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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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jetzt kein Vergleich in aller Form Rechtens zu Stande kommt, dann kommt ein solcher zwischen mir und meinen Enkeln nie zu Stande, denn ich fühle es, ich bin zum Letztenmale hier in Varel und mein Leben neigt sich rasch zu Ende -- ist es doch ein Wunder, daß der altersmorsche Bau so lange ausgedauert hat. Hören Sie den entsetzlichen Sturm draußen, meine Herren? So heftige Stürme im Innern, im Gemüthe haben mich gar oft durchschüttert, endlich bricht der Damm, endlich fluthet die letzte Düne in der wild brandenden Wirbelwelle des Lebens dahin! Sagen Sie, bester Herr Rath Melchers, dem Bevollmächtigten meines ältesten Enkels Herrn Hofrath Brünings die neu zu Papier gebrachten Vergleichsbedingungen, und Sie Herr Secretär Wippermann, nehmen Alles genau zu Protocoll. Sie, mein lieber Windt, theilen dann den geehrten Herren das Weitere mit, und dann berathen Sie gemeinschaftlich, während ich mich zurückziehe, allseits nach bester Einsicht.

Die Reichsgräfin erhob sich, und ging mit festen Schritten aus dem Zimmer in das anstoßende Gemach.

Melchers that wie ihm geheißen war; er las aus einer Schrift die Vergleichsbedingungen vor, welche mannichfache Abänderung erfahren hatten, und jetzt in der Kürze folgenden Inhaltes waren: Alle Processe sollten ab sein für immer, alles vorhergegangene Unangenehme gegenseitig vergeben und vergessen, alle gegenseitigen Ansprüche sollten fallen, wechselseitiges Vertrauen, Freundschaft und vollkommene Eintracht sollen künftig in der hohen Familie herrschen. Doorwerth solle noch bei Lebzeiten der Frau Reichsgräfin Excellenz an den Erbherrn abgetreten werden, dagegen der letztere jene Summe zahlen, welche namhaft gemacht worden, nämlich 150,000 holländische Gulden in näher zu bestimmenden Terminen, 14,000 Reichsthaler in Gold jährlich und bis 2 Jahre nach dem Tode der Reichsgräfin an deren Miterben für den Besitz der deutschen Güter ebenfalls in den bisher gewöhnlichen Terminen, und über diese Summe solle der Frau Reichsgräfin Excellenz die Verfügung völlig frei stehen, ebenso wie über ihren sämmtlichen Hamburgischen Nachlaß, jedoch mit Ausnahme jener Edelsteine, die Fideicommißgut des reichsgräflichen Hauses seien, was sich von selbst verstehe und nur angeführt werde, damit nach Illustrissimä Ableben gar keine Handhabe zu irgend neuen Zwiespalten zu finden sei, und

jetzt kein Vergleich in aller Form Rechtens zu Stande kommt, dann kommt ein solcher zwischen mir und meinen Enkeln nie zu Stande, denn ich fühle es, ich bin zum Letztenmale hier in Varel und mein Leben neigt sich rasch zu Ende — ist es doch ein Wunder, daß der altersmorsche Bau so lange ausgedauert hat. Hören Sie den entsetzlichen Sturm draußen, meine Herren? So heftige Stürme im Innern, im Gemüthe haben mich gar oft durchschüttert, endlich bricht der Damm, endlich fluthet die letzte Düne in der wild brandenden Wirbelwelle des Lebens dahin! Sagen Sie, bester Herr Rath Melchers, dem Bevollmächtigten meines ältesten Enkels Herrn Hofrath Brünings die neu zu Papier gebrachten Vergleichsbedingungen, und Sie Herr Secretär Wippermann, nehmen Alles genau zu Protocoll. Sie, mein lieber Windt, theilen dann den geehrten Herren das Weitere mit, und dann berathen Sie gemeinschaftlich, während ich mich zurückziehe, allseits nach bester Einsicht.

Die Reichsgräfin erhob sich, und ging mit festen Schritten aus dem Zimmer in das anstoßende Gemach.

