Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.und ihr vom Erfolg dieser Reise sogleich von dort aus Nachricht geben würden. Ludwig schrieb seinerseits noch einige rasche Briefe, ließ durch Sophiens Bedienung deren Garderobe, durch Philipp die seine einpacken, und war jetzt erst recht von Herzen froh, daß er den Falken fortgesendet hatte, dessen Besitz eine stete Sorge für ihn gewesen wäre. Auf dem geradesten Wege ging die Fahrt von Frankfurt nach Würzburg, und von da nach Nürnberg, wo man sich eine Nachtrast gönnte, dasselbe war am folgenden Tage in Linz der Fall, und am dritten schon waren die Reisenden bei guter Zeit in Wien. Kaiser Alexander empfing sie mit der ganzen Herzlichkeit seines Wesens und seiner Humanität, die ihn zu einem der ausgezeichnetsten Monarchen des Jahrhunderts machten. Er bezeugte der jungen liebenswürdigen Prinzessin sein inniges Beileid, und sprach mit freundlicher Herablassung zu Ludwig: Sie, mein lieber Graf, begrüße ich als alten Nachbar! Wenn Sie mich als solchen vielleicht nicht gern gesehen haben sollten, so will ich Ihnen zum Troste sagen, daß diese Nachbarschaft sich in Kurzem lösen wird, ich bin entschlossen, meine Herrschaft Jever an Holland abzutreten, und gratulire Ihrem Hause im voraus zum neuen Nachbar. Diese Aeußerung des Selbstherrschers aller Reussen setzte Ludwig einigermaßen in Verlegenheit, denn was sollte er ihm darauf erwiedern? Sein Name allein mochte den Kaiser glauben gemacht haben, er habe irgend noch ein Mit-Anrecht an jene Herrschaft, doch viel zu wichtig war der Augenblick, um ihn auf derartige Erörterungen zu verwenden. Es war Hochwichtiges in Wien zu verhandeln, der Kaiser hatte keine Zeit für Familienangelegenheiten, Fürst Metternich war schon angemeldet, dieser konnte jeden Augenblick eintreffen. Alexander wandte sich wieder zu Sophien und fragte sie, ob sie der Gast seiner Gemahlin in Sarskoe-Selo sein wolle? Dies kaiserliche Lustschloß stehe ihr offen, oder, wenn sie dies vorziehe, würde sie ein gleiches Asyl zu Oranienbaum finden. -- Ihre nächsten Verwandten, mein lieber Graf -- wandte sich der Kaiser wieder scherzend zu Ludwig: sind ja sehr für Oranien, und gewiß auch Sie selbst! Wissen Sie auch, daß der regierende Graf von Varel und Kniphausen vor Kurzem bei mir in Sanct Petersburg war, um die alten Ansprüche und und ihr vom Erfolg dieser Reise sogleich von dort aus Nachricht geben würden. Ludwig schrieb seinerseits noch einige rasche Briefe, ließ durch Sophiens Bedienung deren Garderobe, durch Philipp die seine einpacken, und war jetzt erst recht von Herzen froh, daß er den Falken fortgesendet hatte, dessen Besitz eine stete Sorge für ihn gewesen wäre. Auf dem geradesten Wege ging die Fahrt von Frankfurt nach Würzburg, und von da nach Nürnberg, wo man sich eine Nachtrast gönnte, dasselbe war am folgenden Tage in Linz der Fall, und am dritten schon waren die Reisenden bei guter Zeit in Wien. Kaiser Alexander empfing sie mit der ganzen Herzlichkeit seines Wesens und seiner Humanität, die ihn zu einem der ausgezeichnetsten Monarchen des Jahrhunderts machten. Er bezeugte der jungen liebenswürdigen Prinzessin sein inniges Beileid, und sprach mit freundlicher Herablassung zu Ludwig: Sie, mein lieber Graf, begrüße ich als alten Nachbar! Wenn Sie mich als solchen vielleicht nicht gern gesehen haben sollten, so will ich Ihnen zum Troste sagen, daß diese Nachbarschaft sich in Kurzem lösen wird, ich bin entschlossen, meine Herrschaft Jever an Holland abzutreten, und gratulire Ihrem Hause im voraus zum neuen Nachbar. Diese Aeußerung des Selbstherrschers aller Reussen setzte Ludwig einigermaßen in Verlegenheit, denn was sollte er ihm darauf erwiedern? Sein Name allein mochte den Kaiser