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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Jacques grüßte ihn freundlich und sprach: Freut mich, freut mich, Herr Leonardus, Sie wieder so frisch zu sehen, hätt's nicht gedacht, daß Sie sich so schnell erholen würden. Waren doch recht herunter! Die verdammten Hunde die -- werden auch noch ihren Lohn bekommen! Ist doch nicht eine Spur von den Canaillen zu entdecken gewesen!

Ludwig erwiederte nichts, er sah, daß ihn jener Mann, den er nie zuvor gekannt, für Leonardus hielt. Wie er sich umwandte, stand Anges hinter ihm, faßte seine beiden Hände und sah ihn dabei so innig, so flehend an, -- hätte er ihr auch auf den Tod gezürnt, er hätte ihr um dieses Blickes willen vergeben müssen.

Sieht er nicht wieder trefflich aus, unser guter Herr Leonardus? fragte der Kammerdiener Anges. -- Ja ja, hat sich recht erholt. Sie lächelte schmerzlich über den Irrthum des guten alten Mannes, und dem Grafen klopfte ängstlich das Herz. Was sollte er thun? Sollte er hier, bei diesem flüchtigen Begegnen, der Freundin die herbe Todesnachricht mittheilen? Sollte er ihr dieselbe mitgeben auf den langen weiten Weg, wo sie Niemand hatte, der mit freundlichen Worten des Trostes heilenden Balsam auf ihr wundes Herz legte? -- Aber durfte er es ihr denn verschweigen, durfte er die Grüße des sterbenden Freundes, die ihm aufgetragen waren, unterschlagen? -- Der Kampf war bitter, der in ihm rang -- Anges' Worte unterbrachen denselben: Lieber Freund! Seine Hoheit, der Prinz, lassen bitten! Ohne Ceremonie -- die wäre hier nicht am Ort! Ohne Verzug, denn jede Minute ist kostbar!

Sie zeigte auf die Thüre des Zimmers, in welches die fremde Herrschaft eingetreten war. Ludwig ging hinein, der Prinz trat ihm freundlich entgegen und verriegelte sogleich die Thüre.

Was sie hier miteinander besprachen, ob dem Grafen das Glück zu Theil wurde, die junge Dame wieder zu sehen, die ihn als kleines geistvolles Mädchen zu Doorwerth entzückt hatte, -- ob er die Prinzessin gesprochen, die sich dieses Kindes jetzt mit so großer Liebe angenommen zu haben schien, und welche von Anges als Gesellschafterin auf dieser eiligen Reise aus dem deutschen Süden in den fernen Norden begleitet wurde -- darüber können wir nichts berichten.

Tiefer Ernst lag auf des Grafen Zügen, als er aus dem Zimmer des Prinzen trat. Die Wagen waren neu bespannt, die Reisenden

Jacques grüßte ihn freundlich und sprach: Freut mich, freut mich, Herr Leonardus, Sie wieder so frisch zu sehen, hätt’s nicht gedacht, daß Sie sich so schnell erholen würden. Waren doch recht herunter! Die verdammten Hunde die — werden auch noch ihren Lohn bekommen! Ist doch nicht eine Spur von den Canaillen zu entdecken gewesen!

Ludwig erwiederte nichts, er sah, daß ihn jener Mann, den er nie zuvor gekannt, für Leonardus hielt. Wie er sich umwandte, stand Angés hinter ihm, faßte seine beiden Hände und sah ihn dabei so innig, so flehend an, — hätte er ihr auch auf den Tod gezürnt, er hätte ihr um dieses Blickes willen vergeben müssen.

Sieht er nicht wieder trefflich aus, unser guter Herr Leonardus? fragte der Kammerdiener Angés. — Ja ja, hat sich recht erholt. Sie lächelte schmerzlich über den Irrthum des guten alten Mannes, und dem Grafen klopfte ängstlich das Herz. Was sollte er thun? Sollte er hier, bei diesem flüchtigen Begegnen, der Freundin die herbe Todesnachricht mittheilen? Sollte er ihr dieselbe mitgeben auf den langen weiten Weg, wo sie Niemand hatte, der mit freundlichen Worten des Trostes heilenden Balsam auf ihr wundes Herz legte? — Aber durfte er es ihr denn verschweigen, durfte er die Grüße des sterbenden Freundes, die ihm aufgetragen waren, unterschlagen? — Der Kampf war bitter, der in ihm rang — Angés’ Worte unterbrachen denselben: Lieber Freund! Seine Hoheit, der Prinz, lassen bitten! Ohne Ceremonie — die wäre hier nicht am Ort! Ohne Verzug, denn jede Minute ist kostbar!