Melchers that wie ihm geheißen war; er las aus einer Schrift die Vergleichsbedingungen vor, welche mannichfache Abänderung erfahren hatten, und jetzt in der Kürze folgenden Inhaltes waren: Alle Processe sollten ab sein für immer, alles vorhergegangene Unangenehme gegenseitig vergeben und vergessen, alle gegenseitigen Ansprüche sollten fallen, wechselseitiges Vertrauen, Freundschaft und vollkommene Eintracht sollen künftig in der hohen Familie herrschen. Doorwerth solle noch bei Lebzeiten der Frau Reichsgräfin Excellenz an den Erbherrn abgetreten werden, dagegen der letztere jene Summe zahlen, welche namhaft gemacht worden, nämlich 150,000 holländische Gulden in näher zu bestimmenden Terminen, 14,000 Reichsthaler in Gold jährlich und bis 2 Jahre nach dem Tode der Reichsgräfin an deren Miterben für den Besitz der deutschen Güter ebenfalls in den bisher gewöhnlichen Terminen, und über diese Summe solle der Frau Reichsgräfin Excellenz die Verfügung völlig frei stehen, ebenso wie über ihren sämmtlichen Hamburgischen Nachlaß, jedoch mit Ausnahme jener Edelsteine, die Fideicommißgut des reichsgräflichen Hauses seien, was sich von selbst verstehe und nur angeführt werde, damit nach Illustrissimä Ableben gar keine Handhabe zu irgend neuen Zwiespalten zu finden sei, und

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[340/0344] jetzt kein Vergleich in aller Form Rechtens zu Stande kommt, dann kommt ein solcher zwischen mir und meinen Enkeln nie zu Stande, denn ich fühle es, ich bin zum Letztenmale hier in Varel und mein Leben neigt sich rasch zu Ende — ist es doch ein Wunder, daß der altersmorsche Bau so lange ausgedauert hat. Hören Sie den entsetzlichen Sturm draußen, meine Herren? So heftige Stürme im Innern, im Gemüthe haben mich gar oft durchschüttert, endlich bricht der Damm, endlich fluthet die letzte Düne in der wild brandenden Wirbelwelle des Lebens dahin! Sagen Sie, bester Herr Rath Melchers, dem Bevollmächtigten meines ältesten Enkels Herrn Hofrath Brünings die neu zu Papier gebrachten Vergleichsbedingungen, und Sie Herr Secretär Wippermann, nehmen Alles genau zu Protocoll. Sie, mein lieber Windt, theilen dann den geehrten Herren das Weitere mit, und dann berathen Sie gemeinschaftlich, während ich mich zurückziehe, allseits nach bester Einsicht. Die Reichsgräfin erhob sich, und ging mit festen Schritten aus dem Zimmer in das anstoßende Gemach. Melchers that wie ihm geheißen war; er las aus einer Schrift die Vergleichsbedingungen vor, welche mannichfache Abänderung erfahren hatten, und jetzt in der Kürze folgenden Inhaltes waren: Alle Processe sollten ab sein für immer, alles vorhergegangene Unangenehme gegenseitig vergeben und vergessen, alle gegenseitigen Ansprüche sollten fallen, wechselseitiges Vertrauen, Freundschaft und vollkommene Eintracht sollen künftig in der hohen Familie herrschen. Doorwerth solle noch bei Lebzeiten der Frau Reichsgräfin Excellenz an den Erbherrn abgetreten werden, dagegen der letztere jene Summe zahlen, welche namhaft gemacht worden, nämlich 150,000 holländische Gulden in näher zu bestimmenden Terminen, 14,000 Reichsthaler in Gold jährlich und bis 2 Jahre nach dem Tode der Reichsgräfin an deren Miterben für den Besitz der deutschen Güter ebenfalls in den bisher gewöhnlichen Terminen, und über diese Summe solle der Frau Reichsgräfin Excellenz die Verfügung völlig frei stehen, ebenso wie über ihren sämmtlichen Hamburgischen Nachlaß, jedoch mit Ausnahme jener Edelsteine, die Fideicommißgut des reichsgräflichen Hauses seien, was sich von selbst verstehe und nur angeführt werde, damit nach Illustrissimä Ableben gar keine Handhabe zu irgend neuen Zwiespalten zu finden sei, und

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/344>, abgerufen am 23.11.2024.