glauben gemacht haben, er habe irgend noch ein Mit-Anrecht an jene Herrschaft, doch viel zu wichtig war der Augenblick, um ihn auf derartige Erörterungen zu verwenden. Es war Hochwichtiges in Wien zu verhandeln, der Kaiser hatte keine Zeit für Familienangelegenheiten, Fürst Metternich war schon angemeldet, dieser konnte jeden Augenblick eintreffen. Alexander wandte sich wieder zu Sophien und fragte sie, ob sie der Gast seiner Gemahlin in Sarskoe-Selo sein wolle? Dies kaiserliche Lustschloß stehe ihr offen, oder, wenn sie dies vorziehe, würde sie ein gleiches Asyl zu Oranienbaum finden. — Ihre nächsten Verwandten, mein lieber Graf — wandte sich der Kaiser wieder scherzend zu Ludwig: sind ja sehr für Oranien, und gewiß auch Sie selbst! 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Alexander wandte sich wieder zu Sophien und fragte sie, ob sie der Gast seiner Gemahlin in Sarskoe-Selo sein wolle? Dies kaiserliche Lustschloß stehe ihr offen, oder, wenn sie dies vorziehe, würde sie ein gleiches Asyl zu Oranienbaum finden. — Ihre nächsten Verwandten, mein lieber Graf — wandte sich der Kaiser wieder scherzend zu Ludwig: sind ja sehr für Oranien, und gewiß auch Sie selbst! Wissen Sie auch, daß der regierende Graf von Varel und Kniphausen vor Kurzem bei mir in Sanct Petersburg war, um die alten Ansprüche und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [405/0409]
und ihr vom Erfolg dieser Reise sogleich von dort aus Nachricht geben würden.
Ludwig schrieb seinerseits noch einige rasche Briefe, ließ durch Sophiens Bedienung deren Garderobe, durch Philipp die seine einpacken, und war jetzt erst recht von Herzen froh, daß er den Falken fortgesendet hatte, dessen Besitz eine stete Sorge für ihn gewesen wäre.
Auf dem geradesten Wege ging die Fahrt von Frankfurt nach Würzburg, und von da nach Nürnberg, wo man sich eine Nachtrast gönnte, dasselbe war am folgenden Tage in Linz der Fall, und am dritten schon waren die Reisenden bei guter Zeit in Wien.
Kaiser Alexander empfing sie mit der ganzen Herzlichkeit seines Wesens und seiner Humanität, die ihn zu einem der ausgezeichnetsten Monarchen des Jahrhunderts machten. Er bezeugte der jungen liebenswürdigen Prinzessin sein inniges Beileid, und sprach mit freundlicher Herablassung zu Ludwig: Sie, mein lieber Graf, begrüße ich als alten Nachbar! Wenn Sie mich als solchen vielleicht nicht gern gesehen haben sollten, so will ich Ihnen zum Troste sagen, daß diese Nachbarschaft sich in Kurzem lösen wird, ich bin entschlossen, meine Herrschaft Jever an Holland abzutreten, und gratulire Ihrem Hause im voraus zum neuen Nachbar.
Diese Aeußerung des Selbstherrschers aller Reussen setzte Ludwig einigermaßen in Verlegenheit, denn was sollte er ihm darauf erwiedern? Sein Name allein mochte den Kaiser glauben gemacht haben, er habe irgend noch ein Mit-Anrecht an jene Herrschaft, doch viel zu wichtig war der Augenblick, um ihn auf derartige Erörterungen zu verwenden. Es war Hochwichtiges in Wien zu verhandeln, der Kaiser hatte keine Zeit für Familienangelegenheiten, Fürst Metternich war schon angemeldet, dieser konnte jeden Augenblick eintreffen. Alexander wandte sich wieder zu Sophien und fragte sie, ob sie der Gast seiner Gemahlin in Sarskoe-Selo sein wolle? Dies kaiserliche Lustschloß stehe ihr offen, oder, wenn sie dies vorziehe, würde sie ein gleiches Asyl zu Oranienbaum finden. — Ihre nächsten Verwandten, mein lieber Graf — wandte sich der Kaiser wieder scherzend zu Ludwig: sind ja sehr für Oranien, und gewiß auch Sie selbst! Wissen Sie auch, daß der regierende Graf von Varel und Kniphausen vor Kurzem bei mir in Sanct Petersburg war, um die alten Ansprüche und
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