Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.die eine vergangene Zeit abschlossen und eine kommende begannen, starb Herr Adrianus van der Valck in Amsterdam. Der alte Mann konnte den Wechsel der Dinge weder gut heißen, noch ertragen, und sank mit dem, was dahinsank. Dasselbe Jahr, das die holländisch-ostindische Compagnie zu ihrer Auflösung führte, deren letzten Tag er nicht sehen und erleben wollte, raffte ihn dahin. Mit bekümmerter Miene und einem schwarz gesiegelten Brief in der Hand trat Leonardus zu Ludwig ein und sprach zu diesem: Mein Vater ist gestorben -- der Vetter, Vincentius Martinus, meldet es mir -- meine Mutter ist sehr gebeugt, die Erben, denen zu Gunsten ich beraubt bin, werden lachen. Ich reise nach Amsterdam, um die Mutter zu trösten, deren Liebe mir geblieben ist, und die Hälfte meines Pflichttheils mir zu sichern. Bei der Gesandtschaft, deren Zweck ohnehin ein verfehlter war, und die vielleicht binnen Kurzem abgerufen wird, bin ich entbehrlich -- am Ende auch du, Ludwig. Begleite mich, es wird dich zerstreuen. Sollte ich es wagen dürfen in dieser Jahreszeit? fragte Ludwig zurück, auf dessen Angesicht eine gewisse Stubenfarbe lag und der viel an Frische verloren hatte. Doch vor Allem, mein Freund, mein Bruder, nimm das Wort meiner Theilnahme. Wie traurig, daß dein Vater unversöhnt mit dir von hinnen ging! Er ruhe im Frieden! antwortete Leonardus. Ihm folgt von meiner Seite nur Dank und Segen, kein Unmuth und kein Vorwurf nach. Er war des Hauses Haupt, ich war zwar Sohn, doch auch zugleich ein Diener des Geschäfts; ich lehnte mich auf gegen den Willen meines Chefs, und er entließ den ungehorsamen Diener; das ist das klare Sachverhältniß. Jetzt liegt mir ob, zu sehen, was ich rette aus meinem Schiffbruch, ich hoffe immer noch, mich leidlicher einrichten zu können, als Robinson auf seiner Insel. Gewiß bist du nicht arm, bestätigte Ludwig. Dein Vater klagte gern, war nur das größte Verhältniß gewohnt; seine Armuth reichte wohl hin, um Viele reich zu machen, auch bleibt dir ja noch dein Muttererbe. Gott erhalte das Leben meiner theuern Mutter noch recht lange! Ich warte nicht auf ihren Tod; sie ist so unendlich gut und liebt mich so sehr. die eine vergangene Zeit abschlossen und eine kommende begannen, starb Herr Adrianus van der Valck in Amsterdam. Der alte Mann konnte den Wechsel der Dinge weder gut heißen, noch ertragen, und sank mit dem, was dahinsank. Dasselbe Jahr, das die holländisch-ostindische Compagnie zu ihrer Auflösung führte, deren letzten Tag er nicht sehen und erleben wollte, raffte ihn dahin. Mit bekümmerter Miene und einem schwarz gesiegelten Brief in der Hand trat Leonardus zu Ludwig ein und sprach zu diesem: Mein Vater ist gestorben — der Vetter, Vincentius Martinus, meldet es mir — meine Mutter ist sehr gebeugt, die Erben, denen zu Gunsten ich beraubt bin, werden lachen. Ich reise nach Amsterdam, um die Mutter zu trösten, deren Liebe mir geblieben ist, und die Hälfte meines Pflichttheils mir zu sichern. Bei der Gesandtschaft, deren Zweck ohnehin ein verfehlter war, und die vielleicht binnen Kurzem abgerufen wird, bin ich entbehrlich — am Ende auch du, Ludwig. Begleite mich, es wird dich zerstreuen. Sollte ich es wagen dürfen in dieser Jahreszeit? fragte Ludwig zurück, auf dessen Angesicht eine gewisse Stubenfarbe lag und der viel an Frische verloren hatte. Doch vor Allem, mein Freund, mein Bruder, nimm das Wort meiner Theilnahme. Wie traurig, daß dein Vater unversöhnt mit dir von hinnen ging! Er ruhe im Frieden! antwortete Leonardus. Ihm folgt von meiner Seite nur Dank und Segen, kein Unmuth und kein Vorwurf nach. Er war des Hauses Haupt, ich war zwar Sohn, doch auch zugleich ein Diener des Geschäfts; ich lehnte mich auf gegen den Willen meines Chefs, und er entließ den ungehorsamen Diener; das ist das klare Sachverhältniß. Jetzt liegt mir ob, zu sehen, was ich rette aus meinem Schiffbruch, ich hoffe immer noch, mich leidlicher einrichten zu können, als Robinson auf seiner Insel. Gewiß bist du nicht arm, bestätigte Ludwig. Dein Vater klagte gern, war nur das größte Verhältniß gewohnt; seine Armuth reichte wohl hin, um Viele reich zu machen, auch bleibt dir ja noch dein Muttererbe. Gott erhalte das Leben meiner theuern Mutter noch recht lange! Ich warte nicht auf ihren Tod; sie ist so unendlich gut und liebt mich so sehr. