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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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-- Er konnte sich hier ankaufen -- es stehen ja jetzt in dieser erbärmlichen Zeit gegen zehn Häuser zum Verkauf ausgeboten. -- Er konnte hier Bürger werden -- wäre wohl in den Stadtrath gewählt werden. -- Wie viele französische Emigranten haben sich nicht in den letzten Jahren in deutschen Städten und Städtchen niedergelassen, und sind angesehene Leute geworden? -- Schade um ihn!

Während Ludwig also mit aller Theilnahme biederer schlichter Herzen für todt beklagt wurde, saß er mit Sophie gesund und wohlbehalten im Gasthaus einer fremden Stadt. Die edle Jungfrau vergoß die schmerzlichsten Thränen -- der Tod ihres armen Vaters war ihr endlich enthüllt worden. Die Mutter selbst hatte darüber an sie und ihren Begleiter geschrieben. Ach, wie erschütternd waren die Einzelnheiten jener schrecklichen Katastrophe! Wie viele Herzen wurden von ihr auf das Tiefste berührt, auf das Härteste betroffen! Dort weinte ein mit hohem Ruhme genannter Heldengreis um den Enkel, und hätte gern allen verdienten Lorbeer, ja das eigene Leben dahingegeben um jenes theure, in blühender Jugend hingemordete Leben zurückzurufen. Schmerzlich beklagte der tapfere Vater den Tod des inniggeliebten Sohnes. Ach, und die geliebte Vermählte! Welch hohes Glück hatte sie besessen und nun auf immer und unersetzlich verloren!

Alles hätte anders kommen können, wenn nicht die bübische Feigheit eines Kammerherrn, der beständig um den unglücklichen Herzog war, jeden Versuch einer Vertheidigung von Seiten des Letztern bei dem nächtlichen Ueberfall verhindert hätte, falls es nicht Schlimmeres als Feigheit war. Ein Wort dieses Mannes, das einzige Wort: Ich! auf die Frage der Häscher: Wer von Ihnen Beiden ist der Herzog? konnte den Letzteren retten, und dies Wort konnte unbedenklich ausgesprochen werden, denn den armseligen Höfling hätte man wahrlich nicht hingerichtet. Aber Jener schwieg, und der junge Fürst ward zum Tode abgeführt. Mit Verachtung wies er den feigen Verräther zurück, als derselbe in Rheinau sich zu ihm in den Wagen setzen wollte. In Straßburg wurde der Herzog von seiner Dienerschaft völlig getrennt, seine Hände wurden in Fesseln gelegt. Fünf Tage lang dauerte mit nur wenigen Unterbrechungen die traurige Reise bis nach Paris, der Gefangene wurde in den Tempel gebracht, dort harrte schon der Befehl, ihn nach Schloß Vincennes zu senden. Die richterlichen

— Er konnte sich hier ankaufen — es stehen ja jetzt in dieser erbärmlichen Zeit gegen zehn Häuser zum Verkauf ausgeboten. — Er konnte hier Bürger werden — wäre wohl in den Stadtrath gewählt werden. — Wie viele französische Emigranten haben sich nicht in den letzten Jahren in deutschen Städten und Städtchen niedergelassen, und sind angesehene Leute geworden? — Schade um ihn!

Während Ludwig also mit aller Theilnahme biederer schlichter Herzen für todt beklagt wurde, saß er mit Sophie gesund und wohlbehalten im Gasthaus einer fremden Stadt. Die edle Jungfrau vergoß die schmerzlichsten Thränen — der Tod ihres armen Vaters war ihr endlich enthüllt worden. Die Mutter selbst hatte darüber an sie und ihren Begleiter geschrieben. Ach, wie erschütternd waren die Einzelnheiten jener schrecklichen Katastrophe! Wie viele Herzen wurden von ihr auf das Tiefste berührt, auf das Härteste betroffen! Dort weinte ein mit hohem Ruhme genannter Heldengreis um den Enkel, und hätte gern allen verdienten Lorbeer, ja das eigene Leben dahingegeben um jenes theure, in blühender Jugend hingemordete Leben zurückzurufen. Schmerzlich beklagte der tapfere Vater den Tod des inniggeliebten Sohnes. Ach, und die geliebte Vermählte! Welch hohes Glück hatte sie besessen und nun auf immer und unersetzlich verloren!

