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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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durch das Leben sich selbst bilde. Kaum setzte er den Fuß von der Schwelle jenes heimathlichen Schlosses, das dort im Bilde hängt, so hat ihn auch schon das Leben erfaßt, aber nicht wie ich gehofft und gewünscht habe. Viel zu tief sah er im Beginn seiner Laufbahn in zwei schöne Augen, die nun im Wachen und Träumen vor seiner Seele stehen und ihn zurückwinken nach der kaum verlassenen Heimath. Bald darauf muß er wieder in ein seltsames Verhältniß verwickelt werden, in welches ich noch gar nicht recht klar sehe. Er und Windt schreiben mir nicht bestimmt darüber, aber so viel läßt die Erfahrung eines langen Lebens mich zwischen den Zeilen lesen, daß ohngeachtet der schönen verbotenen Heimathaugen doch ein neuer Himmel ihm in einem Augenpaar der Fremde aufging, und daß er, ohne sich dies selbst zu gestehen, sich in stiller Liebe zu der Freundin seines Freundes verzehrt. Darum ist es sehr gut, gut für Alle, daß jenes Kleeblatt auseinanderging.

Ludwig ist zu edel, um auf Verrath gegen den Freund zu sinnen, sagte Ottoline mit mühsam errungener Fassung.

Gewiß, das meine ich auch, meine Beste, versetzte die Reichsgräfin: eben weil er edel ist, ringt er mit sich selbst den stillen gefährlichen Kampf. Ein unedler Mensch versucht sein Glück, betrügt und verräth den Freund, wenn der Gegenstand der beiderseitigen Flamme ihn nicht mit Entschiedenheit abweist, und geschieht dies, nun so verschmerzt er's leicht und sieht sich nach einer andern, vielleicht williger ihm entgegenkommenden Neigung um. Aber unser Ludwig soll und darf sich nicht in solche Labyrinthe verlieren; und ich glaube, daß nur die Leitung einer edeln Frauenhand ihn auf die Pfade des richtigen Lebensweges führen kann. Wie glücklich wäre ich, wie sehr verdient um meinen Enkel würden Sie sich machen, Frau Herzogin, wenn ihm nach Ihrer Rückkehr nach England dort in Ihre Kreise einzutreten vergönnt würde. Das schwebte mir schon lange vor, doch wollte ich mit Absicht ihn erst eine Zeitlang frei gewähren lassen und zusehen, wohin seine Neigung ihn lenke.

Georgine fühlte, wie unendlich viel für sie in diesen Worten lag, die Ottoline so und nicht anders zu deuten vermochte, wie sie gesprochen wurden; die lebhafte Herzogin aber rief flammend aus: An mir, sollte Ihr Enkel gewiß eine wahrhaft mütterliche Freundin finden, senden Sie ihn mir, er soll mit offenen Armen empfangen werden.

durch das Leben sich selbst bilde. Kaum setzte er den Fuß von der Schwelle jenes heimathlichen Schlosses, das dort im Bilde hängt, so hat ihn auch schon das Leben erfaßt, aber nicht wie ich gehofft und gewünscht habe. Viel zu tief sah er im Beginn seiner Laufbahn in zwei schöne Augen, die nun im Wachen und Träumen vor seiner Seele stehen und ihn zurückwinken nach der kaum verlassenen Heimath. Bald darauf muß er wieder in ein seltsames Verhältniß verwickelt werden, in welches ich noch gar nicht recht klar sehe. Er und Windt schreiben mir nicht bestimmt darüber, aber so viel läßt die Erfahrung eines langen Lebens mich zwischen den Zeilen lesen, daß ohngeachtet der schönen verbotenen Heimathaugen doch ein neuer Himmel ihm in einem Augenpaar der Fremde aufging, und daß er, ohne sich dies selbst zu gestehen, sich in stiller Liebe zu der Freundin seines Freundes verzehrt. Darum ist es sehr gut, gut für Alle, daß jenes Kleeblatt auseinanderging.

Ludwig ist zu edel, um auf Verrath gegen den Freund zu sinnen, sagte Ottoline mit mühsam errungener Fassung.

Gewiß, das meine ich auch, meine Beste, versetzte die Reichsgräfin: eben weil er edel ist, ringt er mit sich selbst den stillen gefährlichen Kampf. Ein unedler Mensch versucht sein Glück, betrügt und verräth den Freund, wenn der Gegenstand der beiderseitigen Flamme ihn nicht mit Entschiedenheit abweist, und geschieht dies, nun so verschmerzt er’s leicht und sieht sich nach einer andern, vielleicht williger ihm entgegenkommenden Neigung um. Aber unser Ludwig soll und darf sich nicht in solche Labyrinthe verlieren; und ich glaube, daß nur die Leitung einer edeln Frauenhand ihn auf die Pfade des richtigen Lebensweges führen kann. Wie glücklich wäre ich, wie sehr verdient um meinen Enkel würden Sie sich machen, Frau Herzogin, wenn ihm nach Ihrer Rückkehr nach England dort in Ihre Kreise einzutreten vergönnt würde. Das schwebte mir schon lange vor, doch wollte ich mit Absicht ihn erst eine Zeitlang frei gewähren lassen und zusehen, wohin seine Neigung ihn lenke.

