Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Seelen-Weißheit.

und unleugbare Sünden seyn/ und unnatürlich/
als Sodomiterey/ Todschläge/ Verleugnung
GOttes etc. Da antworte ich/ daß wieder ein gros-
ser Theil Sünde sey/ welche die Leute vor Sün-
de halten/ und zu Sünde machen/ welche keine
seyn/ als Ungehorsam an die/ denen man nicht
schuldig zu pariren/ Schuhe/ Hosen tragen/ Fleisch
essen/ etc. Was aber nun tod- oder grobe Sünden
seyn/ wär freylich GOtt eine Ursach darzu/ wann
er den Menschen darzu benothwendige: Weil
aber der Mensch selbsten bey sich verspüret/ daß er
solche thun und lassen kan/ ja zu dem letztern die
Seel und Gewissen mehr Antrieb/ als zu dem er-
sten befindet/ so kan GOtt nit zugeschrieben wer-
den/ daß er dem Menschen einen freyen Willen
lassend/ eine Ursach seiner Verdammnüß sey. Und
wäre der göttlichen Ordnung vielmehr zuwider/
den Menschen mit Gewalt zum Guten zu zwin-
gen/ als ihme frey zu stellen/ das Böse zu lassen/ ge-
staltsam auch ans solcher Freyheit/ die der Mensch
zum Guten üben kan/ alle Tugenden entspringen/
und dieser Tugend-Streit einer von den fürtreff-
lichsten Verrichtungen der Seelen ist. Daß es aber
wider die Allmacht GOtteslauffe/ daß ein Teuf-
fel sey/ der GOtt und dem Menschen zuwider/ ist
gantzübel aufgenommen/ indem er weder GOtt
noch Menschen etwas thun kan/ wenn sie nicht
wollen/ er auch anders nicht betrachtet werden

muß/

B iij

Seelen-Weißheit.

und unleugbare Suͤnden ſeyn/ und unnatuͤrlich/
als Sodomiterey/ Todſchlaͤge/ Verleugnung
GOttes ꝛc. Da antworte ich/ daß wieder ein groſ-
ſer Theil Suͤnde ſey/ welche die Leute vor Suͤn-
de halten/ und zu Suͤnde machen/ welche keine
ſeyn/ als Ungehorſam an die/ denen man nicht
ſchuldig zu pariren/ Schuhe/ Hoſen tragẽ/ Fleiſch
eſſen/ ꝛc. Was aber nun tod- oder grobe Suͤnden
ſeyn/ waͤr freylich GOtt eine Urſach darzu/ wann
er den Menſchen darzu benothwendige: Weil
aber der Menſch ſelbſten bey ſich verſpuͤret/ daß er
ſolche thun und laſſen kan/ ja zu dem letztern die
Seel und Gewiſſen mehr Antrieb/ als zu dem er-
ſten befindet/ ſo kan GOtt nit zugeſchrieben wer-
den/ daß er dem Menſchen einen freyen Willen
laſſend/ eine Urſach ſeiner Verdammnuͤß ſey. Und
waͤre der goͤttlichen Ordnung vielmehr zuwider/
den Menſchen mit Gewalt zum Guten zu zwin-
gen/ als ihme frey zu ſtellen/ das Boͤſe zu laſſen/ ge-
ſtaltſam auch ans ſolcher Freyheit/ die der Menſch
zum Guten uͤben kan/ alle Tugenden entſpringen/
und dieſer Tugend-Streit einer von den fuͤrtreff-
lichſtẽ Verrichtungen der Seelẽ iſt. Daß es aber
wider die Allmacht GOtteslauffe/ daß ein Teuf-
fel ſey/ der GOtt und dem Menſchen zuwider/ iſt
gantzuͤbel aufgenommen/ indem er weder GOtt
noch Menſchen etwas thun kan/ wenn ſie nicht
wollen/ er auch anders nicht betrachtet werden

muß/

B iij

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[29/0087] Seelen-Weißheit. und unleugbare Suͤnden ſeyn/ und unnatuͤrlich/ als Sodomiterey/ Todſchlaͤge/ Verleugnung GOttes ꝛc. Da antworte ich/ daß wieder ein groſ- ſer Theil Suͤnde ſey/ welche die Leute vor Suͤn- de halten/ und zu Suͤnde machen/ welche keine ſeyn/ als Ungehorſam an die/ denen man nicht ſchuldig zu pariren/ Schuhe/ Hoſen tragẽ/ Fleiſch eſſen/ ꝛc. Was aber nun tod- oder grobe Suͤnden ſeyn/ waͤr freylich GOtt eine Urſach darzu/ wann er den Menſchen darzu benothwendige: Weil aber der Menſch ſelbſten bey ſich verſpuͤret/ daß er ſolche thun und laſſen kan/ ja zu dem letztern die Seel und Gewiſſen mehr Antrieb/ als zu dem er- ſten befindet/ ſo kan GOtt nit zugeſchrieben wer- den/ daß er dem Menſchen einen freyen Willen laſſend/ eine Urſach ſeiner Verdammnuͤß ſey. Und waͤre der goͤttlichen Ordnung vielmehr zuwider/ den Menſchen mit Gewalt zum Guten zu zwin- gen/ als ihme frey zu ſtellen/ das Boͤſe zu laſſen/ ge- ſtaltſam auch ans ſolcher Freyheit/ die der Menſch zum Guten uͤben kan/ alle Tugenden entſpringen/ und dieſer Tugend-Streit einer von den fuͤrtreff- lichſtẽ Verrichtungen der Seelẽ iſt. Daß es aber wider die Allmacht GOtteslauffe/ daß ein Teuf- fel ſey/ der GOtt und dem Menſchen zuwider/ iſt gantzuͤbel aufgenommen/ indem er weder GOtt noch Menſchen etwas thun kan/ wenn ſie nicht wollen/ er auch anders nicht betrachtet werden muß/ B iij

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Zitationshilfe:	Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/87>, abgerufen am 27.04.2024.

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