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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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des Wortes, ein Freund, auf den auch nicht der kleinste Schatten fallen darf! rief Ludwig mit edler Aufwallung, da ihm schien, als erkenne sein Verwandter nicht seines Leonardus volle Seelengröße vollständig an. Es bedarf nicht, daß ich ihn rühme, fuhr Ludwig fort: ich will nur sagen, daß ich nicht gesonnen bin, mich von ihm zu trennen; ich habe, kaum aus der Welt meiner Jugendjahre getreten, bereits der tiefschmerzlichen Trennungen schon zu viele erlebt.

Dem Erbherrn zuckte es bei diesen Worten in der Brust, als brenne ihn plötzlich eine alte Wunde, und er bedurfte einiger Augenblicke, die bittere Empfindung niederzuringen, die in ihm lebendig wurde, während der Gesandte das Wort nahm: Wenn Herr Leonardus van der Valck so treu an Ihnen hängt, Herr Graf, als Sie an ihm, so wird ihm nichts im Wege stehen, uns nach Paris zu begleiten. Kann ich ihn auch nicht -- und wer weiß, ob es nicht in der Folge doch geschehen könnte -- in meinem Bureau anstellen, so kann ich ihn doch unter den Schutz der Gesandtschaft stellen, er kann als Volontair pro forma mit Ihnen arbeiten; Sie können ungetrübter, als irgendwo, das Glück ihrer beiderseitigen Freundschaft genießen. Hier im Getümmel der Waffen droht Ihnen unversehens vielleicht die schmerzlichste Trennung.

Leonardus mag entscheiden! sprach Ludwig fest. Wir sind, was wir äußerlich nur scheinen, innerlich in Wahrheit geworden, Brüder -- und da mir die Süße der Familienbande versagt ist, meine Heimath mir fernab liegt, da ich losgerissen bin von geliebten Herzen, so will ich doch an dem einen Anker mich halten, so lange es Gott vergönnt, ich will Leonardus, den ich zum Bruder mir erwählt, auch Bruder bleiben bis zum letzten Athemzuge meines Daseins.

Schnell und rasch war die Wendung in Ludwig's Schicksal; Leonardus, der des Freundes Gefühle so innig theilte, willigte mit Freuden ein, denn auch ihm konnte das Leben, wie es jetzt hier zu führen die Nothwendigkeit gebot, auf die Dauer nicht zusagen. Aber wie ganz anders war der jetzige zweite Abschied Ludwig's von dem redlichen Windt? Beim ersten Abschied galt dieser dem jungen Grafen nur als der unwandelbar treue Diener der alten Großmutter, als ein etwas steifer, förmlicher Kanzleimensch, ein gutes, brauchbares Inventarstück, das sich durch seine Dauerbarkeit empfahl. Um wie Vieles höher war

des Wortes, ein Freund, auf den auch nicht der kleinste Schatten fallen darf! rief Ludwig mit edler Aufwallung, da ihm schien, als erkenne sein Verwandter nicht seines Leonardus volle Seelengröße vollständig an. Es bedarf nicht, daß ich ihn rühme, fuhr Ludwig fort: ich will nur sagen, daß ich nicht gesonnen bin, mich von ihm zu trennen; ich habe, kaum aus der Welt meiner Jugendjahre getreten, bereits der tiefschmerzlichen Trennungen schon zu viele erlebt.

Dem Erbherrn zuckte es bei diesen Worten in der Brust, als brenne ihn plötzlich eine alte Wunde, und er bedurfte einiger Augenblicke, die bittere Empfindung niederzuringen, die in ihm lebendig wurde, während der Gesandte das Wort nahm: Wenn Herr Leonardus van der Valck so treu an Ihnen hängt, Herr Graf, als Sie an ihm, so wird ihm nichts im Wege stehen, uns nach Paris zu begleiten. Kann ich ihn auch nicht — und wer weiß, ob es nicht in der Folge doch geschehen könnte — in meinem Bureau anstellen, so kann ich ihn doch unter den Schutz der Gesandtschaft stellen, er kann als Volontair pro forma mit Ihnen arbeiten; Sie können ungetrübter, als irgendwo, das Glück ihrer beiderseitigen Freundschaft genießen. Hier im Getümmel der Waffen droht Ihnen unversehens vielleicht die schmerzlichste Trennung.

