleiche schöne Leiche. Heimlich schauerte die Nacht. Thränen flossen; leise schloß man den Sarg, und nun wurde dieser hinabgesenkt. — Schreckliche Tage nahten bald dem Grafen, Tage, wie er sie nie durchlebt, nie geahnet hatte, denn nun kam ihm, was unvermeidlich kommen mußte, die Einmischung der Behörden. Es war nicht Alles formell hergegangen bei diesem Begräbniß. Sophiens Hülle ruhte schon im kühlen Erdenschooße, als erst Anzeige, und zwar die zufällige durch einen Kreisgerichtsdiener vom Ableben der geheimnißvollen Dame an die Gerichtsstelle erfolgte. Diese forderte Bericht von der Verwaltungsbehörde und erhielt eine Auskunft, die sich über den Grafen nur wohlwollend äußerte; daß derselbe mit der Verstorbenen seit länger denn 30 Jahren ruhig und geschätzt im Lande gelebt, daß noch von keiner Seite her der geringste Anspruch oder eine Beschwerde an und gegen ihn erhoben worden sei, daß er viel Vermögen habe und sich der Stadt und der Umgegend durch Nichts bemerkbar gemacht habe, als durch Wohlthun; es seien weder Kinder noch sonst Jemand da, die Ansprüche an die Nachlassenschaft der Verstorbenen zu erheben berechtigt seien. So viel Dank habe jedenfalls der Graf verdient, um schonend und zart behandelt zu werden, und ein Einschreiten der Civilbehörde vor des Grafen Tode sei wohl nicht rathsam, zumal derselbe dem Vernehmen nach eine bedeutende milde Stiftung für die Gegend beabsichtige, und eine unzarte Behandlung bei seiner Eigenthümlichkeit wohl nur vom entschiedensten Nachtheil sein werde. — Diese wohlmeinenden

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/462>, abgerufen am 24.11.2024.