Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Seelen-Weißheit.

wie die Noctambuli bey der Nacht. Nun ist zwar
allen Menschen eingegeben/ daß sie wissen/ daß sie
seyn/ wie sie aber seyn/ und wo sie seyn/ bedencken
wenig.

26. Phil.

Nachdem gleichwol viele Ursachen und
Gelegenbeiten seyn/ welche machen/ daß die Seel offt
ihrer selbsten vergisset/ also daß sie nicht weiß/ daß sie in
dem Wesen der Natur ist/ als in Mutterleibe/ Schlaf/
Ohnmachten/ so scheinet nicht klar zu seyn/ daß
der Mensch allezeit wisse/ ob er sey?

Psych. Jn der ersten Abtheilung ist in der 20sten
Frag bereits hierauf geantwortet/ nemlich/ daß
die Seel nach dem Stand und Beschaffenheit
des animalischen Geistes würcke und verstehe/ da-
fals nun solcher sopirt/ alterirt/ oder also disponirt
ist/ daß er den ätherischen Geist oder lucem ani-
mae unterdruckt und verfinstert/ so kan die Seel
freylich nicht würcken/ noch ihren Verstand erken-
nen/ sich selbsten zu erkennen/ nemlich daß sie sich
übe/ es folgt aber doch darum nicht/ daß die Seel
nicht sey/ noch des Verstandes beraubt werde/ daß
sie sey/ gleich wie eine finstere Wolcke/ so zwischen
der Sonnen und Erden schwebt/ verhindert/ daß
die Stralen der Sonnen die Erdenicht bescheinen
können/ noch die Sonne gesehen werden kan/ un-
terdessen bleibt doch die Sonne/ und wann die
Wolcke vorbey/ wircken die Stralen wie vor/ ist
auch nicht zu leugnen/ daß die Seel sowol von
leiblichen natürlichen/ als geistlichen übernatür-

lichen

Seelen-Weißheit.

wie die Noctambuli bey der Nacht. Nun iſt zwar
allen Menſchen eingegeben/ daß ſie wiſſen/ daß ſie
ſeyn/ wie ſie aber ſeyn/ und wo ſie ſeyn/ bedencken
wenig.

26. Phil.

Nachdem gleichwol viele Urſachen und
Gelegenbeiten ſeyn/ welche machen/ daß die Seel offt
ihrer ſelbſten vergiſſet/ alſo daß ſie nicht weiß/ daß ſie in
dem Weſen der Natur iſt/ als in Mutterleibe/ Schlaf/
Ohnmachten/ ſo ſcheinet nicht klar zu ſeyn/ daß
der Menſch allezeit wiſſe/ ob er ſey?

Pſych. Jn der erſten Abtheilung iſt in der 20ſten
Frag bereits hierauf geantwortet/ nemlich/ daß
die Seel nach dem Stand und Beſchaffenheit
des animaliſchen Geiſtes wuͤrcke und verſtehe/ da-
fals nun ſolcher ſopirt/ alterirt/ oder alſo diſponirt
iſt/ daß er den aͤtheriſchen Geiſt oder lucem ani-
mæ unterdruckt und verfinſtert/ ſo kan die Seel
freylich nicht wuͤrcken/ noch ihren Verſtand erken-
nen/ ſich ſelbſten zu erkennen/ nemlich daß ſie ſich
uͤbe/ es folgt aber doch darum nicht/ daß die Seel
nicht ſey/ noch des Verſtandes beraubt werde/ daß
ſie ſey/ gleich wie eine finſtere Wolcke/ ſo zwiſchen
der Sonnen und Erden ſchwebt/ verhindert/ daß
die Stralen der Sonnen die Erdenicht beſcheinen
koͤnnen/ noch die Sonne geſehen werden kan/ un-
terdeſſen bleibt doch die Sonne/ und wann die
Wolcke vorbey/ wircken die Stralen wie vor/ iſt
auch nicht zu leugnen/ daß die Seel ſowol von
leiblichen natuͤrlichen/ als geiſtlichen uͤbernatuͤr-

lichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0075" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Seelen-Weißheit.</hi></fw><lb/>
wie die Noctambuli bey der Nacht. Nun i&#x017F;t zwar<lb/>
allen Men&#x017F;chen eingegeben/ daß &#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en/ daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;eyn/ wie &#x017F;ie aber &#x017F;eyn/ und wo &#x017F;ie &#x017F;eyn/ bedencken<lb/>
wenig.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>26. <hi rendition="#aq">Phil.</hi></head>
            <p> Nachdem gleichwol viele Ur&#x017F;achen und<lb/>
Gelegenbeiten &#x017F;eyn/ welche machen/ daß die Seel offt<lb/>
ihrer &#x017F;elb&#x017F;ten vergi&#x017F;&#x017F;et/ al&#x017F;o daß &#x017F;ie nicht weiß/ daß &#x017F;ie in<lb/>
dem We&#x017F;en der Natur i&#x017F;t/ als in Mutterleibe/ Schlaf/<lb/>
Ohnmachten/ &#x017F;o &#x017F;cheinet nicht klar zu &#x017F;eyn/ daß<lb/>
der Men&#x017F;ch allezeit wi&#x017F;&#x017F;e/ ob er &#x017F;ey?</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">P&#x017F;ych.</hi> Jn der er&#x017F;ten Abtheilung i&#x017F;t in der 20&#x017F;ten<lb/>
Frag bereits hierauf geantwortet/ nemlich/ daß<lb/>
die Seel nach dem Stand und Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
des animali&#x017F;chen Gei&#x017F;tes wu&#x0364;rcke und ver&#x017F;tehe/ da-<lb/>
fals nun &#x017F;olcher &#x017F;opirt/ alterirt/ oder al&#x017F;o di&#x017F;ponirt<lb/>
i&#x017F;t/ daß er den a&#x0364;theri&#x017F;chen Gei&#x017F;t oder <hi rendition="#aq">lucem ani-<lb/>
mæ</hi> unterdruckt und verfin&#x017F;tert/ &#x017F;o kan die Seel<lb/>
freylich nicht wu&#x0364;rcken/ noch ihren Ver&#x017F;tand erken-<lb/>
nen/ &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten zu erkennen/ nemlich daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
u&#x0364;be/ es folgt aber doch darum nicht/ daß die Seel<lb/>
nicht &#x017F;ey/ noch des Ver&#x017F;tandes beraubt werde/ daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ey/ gleich wie eine fin&#x017F;tere Wolcke/ &#x017F;o zwi&#x017F;chen<lb/>
der Sonnen und Erden &#x017F;chwebt/ verhindert/ daß<lb/>
die Stralen der Sonnen die Erdenicht be&#x017F;cheinen<lb/>
ko&#x0364;nnen/ noch die Sonne ge&#x017F;ehen werden kan/ un-<lb/>
terde&#x017F;&#x017F;en bleibt doch die Sonne/ und wann die<lb/>
Wolcke vorbey/ wircken die Stralen wie vor/ i&#x017F;t<lb/>
auch nicht zu leugnen/ daß die Seel &#x017F;owol von<lb/>
leiblichen natu&#x0364;rlichen/ als gei&#x017F;tlichen u&#x0364;bernatu&#x0364;r-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lichen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[17/0075] Seelen-Weißheit. wie die Noctambuli bey der Nacht. Nun iſt zwar allen Menſchen eingegeben/ daß ſie wiſſen/ daß ſie ſeyn/ wie ſie aber ſeyn/ und wo ſie ſeyn/ bedencken wenig. 26. Phil. Nachdem gleichwol viele Urſachen und Gelegenbeiten ſeyn/ welche machen/ daß die Seel offt ihrer ſelbſten vergiſſet/ alſo daß ſie nicht weiß/ daß ſie in dem Weſen der Natur iſt/ als in Mutterleibe/ Schlaf/ Ohnmachten/ ſo ſcheinet nicht klar zu ſeyn/ daß der Menſch allezeit wiſſe/ ob er ſey? Pſych. Jn der erſten Abtheilung iſt in der 20ſten Frag bereits hierauf geantwortet/ nemlich/ daß die Seel nach dem Stand und Beſchaffenheit des animaliſchen Geiſtes wuͤrcke und verſtehe/ da- fals nun ſolcher ſopirt/ alterirt/ oder alſo diſponirt iſt/ daß er den aͤtheriſchen Geiſt oder lucem ani- mæ unterdruckt und verfinſtert/ ſo kan die Seel freylich nicht wuͤrcken/ noch ihren Verſtand erken- nen/ ſich ſelbſten zu erkennen/ nemlich daß ſie ſich uͤbe/ es folgt aber doch darum nicht/ daß die Seel nicht ſey/ noch des Verſtandes beraubt werde/ daß ſie ſey/ gleich wie eine finſtere Wolcke/ ſo zwiſchen der Sonnen und Erden ſchwebt/ verhindert/ daß die Stralen der Sonnen die Erdenicht beſcheinen koͤnnen/ noch die Sonne geſehen werden kan/ un- terdeſſen bleibt doch die Sonne/ und wann die Wolcke vorbey/ wircken die Stralen wie vor/ iſt auch nicht zu leugnen/ daß die Seel ſowol von leiblichen natuͤrlichen/ als geiſtlichen uͤbernatuͤr- lichen

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/75
Zitationshilfe:	Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/75>, abgerufen am 27.04.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.