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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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der mit ihm ging, auf alle Fälle derselbe Hund, der dem guten Herrn Leonardus den Tod brachte. Jetzt erschien Polizeimannschaft -- da man an mir Blut sah, und zwar dessen nicht wenig, so sollte ich der Mörder des Mörders sein, -- und schlecht genug wär' es mir auch sicherlich ergangen, wenn der Kerl wirklich todt gewesen wäre; aber mit Einemmale fing er an, Gesichter zu schneiden und zu gurgeln und wurde wieder lebendig, wie eine Katze, die man heute dreimal todt schlägt, und übermorgen läuft sie wieder auf dem First des höchsten Daches, als wäre ihr nichts geschehen. Er wurde sogleich mit Stricken geschnürt und ins Gefängniß gebracht. Wir wollten Ihnen nun nachfahren, denn wir konnten ja doch nicht helfen -- die Postillone spannten wieder an, aber sie mußten dennoch zurück. Die Polizei bestand darauf, daß wir mit nach der Stadt fuhren, um dem Gericht über Alles Aufschlüsse zu geben. Daraus entstand der endlos lange Aufenthalt -- da mußte Alles an den Tag, wer wir seien, woher wir kämen, wohin wir wollten und wer den Mörder so übel zugerichtet habe? -- Ich sagte, daß er mich gestochen und daß ich mich zur Wehre gesetzt habe. Was der Nichtswürdige aussagte, habe ich nicht erfahren, ich drängte zur Eile -- die Zofe lief von einem Polizeisoldaten begleitet, zu einer hohen Dame, die bewirkte, daß wir freigelassen wurden und fortfahren durften. Jener Mörder wird wohl der Vergeltung nicht entgehen, aber uns allen war bitterlich weh um's Herz über der unschuldigen Frau Anges' Tod, die wir noch einmal sahen, und die so überirdisch schön da lag, wie eine blasse geknickte Lelibloem -- so plötzlich dahinzugeben das noch so junge liebliche Leben!

Welch' ein Schmerz für Ludwig wie für seine Schutzbefohlene!

Das war ein mehr als trüber Beginn des neuen Lebensabschnittes, der mit dem heutigen Tage für Beide angebrochen war -- das war eine schwere Prüfung, eine finstere Vorbedeutung.

Der Graf ließ Philipp sogleich wundärztlich behandeln; die Wunde war übrigens nicht von Bedeutung. Des treuen Burschen Natur war nicht zart und empfindlich, er hatte zwar in der Nacht ein wenig Fieber, war aber am andern Morgen bei sehr früher Zeit wieder auf, und bereit, den Befehlen seines Herrn zu folgen. Dieser versah ihn mit Geld; er sollte sogleich mit Extrapost zurückfahren und

der mit ihm ging, auf alle Fälle derselbe Hund, der dem guten Herrn Leonardus den Tod brachte. Jetzt erschien Polizeimannschaft — da man an mir Blut sah, und zwar dessen nicht wenig, so sollte ich der Mörder des Mörders sein, — und schlecht genug wär’ es mir auch sicherlich ergangen, wenn der Kerl wirklich todt gewesen wäre; aber mit Einemmale fing er an, Gesichter zu schneiden und zu gurgeln und wurde wieder lebendig, wie eine Katze, die man heute dreimal todt schlägt, und übermorgen läuft sie wieder auf dem First des höchsten Daches, als wäre ihr nichts geschehen. Er wurde sogleich mit Stricken geschnürt und ins Gefängniß gebracht. Wir wollten Ihnen nun nachfahren, denn wir konnten ja doch nicht helfen — die Postillone spannten wieder an, aber sie mußten dennoch zurück. Die Polizei bestand darauf, daß wir mit nach der Stadt fuhren, um dem Gericht über Alles Aufschlüsse zu geben. Daraus entstand der endlos lange Aufenthalt — da mußte Alles an den Tag, wer wir seien, woher wir kämen, wohin wir wollten und wer den Mörder so übel zugerichtet habe? — Ich sagte, daß er mich gestochen und daß ich mich zur Wehre gesetzt habe. Was der Nichtswürdige aussagte, habe ich nicht erfahren, ich drängte zur Eile — die Zofe lief von einem Polizeisoldaten begleitet, zu einer hohen Dame, die bewirkte, daß wir freigelassen wurden und fortfahren durften. Jener Mörder wird wohl der Vergeltung nicht entgehen, aber uns allen war bitterlich weh um’s Herz über der unschuldigen Frau Angés’ Tod, die wir noch einmal sahen, und die so überirdisch schön da lag, wie eine blasse geknickte Lelibloem — so plötzlich dahinzugeben das noch so junge liebliche Leben!

