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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Sie müssen wissen, Graf, ob von dem Erbieten Seiner Majestät des Kaisers von Rußland etwas Günstiges für uns zu hoffen ist; nur das Eine erlaube ich mir zu bemerken, daß, wenn der zugesicherte Schutz eben in einem Aufenthalt im russischen Reiche, auf einem der Kronschlösser oder zuletzt gar in einem russischen Kloster bestehen sollte, ich sehr dafür danke. So lebhaft hat Rußland mich nicht angezogen, und so sehr hat es mir selbst in Sanct Petersburg nicht gefallen, daß ich den Wunsch fassen könnte, in Rußland meine Tage zu verleben. Ich bin in Deutschland geboren, und wenn sich mir auch für die Zukunft das Vaterland meiner Eltern verschließt, so will ich doch ungleich lieber in Deutschland wohnen, als in irgend einem andern Lande, denn Deutschland gefällt mir und ich liebe es.

Wir wollen, nahm Ludwig nach einigem Zögern das Wort: dem Befehl Ihrer Frau Mutter Gehorsam leisten, es steht dann immer noch bei Ihnen, eine dargebotene Gnade anzunehmen oder abzulehnen. Die Hauptfrage ist nur die, wird Ihre Gesundheit die Anstrengung einer Reise mit Courierpferden vertragen? Der Weg von Frankfurt nach Wien ist weit und Eile ist dringend nöthig; denn wenn auch, wie die Zeitungen melden, der Kaiser Alexander in den nächsten Tagen nach Wien kommt, so ist doch diesem Monarchen in so bewegter Zeit nirgend ein langer Aufenthalt vergönnt.

Ich bin Gott sei Dank gesund, mein bester Graf, erwiederte Sophie: und habe Jugendkraft. Frische Luft thut mir wohl, und die Reize wechselnder Landschaften und Orte, die ich ohne Schleierhülle betrachten darf, geben anmuthige Zerstreuung, wenn gutes Wetter solche Fahrt begünstigt. Sie wissen ja, daß ich armes Mädchen so zu sagen eine geborene Reisende bin. Nicht in der Nähe eines traulichen Heimathherdes kam ich zur Welt. Ehe ich noch recht zum Selbstbewußtsein gelangte, wurde ich als Kind in weite Ferne geführt. Zu Wasser und zu Lande war immer Gottes Hand über mir. Sie wissen dies Alles, weßhalb sollte also eine Reise nach Wien mich schrecken? Ich folge Ihnen unbedingt, heute noch, wenn es sein muß!

Wohlan denn, so schreiben Sie, während ich alles Nöthige anordne, einige Zeilen an Ihre Mutter, daß wir ohne Verzug nach Wien abreisen,

Sie müssen wissen, Graf, ob von dem Erbieten Seiner Majestät des Kaisers von Rußland etwas Günstiges für uns zu hoffen ist; nur das Eine erlaube ich mir zu bemerken, daß, wenn der zugesicherte Schutz eben in einem Aufenthalt im russischen Reiche, auf einem der Kronschlösser oder zuletzt gar in einem russischen Kloster bestehen sollte, ich sehr dafür danke. So lebhaft hat Rußland mich nicht angezogen, und so sehr hat es mir selbst in Sanct Petersburg nicht gefallen, daß ich den Wunsch fassen könnte, in Rußland meine Tage zu verleben. Ich bin in Deutschland geboren, und wenn sich mir auch für die Zukunft das Vaterland meiner Eltern verschließt, so will ich doch ungleich lieber in Deutschland wohnen, als in irgend einem andern Lande, denn Deutschland gefällt mir und ich liebe es.

Wir wollen, nahm Ludwig nach einigem Zögern das Wort: dem Befehl Ihrer Frau Mutter Gehorsam leisten, es steht dann immer noch bei Ihnen, eine dargebotene Gnade anzunehmen oder abzulehnen. Die Hauptfrage ist nur die, wird Ihre Gesundheit die Anstrengung einer Reise mit Courierpferden vertragen? Der Weg von Frankfurt nach Wien ist weit und Eile ist dringend nöthig; denn wenn auch, wie die Zeitungen melden, der Kaiser Alexander in den nächsten Tagen nach Wien kommt, so ist doch diesem Monarchen in so bewegter Zeit nirgend ein langer Aufenthalt vergönnt.

Ich bin Gott sei Dank gesund, mein bester Graf, erwiederte Sophie: und habe Jugendkraft. Frische Luft thut mir wohl, und die Reize wechselnder Landschaften und Orte, die ich ohne Schleierhülle betrachten darf, geben anmuthige Zerstreuung, wenn gutes Wetter solche Fahrt begünstigt. Sie wissen ja, daß ich armes Mädchen so zu sagen eine geborene Reisende bin. Nicht in der Nähe eines traulichen Heimathherdes kam ich zur Welt. Ehe ich noch recht zum Selbstbewußtsein gelangte, wurde ich als Kind in weite Ferne geführt. Zu Wasser und zu Lande war immer Gottes Hand über mir. Sie wissen dies Alles, weßhalb sollte also eine Reise nach Wien mich schrecken? Ich folge Ihnen unbedingt, heute noch, wenn es sein muß!