Georgine fühlte, wie unendlich viel für sie in diesen Worten lag, die Ottoline so und nicht anders zu deuten vermochte, wie sie gesprochen wurden; die lebhafte Herzogin aber rief flammend aus: An mir, sollte Ihr Enkel gewiß eine wahrhaft mütterliche Freundin finden, senden Sie ihn mir, er soll mit offenen Armen empfangen werden.

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durch das Leben sich selbst bilde. Kaum setzte er den Fuß von der Schwelle jenes heimathlichen Schlosses, das dort im Bilde hängt, so hat ihn auch schon das Leben erfaßt, aber nicht wie ich gehofft und gewünscht habe. Viel zu tief sah er im Beginn seiner Laufbahn in zwei schöne Augen, die nun im Wachen und Träumen vor seiner Seele stehen und ihn zurückwinken nach der kaum verlassenen Heimath. Bald darauf muß er wieder in ein seltsames Verhältniß verwickelt werden, in welches ich noch gar nicht recht klar sehe. Er und Windt schreiben mir nicht bestimmt darüber, aber so viel läßt die Erfahrung eines langen Lebens mich zwischen den Zeilen lesen, daß ohngeachtet der schönen verbotenen Heimathaugen doch ein neuer Himmel ihm in einem Augenpaar der Fremde aufging, und daß er, ohne sich dies selbst zu gestehen, sich in stiller Liebe zu der Freundin seines Freundes verzehrt. Darum ist es sehr gut, gut für Alle, daß jenes Kleeblatt auseinanderging.</p>
          <p>Ludwig ist zu edel, um auf Verrath gegen den Freund zu sinnen, sagte Ottoline mit mühsam errungener Fassung.</p>
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[225/0229] durch das Leben sich selbst bilde. Kaum setzte er den Fuß von der Schwelle jenes heimathlichen Schlosses, das dort im Bilde hängt, so hat ihn auch schon das Leben erfaßt, aber nicht wie ich gehofft und gewünscht habe. Viel zu tief sah er im Beginn seiner Laufbahn in zwei schöne Augen, die nun im Wachen und Träumen vor seiner Seele stehen und ihn zurückwinken nach der kaum verlassenen Heimath. Bald darauf muß er wieder in ein seltsames Verhältniß verwickelt werden, in welches ich noch gar nicht recht klar sehe. Er und Windt schreiben mir nicht bestimmt darüber, aber so viel läßt die Erfahrung eines langen Lebens mich zwischen den Zeilen lesen, daß ohngeachtet der schönen verbotenen Heimathaugen doch ein neuer Himmel ihm in einem Augenpaar der Fremde aufging, und daß er, ohne sich dies selbst zu gestehen, sich in stiller Liebe zu der Freundin seines Freundes verzehrt. Darum ist es sehr gut, gut für Alle, daß jenes Kleeblatt auseinanderging. Ludwig ist zu edel, um auf Verrath gegen den Freund zu sinnen, sagte Ottoline mit mühsam errungener Fassung. Gewiß, das meine ich auch, meine Beste, versetzte die Reichsgräfin: eben weil er edel ist, ringt er mit sich selbst den stillen gefährlichen Kampf. Ein unedler Mensch versucht sein Glück, betrügt und verräth den Freund, wenn der Gegenstand der beiderseitigen Flamme ihn nicht mit Entschiedenheit abweist, und geschieht dies, nun so verschmerzt er’s leicht und sieht sich nach einer andern, vielleicht williger ihm entgegenkommenden Neigung um. Aber unser Ludwig soll und darf sich nicht in solche Labyrinthe verlieren; und ich glaube, daß nur die Leitung einer edeln Frauenhand ihn auf die Pfade des richtigen Lebensweges führen kann. Wie glücklich wäre ich, wie sehr verdient um meinen Enkel würden Sie sich machen, Frau Herzogin, wenn ihm nach Ihrer Rückkehr nach England dort in Ihre Kreise einzutreten vergönnt würde. Das schwebte mir schon lange vor, doch wollte ich mit Absicht ihn erst eine Zeitlang frei gewähren lassen und zusehen, wohin seine Neigung ihn lenke. Georgine fühlte, wie unendlich viel für sie in diesen Worten lag, die Ottoline so und nicht anders zu deuten vermochte, wie sie gesprochen wurden; die lebhafte Herzogin aber rief flammend aus: An mir, sollte Ihr Enkel gewiß eine wahrhaft mütterliche Freundin finden, senden Sie ihn mir, er soll mit offenen Armen empfangen werden.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/229>, abgerufen am 24.11.2024.