Welch’ ein Schmerz für Ludwig wie für seine Schutzbefohlene!

Das war ein mehr als trüber Beginn des neuen Lebensabschnittes, der mit dem heutigen Tage für Beide angebrochen war — das war eine schwere Prüfung, eine finstere Vorbedeutung.

Der Graf ließ Philipp sogleich wundärztlich behandeln; die Wunde war übrigens nicht von Bedeutung. Des treuen Burschen Natur war nicht zart und empfindlich, er hatte zwar in der Nacht ein wenig Fieber, war aber am andern Morgen bei sehr früher Zeit wieder auf, und bereit, den Befehlen seines Herrn zu folgen. Dieser versah ihn mit Geld; er sollte sogleich mit Extrapost zurückfahren und

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[378/0382] der mit ihm ging, auf alle Fälle derselbe Hund, der dem guten Herrn Leonardus den Tod brachte. Jetzt erschien Polizeimannschaft — da man an mir Blut sah, und zwar dessen nicht wenig, so sollte ich der Mörder des Mörders sein, — und schlecht genug wär’ es mir auch sicherlich ergangen, wenn der Kerl wirklich todt gewesen wäre; aber mit Einemmale fing er an, Gesichter zu schneiden und zu gurgeln und wurde wieder lebendig, wie eine Katze, die man heute dreimal todt schlägt, und übermorgen läuft sie wieder auf dem First des höchsten Daches, als wäre ihr nichts geschehen. Er wurde sogleich mit Stricken geschnürt und ins Gefängniß gebracht. Wir wollten Ihnen nun nachfahren, denn wir konnten ja doch nicht helfen — die Postillone spannten wieder an, aber sie mußten dennoch zurück. Die Polizei bestand darauf, daß wir mit nach der Stadt fuhren, um dem Gericht über Alles Aufschlüsse zu geben. Daraus entstand der endlos lange Aufenthalt — da mußte Alles an den Tag, wer wir seien, woher wir kämen, wohin wir wollten und wer den Mörder so übel zugerichtet habe? — Ich sagte, daß er mich gestochen und daß ich mich zur Wehre gesetzt habe. Was der Nichtswürdige aussagte, habe ich nicht erfahren, ich drängte zur Eile — die Zofe lief von einem Polizeisoldaten begleitet, zu einer hohen Dame, die bewirkte, daß wir freigelassen wurden und fortfahren durften. Jener Mörder wird wohl der Vergeltung nicht entgehen, aber uns allen war bitterlich weh um’s Herz über der unschuldigen Frau Angés’ Tod, die wir noch einmal sahen, und die so überirdisch schön da lag, wie eine blasse geknickte Lelibloem — so plötzlich dahinzugeben das noch so junge liebliche Leben! Welch’ ein Schmerz für Ludwig wie für seine Schutzbefohlene! Das war ein mehr als trüber Beginn des neuen Lebensabschnittes, der mit dem heutigen Tage für Beide angebrochen war — das war eine schwere Prüfung, eine finstere Vorbedeutung. Der Graf ließ Philipp sogleich wundärztlich behandeln; die Wunde war übrigens nicht von Bedeutung. Des treuen Burschen Natur war nicht zart und empfindlich, er hatte zwar in der Nacht ein wenig Fieber, war aber am andern Morgen bei sehr früher Zeit wieder auf, und bereit, den Befehlen seines Herrn zu folgen. Dieser versah ihn mit Geld; er sollte sogleich mit Extrapost zurückfahren und

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/382>, abgerufen am 26.08.2024.