Wohlan denn, so schreiben Sie, während ich alles Nöthige anordne, einige Zeilen an Ihre Mutter, daß wir ohne Verzug nach Wien abreisen,

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Sie müssen wissen, Graf, ob von dem Erbieten Seiner Majestät des Kaisers von Rußland etwas Günstiges für uns zu hoffen ist; nur das Eine erlaube ich mir zu bemerken, daß, wenn der zugesicherte Schutz eben in einem Aufenthalt im russischen Reiche, auf einem der Kronschlösser oder zuletzt gar in einem russischen Kloster bestehen sollte, ich sehr dafür danke. So lebhaft hat Rußland mich nicht angezogen, und so sehr hat es mir selbst in Sanct Petersburg nicht gefallen, daß ich den Wunsch fassen könnte, in Rußland meine Tage zu verleben. Ich bin in Deutschland geboren, und wenn sich mir auch für die Zukunft das Vaterland meiner Eltern verschließt, so will ich doch ungleich lieber in Deutschland wohnen, als in irgend einem andern Lande, denn Deutschland gefällt mir und ich liebe es.</p>
          <p>Wir wollen, nahm Ludwig nach einigem Zögern das Wort: dem Befehl Ihrer Frau Mutter Gehorsam leisten, es steht dann immer noch bei Ihnen, eine dargebotene Gnade anzunehmen oder abzulehnen. Die Hauptfrage ist nur die, wird Ihre Gesundheit die Anstrengung einer Reise mit Courierpferden vertragen? Der Weg von Frankfurt nach Wien ist weit und Eile ist dringend nöthig; denn wenn auch, wie die Zeitungen melden, der Kaiser Alexander in den nächsten Tagen nach Wien kommt, so ist doch diesem Monarchen in so bewegter Zeit nirgend ein langer Aufenthalt vergönnt.</p>
          <p>Ich bin Gott sei Dank gesund, mein bester Graf, erwiederte Sophie: und habe Jugendkraft. Frische Luft thut mir wohl, und die Reize wechselnder Landschaften und Orte, die ich ohne Schleierhülle betrachten darf, geben anmuthige Zerstreuung, wenn gutes Wetter solche Fahrt begünstigt. Sie wissen ja, daß ich armes Mädchen so zu sagen eine geborene Reisende bin. Nicht in der Nähe eines traulichen Heimathherdes kam ich zur Welt. Ehe ich noch recht zum Selbstbewußtsein gelangte, wurde ich als Kind in weite Ferne geführt. Zu Wasser und zu Lande war immer Gottes Hand über mir. Sie wissen dies Alles, weßhalb sollte also eine Reise nach Wien mich schrecken? Ich folge Ihnen unbedingt, heute noch, wenn es sein muß!</p>
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[404/0408] Sie müssen wissen, Graf, ob von dem Erbieten Seiner Majestät des Kaisers von Rußland etwas Günstiges für uns zu hoffen ist; nur das Eine erlaube ich mir zu bemerken, daß, wenn der zugesicherte Schutz eben in einem Aufenthalt im russischen Reiche, auf einem der Kronschlösser oder zuletzt gar in einem russischen Kloster bestehen sollte, ich sehr dafür danke. So lebhaft hat Rußland mich nicht angezogen, und so sehr hat es mir selbst in Sanct Petersburg nicht gefallen, daß ich den Wunsch fassen könnte, in Rußland meine Tage zu verleben. Ich bin in Deutschland geboren, und wenn sich mir auch für die Zukunft das Vaterland meiner Eltern verschließt, so will ich doch ungleich lieber in Deutschland wohnen, als in irgend einem andern Lande, denn Deutschland gefällt mir und ich liebe es. Wir wollen, nahm Ludwig nach einigem Zögern das Wort: dem Befehl Ihrer Frau Mutter Gehorsam leisten, es steht dann immer noch bei Ihnen, eine dargebotene Gnade anzunehmen oder abzulehnen. Die Hauptfrage ist nur die, wird Ihre Gesundheit die Anstrengung einer Reise mit Courierpferden vertragen? Der Weg von Frankfurt nach Wien ist weit und Eile ist dringend nöthig; denn wenn auch, wie die Zeitungen melden, der Kaiser Alexander in den nächsten Tagen nach Wien kommt, so ist doch diesem Monarchen in so bewegter Zeit nirgend ein langer Aufenthalt vergönnt. Ich bin Gott sei Dank gesund, mein bester Graf, erwiederte Sophie: und habe Jugendkraft. Frische Luft thut mir wohl, und die Reize wechselnder Landschaften und Orte, die ich ohne Schleierhülle betrachten darf, geben anmuthige Zerstreuung, wenn gutes Wetter solche Fahrt begünstigt. Sie wissen ja, daß ich armes Mädchen so zu sagen eine geborene Reisende bin. Nicht in der Nähe eines traulichen Heimathherdes kam ich zur Welt. Ehe ich noch recht zum Selbstbewußtsein gelangte, wurde ich als Kind in weite Ferne geführt. Zu Wasser und zu Lande war immer Gottes Hand über mir. Sie wissen dies Alles, weßhalb sollte also eine Reise nach Wien mich schrecken? Ich folge Ihnen unbedingt, heute noch, wenn es sein muß! Wohlan denn, so schreiben Sie, während ich alles Nöthige anordne, einige Zeilen an Ihre Mutter, daß wir ohne Verzug nach Wien abreisen,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/408>, abgerufen am 22.11.2024.