Alles hätte anders kommen können, wenn nicht die bübische Feigheit eines Kammerherrn, der beständig um den unglücklichen Herzog war, jeden Versuch einer Vertheidigung von Seiten des Letztern bei dem nächtlichen Ueberfall verhindert hätte, falls es nicht Schlimmeres als Feigheit war. Ein Wort dieses Mannes, das einzige Wort: Ich! auf die Frage der Häscher: Wer von Ihnen Beiden ist der Herzog? konnte den Letzteren retten, und dies Wort konnte unbedenklich ausgesprochen werden, denn den armseligen Höfling hätte man wahrlich nicht hingerichtet. Aber Jener schwieg, und der junge Fürst ward zum Tode abgeführt. Mit Verachtung wies er den feigen Verräther zurück, als derselbe in Rheinau sich zu ihm in den Wagen setzen wollte. In Straßburg wurde der Herzog von seiner Dienerschaft völlig getrennt, seine Hände wurden in Fesseln gelegt. Fünf Tage lang dauerte mit nur wenigen Unterbrechungen die traurige Reise bis nach Paris, der Gefangene wurde in den Tempel gebracht, dort harrte schon der Befehl, ihn nach Schloß Vincennes zu senden. Die richterlichen

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[390/0394] — Er konnte sich hier ankaufen — es stehen ja jetzt in dieser erbärmlichen Zeit gegen zehn Häuser zum Verkauf ausgeboten. — Er konnte hier Bürger werden — wäre wohl in den Stadtrath gewählt werden. — Wie viele französische Emigranten haben sich nicht in den letzten Jahren in deutschen Städten und Städtchen niedergelassen, und sind angesehene Leute geworden? — Schade um ihn! Während Ludwig also mit aller Theilnahme biederer schlichter Herzen für todt beklagt wurde, saß er mit Sophie gesund und wohlbehalten im Gasthaus einer fremden Stadt. Die edle Jungfrau vergoß die schmerzlichsten Thränen — der Tod ihres armen Vaters war ihr endlich enthüllt worden. Die Mutter selbst hatte darüber an sie und ihren Begleiter geschrieben. Ach, wie erschütternd waren die Einzelnheiten jener schrecklichen Katastrophe! Wie viele Herzen wurden von ihr auf das Tiefste berührt, auf das Härteste betroffen! Dort weinte ein mit hohem Ruhme genannter Heldengreis um den Enkel, und hätte gern allen verdienten Lorbeer, ja das eigene Leben dahingegeben um jenes theure, in blühender Jugend hingemordete Leben zurückzurufen. Schmerzlich beklagte der tapfere Vater den Tod des inniggeliebten Sohnes. Ach, und die geliebte Vermählte! Welch hohes Glück hatte sie besessen und nun auf immer und unersetzlich verloren! Alles hätte anders kommen können, wenn nicht die bübische Feigheit eines Kammerherrn, der beständig um den unglücklichen Herzog war, jeden Versuch einer Vertheidigung von Seiten des Letztern bei dem nächtlichen Ueberfall verhindert hätte, falls es nicht Schlimmeres als Feigheit war. Ein Wort dieses Mannes, das einzige Wort: Ich! auf die Frage der Häscher: Wer von Ihnen Beiden ist der Herzog? konnte den Letzteren retten, und dies Wort konnte unbedenklich ausgesprochen werden, denn den armseligen Höfling hätte man wahrlich nicht hingerichtet. Aber Jener schwieg, und der junge Fürst ward zum Tode abgeführt. Mit Verachtung wies er den feigen Verräther zurück, als derselbe in Rheinau sich zu ihm in den Wagen setzen wollte. In Straßburg wurde der Herzog von seiner Dienerschaft völlig getrennt, seine Hände wurden in Fesseln gelegt. Fünf Tage lang dauerte mit nur wenigen Unterbrechungen die traurige Reise bis nach Paris, der Gefangene wurde in den Tempel gebracht, dort harrte schon der Befehl, ihn nach Schloß Vincennes zu senden. Die richterlichen

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/394>, abgerufen am 26.08.2024.