Sie zeigte auf die Thüre des Zimmers, in welches die fremde Herrschaft eingetreten war. Ludwig ging hinein, der Prinz trat ihm freundlich entgegen und verriegelte sogleich die Thüre.

Was sie hier miteinander besprachen, ob dem Grafen das Glück zu Theil wurde, die junge Dame wieder zu sehen, die ihn als kleines geistvolles Mädchen zu Doorwerth entzückt hatte, — ob er die Prinzessin gesprochen, die sich dieses Kindes jetzt mit so großer Liebe angenommen zu haben schien, und welche von Angés als Gesellschafterin auf dieser eiligen Reise aus dem deutschen Süden in den fernen Norden begleitet wurde — darüber können wir nichts berichten.

Tiefer Ernst lag auf des Grafen Zügen, als er aus dem Zimmer des Prinzen trat. Die Wagen waren neu bespannt, die Reisenden

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[331/0335] Jacques grüßte ihn freundlich und sprach: Freut mich, freut mich, Herr Leonardus, Sie wieder so frisch zu sehen, hätt’s nicht gedacht, daß Sie sich so schnell erholen würden. Waren doch recht herunter! Die verdammten Hunde die — werden auch noch ihren Lohn bekommen! Ist doch nicht eine Spur von den Canaillen zu entdecken gewesen! Ludwig erwiederte nichts, er sah, daß ihn jener Mann, den er nie zuvor gekannt, für Leonardus hielt. Wie er sich umwandte, stand Angés hinter ihm, faßte seine beiden Hände und sah ihn dabei so innig, so flehend an, — hätte er ihr auch auf den Tod gezürnt, er hätte ihr um dieses Blickes willen vergeben müssen. Sieht er nicht wieder trefflich aus, unser guter Herr Leonardus? fragte der Kammerdiener Angés. — Ja ja, hat sich recht erholt. Sie lächelte schmerzlich über den Irrthum des guten alten Mannes, und dem Grafen klopfte ängstlich das Herz. Was sollte er thun? Sollte er hier, bei diesem flüchtigen Begegnen, der Freundin die herbe Todesnachricht mittheilen? Sollte er ihr dieselbe mitgeben auf den langen weiten Weg, wo sie Niemand hatte, der mit freundlichen Worten des Trostes heilenden Balsam auf ihr wundes Herz legte? — Aber durfte er es ihr denn verschweigen, durfte er die Grüße des sterbenden Freundes, die ihm aufgetragen waren, unterschlagen? — Der Kampf war bitter, der in ihm rang — Angés’ Worte unterbrachen denselben: Lieber Freund! Seine Hoheit, der Prinz, lassen bitten! Ohne Ceremonie — die wäre hier nicht am Ort! Ohne Verzug, denn jede Minute ist kostbar! Sie zeigte auf die Thüre des Zimmers, in welches die fremde Herrschaft eingetreten war. Ludwig ging hinein, der Prinz trat ihm freundlich entgegen und verriegelte sogleich die Thüre. Was sie hier miteinander besprachen, ob dem Grafen das Glück zu Theil wurde, die junge Dame wieder zu sehen, die ihn als kleines geistvolles Mädchen zu Doorwerth entzückt hatte, — ob er die Prinzessin gesprochen, die sich dieses Kindes jetzt mit so großer Liebe angenommen zu haben schien, und welche von Angés als Gesellschafterin auf dieser eiligen Reise aus dem deutschen Süden in den fernen Norden begleitet wurde — darüber können wir nichts berichten. Tiefer Ernst lag auf des Grafen Zügen, als er aus dem Zimmer des Prinzen trat. Die Wagen waren neu bespannt, die Reisenden

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/335>, abgerufen am 01.06.2024.