Leonardus mag entscheiden! sprach Ludwig fest. Wir sind, was wir äußerlich nur scheinen, innerlich in Wahrheit geworden, Brüder — und da mir die Süße der Familienbande versagt ist, meine Heimath mir fernab liegt, da ich losgerissen bin von geliebten Herzen, so will ich doch an dem einen Anker mich halten, so lange es Gott vergönnt, ich will Leonardus, den ich zum Bruder mir erwählt, auch Bruder bleiben bis zum letzten Athemzuge meines Daseins.

Schnell und rasch war die Wendung in Ludwig’s Schicksal; Leonardus, der des Freundes Gefühle so innig theilte, willigte mit Freuden ein, denn auch ihm konnte das Leben, wie es jetzt hier zu führen die Nothwendigkeit gebot, auf die Dauer nicht zusagen. Aber wie ganz anders war der jetzige zweite Abschied Ludwig’s von dem redlichen Windt? Beim ersten Abschied galt dieser dem jungen Grafen nur als der unwandelbar treue Diener der alten Großmutter, als ein etwas steifer, förmlicher Kanzleimensch, ein gutes, brauchbares Inventarstück, das sich durch seine Dauerbarkeit empfahl. Um wie Vieles höher war

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[213/0217] des Wortes, ein Freund, auf den auch nicht der kleinste Schatten fallen darf! rief Ludwig mit edler Aufwallung, da ihm schien, als erkenne sein Verwandter nicht seines Leonardus volle Seelengröße vollständig an. Es bedarf nicht, daß ich ihn rühme, fuhr Ludwig fort: ich will nur sagen, daß ich nicht gesonnen bin, mich von ihm zu trennen; ich habe, kaum aus der Welt meiner Jugendjahre getreten, bereits der tiefschmerzlichen Trennungen schon zu viele erlebt. Dem Erbherrn zuckte es bei diesen Worten in der Brust, als brenne ihn plötzlich eine alte Wunde, und er bedurfte einiger Augenblicke, die bittere Empfindung niederzuringen, die in ihm lebendig wurde, während der Gesandte das Wort nahm: Wenn Herr Leonardus van der Valck so treu an Ihnen hängt, Herr Graf, als Sie an ihm, so wird ihm nichts im Wege stehen, uns nach Paris zu begleiten. Kann ich ihn auch nicht — und wer weiß, ob es nicht in der Folge doch geschehen könnte — in meinem Bureau anstellen, so kann ich ihn doch unter den Schutz der Gesandtschaft stellen, er kann als Volontair pro forma mit Ihnen arbeiten; Sie können ungetrübter, als irgendwo, das Glück ihrer beiderseitigen Freundschaft genießen. Hier im Getümmel der Waffen droht Ihnen unversehens vielleicht die schmerzlichste Trennung. Leonardus mag entscheiden! sprach Ludwig fest. Wir sind, was wir äußerlich nur scheinen, innerlich in Wahrheit geworden, Brüder — und da mir die Süße der Familienbande versagt ist, meine Heimath mir fernab liegt, da ich losgerissen bin von geliebten Herzen, so will ich doch an dem einen Anker mich halten, so lange es Gott vergönnt, ich will Leonardus, den ich zum Bruder mir erwählt, auch Bruder bleiben bis zum letzten Athemzuge meines Daseins. Schnell und rasch war die Wendung in Ludwig’s Schicksal; Leonardus, der des Freundes Gefühle so innig theilte, willigte mit Freuden ein, denn auch ihm konnte das Leben, wie es jetzt hier zu führen die Nothwendigkeit gebot, auf die Dauer nicht zusagen. Aber wie ganz anders war der jetzige zweite Abschied Ludwig’s von dem redlichen Windt? Beim ersten Abschied galt dieser dem jungen Grafen nur als der unwandelbar treue Diener der alten Großmutter, als ein etwas steifer, förmlicher Kanzleimensch, ein gutes, brauchbares Inventarstück, das sich durch seine Dauerbarkeit empfahl. Um wie Vieles höher war

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/217>, abgerufen am 24.11.2024.