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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Psychosophia.
theils überwonnen und auß sich selbst falsche Sa-
chen bekennen/ auch unschuldig gestrafft werden/
weilen sie schon unschuldig sind/ unschuldig gepei-
niget worden/ daß sie also/ ob sie gleich nicht mit
dem Tode gestrafft werden/ dannoch in oder durch
die Marter selbst sterben. Was? daß bißweilen
auch die/ welche bißweilen anklagen/ und der
menschlichen Gesellschafft nutzen wollen/ auff
daß die Laster nicht ungestrafft bleiben/ und da
die Zeugen liegen/ und da der Schuldige selbst
gegen die unmenschliche Peinigung außdauret/
und nicht bekennet/ und die Zeugen nicht bewei-
sen können/ was sie vorwerffen/ ob sie gleich war-
hafftige Sachen vorgeworffen/ von dem unwis-
senden Richter verdammet worden. Diese und
dergleichen Ubelthaten hälter für keine Sünde.
Dann dieses thut der weise Richter nicht/ in
Meynung zu schaden/ sondern durch Zwang der
Unwissenheit/ und dennoch weilen die menschli-
che Gesellschafft zwinget/ auch durch Noth zu
richten. Dieses ist derowegen das Elend der
Menschen/ welches wir melden/ obwolen nicht
die Boßheit des Weisen. Ob er aber durch
Noth der Wissenheit und des Urtheils die Un-
schuldige peiniget/ auch die Unschuldige straf-
fet/ und es ihm nicht wenig/ daß er nicht schuldig
sey/ so er nicht über das auch selig/ wie viel mehr
bedachtsamer und einem Menschen würdiger be-

kennet

Pſychoſophia.
theils uͤberwonnen und auß ſich ſelbſt falſche Sa-
chen bekennen/ auch unſchuldig geſtrafft werden/
weilen ſie ſchon unſchuldig ſind/ unſchuldig gepei-
niget worden/ daß ſie alſo/ ob ſie gleich nicht mit
dem Tode geſtrafft werden/ dannoch in oder durch
die Marter ſelbſt ſterben. Was? daß bißweilen
auch die/ welche bißweilen anklagen/ und der
menſchlichen Geſellſchafft nutzen wollen/ auff
daß die Laſter nicht ungeſtrafft bleiben/ und da
die Zeugen liegen/ und da der Schuldige ſelbſt
gegen die unmenſchliche Peinigung außdauret/
und nicht bekennet/ und die Zeugen nicht bewei-
ſen koͤnnen/ was ſie vorwerffen/ ob ſie gleich war-
hafftige Sachen vorgeworffen/ von dem unwiſ-
ſenden Richter verdammet worden. Dieſe und
dergleichen Ubelthaten haͤlter fuͤr keine Suͤnde.
Dann dieſes thut der weiſe Richter nicht/ in
Meynung zu ſchaden/ ſondern durch Zwang der
Unwiſſenheit/ und dennoch weilen die menſchli-
che Geſellſchafft zwinget/ auch durch Noth zu
richten. Dieſes iſt derowegen das Elend der
Menſchen/ welches wir melden/ obwolen nicht
die Boßheit des Weiſen. Ob er aber durch
Noth der Wiſſenheit und des Urtheils die Un-
ſchuldige peiniget/ auch die Unſchuldige ſtraf-
fet/ und es ihm nicht wenig/ daß er nicht ſchuldig
ſey/ ſo er nicht uͤber das auch ſelig/ wie viel mehr
bedachtſamer und einem Menſchen wuͤrdiger be-

kennet
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[284/0342] Pſychoſophia. theils uͤberwonnen und auß ſich ſelbſt falſche Sa- chen bekennen/ auch unſchuldig geſtrafft werden/ weilen ſie ſchon unſchuldig ſind/ unſchuldig gepei- niget worden/ daß ſie alſo/ ob ſie gleich nicht mit dem Tode geſtrafft werden/ dannoch in oder durch die Marter ſelbſt ſterben. Was? daß bißweilen auch die/ welche bißweilen anklagen/ und der menſchlichen Geſellſchafft nutzen wollen/ auff daß die Laſter nicht ungeſtrafft bleiben/ und da die Zeugen liegen/ und da der Schuldige ſelbſt gegen die unmenſchliche Peinigung außdauret/ und nicht bekennet/ und die Zeugen nicht bewei- ſen koͤnnen/ was ſie vorwerffen/ ob ſie gleich war- hafftige Sachen vorgeworffen/ von dem unwiſ- ſenden Richter verdammet worden. Dieſe und dergleichen Ubelthaten haͤlter fuͤr keine Suͤnde. Dann dieſes thut der weiſe Richter nicht/ in Meynung zu ſchaden/ ſondern durch Zwang der Unwiſſenheit/ und dennoch weilen die menſchli- che Geſellſchafft zwinget/ auch durch Noth zu richten. Dieſes iſt derowegen das Elend der Menſchen/ welches wir melden/ obwolen nicht die Boßheit des Weiſen. Ob er aber durch Noth der Wiſſenheit und des Urtheils die Un- ſchuldige peiniget/ auch die Unſchuldige ſtraf- fet/ und es ihm nicht wenig/ daß er nicht ſchuldig ſey/ ſo er nicht uͤber das auch ſelig/ wie viel mehr bedachtſamer und einem Menſchen wuͤrdiger be- kennet

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Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/342>, abgerufen am 09.05.2024.