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0244" n="240"/> die eine vergangene Zeit abschlossen und eine kommende begannen, starb Herr Adrianus van der Valck in Amsterdam. Der alte Mann konnte den Wechsel der Dinge weder gut heißen, noch ertragen, und sank mit dem, was dahinsank. Dasselbe Jahr, das die holländisch-ostindische Compagnie zu ihrer Auflösung führte, deren letzten Tag er nicht sehen und erleben wollte, raffte ihn dahin.</p> <p>Mit bekümmerter Miene und einem schwarz gesiegelten Brief in der Hand trat Leonardus zu Ludwig ein und sprach zu diesem: Mein Vater ist gestorben — der Vetter, Vincentius Martinus, meldet es mir — meine Mutter ist sehr gebeugt, die Erben, denen zu Gunsten ich beraubt bin, werden lachen. Ich reise nach Amsterdam, um die Mutter zu trösten, deren Liebe mir geblieben ist, und die Hälfte meines Pflichttheils mir zu sichern. Bei der Gesandtschaft, deren Zweck ohnehin ein verfehlter war, und die vielleicht binnen Kurzem abgerufen wird, bin ich entbehrlich — am Ende auch du, Ludwig. Begleite mich, es wird dich zerstreuen.</p> <p>Sollte ich es wagen dürfen in dieser Jahreszeit? fragte Ludwig zurück, auf dessen Angesicht eine gewisse Stubenfarbe lag und der viel an Frische verloren hatte. Doch vor Allem, mein Freund, mein Bruder, nimm das Wort meiner Theilnahme. Wie traurig, daß dein Vater unversöhnt mit dir von hinnen ging!</p> <p>Er ruhe im Frieden! antwortete Leonardus. Ihm folgt von meiner Seite nur Dank und Segen, kein Unmuth und kein Vorwurf nach. Er war des Hauses Haupt, ich war zwar Sohn, doch auch zugleich ein Diener des Geschäfts; ich lehnte mich auf gegen den Willen meines Chefs, und er entließ den ungehorsamen Diener; das ist das klare Sachverhältniß. Jetzt liegt mir ob, zu sehen, was ich rette aus meinem Schiffbruch, ich hoffe immer noch, mich leidlicher einrichten zu können, als Robinson auf seiner Insel.</p> <p>Gewiß bist du nicht arm, bestätigte Ludwig. Dein Vater klagte gern, war nur das größte Verhältniß gewohnt; seine Armuth reichte wohl hin, um Viele reich zu machen, auch bleibt dir ja noch dein Muttererbe.</p> <p>Gott erhalte das Leben meiner theuern Mutter noch recht lange! Ich warte nicht auf ihren Tod; sie ist so unendlich gut und liebt mich so sehr.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0244]
die eine vergangene Zeit abschlossen und eine kommende begannen, starb Herr Adrianus van der Valck in Amsterdam. Der alte Mann konnte den Wechsel der Dinge weder gut heißen, noch ertragen, und sank mit dem, was dahinsank. Dasselbe Jahr, das die holländisch-ostindische Compagnie zu ihrer Auflösung führte, deren letzten Tag er nicht sehen und erleben wollte, raffte ihn dahin.
Mit bekümmerter Miene und einem schwarz gesiegelten Brief in der Hand trat Leonardus zu Ludwig ein und sprach zu diesem: Mein Vater ist gestorben — der Vetter, Vincentius Martinus, meldet es mir — meine Mutter ist sehr gebeugt, die Erben, denen zu Gunsten ich beraubt bin, werden lachen. Ich reise nach Amsterdam, um die Mutter zu trösten, deren Liebe mir geblieben ist, und die Hälfte meines Pflichttheils mir zu sichern. Bei der Gesandtschaft, deren Zweck ohnehin ein verfehlter war, und die vielleicht binnen Kurzem abgerufen wird, bin ich entbehrlich — am Ende auch du, Ludwig. Begleite mich, es wird dich zerstreuen.
Sollte ich es wagen dürfen in dieser Jahreszeit? fragte Ludwig zurück, auf dessen Angesicht eine gewisse Stubenfarbe lag und der viel an Frische verloren hatte. Doch vor Allem, mein Freund, mein Bruder, nimm das Wort meiner Theilnahme. Wie traurig, daß dein Vater unversöhnt mit dir von hinnen ging!
Er ruhe im Frieden! antwortete Leonardus. Ihm folgt von meiner Seite nur Dank und Segen, kein Unmuth und kein Vorwurf nach. Er war des Hauses Haupt, ich war zwar Sohn, doch auch zugleich ein Diener des Geschäfts; ich lehnte mich auf gegen den Willen meines Chefs, und er entließ den ungehorsamen Diener; das ist das klare Sachverhältniß. Jetzt liegt mir ob, zu sehen, was ich rette aus meinem Schiffbruch, ich hoffe immer noch, mich leidlicher einrichten zu können, als Robinson auf seiner Insel.
Gewiß bist du nicht arm, bestätigte Ludwig. Dein Vater klagte gern, war nur das größte Verhältniß gewohnt; seine Armuth reichte wohl hin, um Viele reich zu machen, auch bleibt dir ja noch dein Muttererbe.
Gott erhalte das Leben meiner theuern Mutter noch recht lange! Ich warte nicht auf ihren Tod; sie ist so unendlich gut und liebt mich so sehr.
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