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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Seelen-Weißheit.
dann solche auch auff. Nicht ohn ist es/ daß der
Tod ein End alles Ubels ist/ darum schreibt Fran-
ciscus Petrarcha;

Fac tibi proponas mortem non esse timen-
dam,
Quae bona si non est, finis tamen illa malo-
rum est.

Das ist:

Den Tod sich weißlich an/ haß dich/ thu ihn
nicht grauen/
Du wirst ein End in ihm/ von allem Unheil
schauen.

Der Tod endiget alle Schmertzen/ bezahlet alle
Schulden/ nimmt hinweg alle Unehr/ öffnet alle
Gefängnüssen/ bringt den Menschen zu einer süs-
sen Ruh/ und ist an sich selber gantz unempfind-
lich/ dann wann der Tod noch nicht da ist/ so em-
pfindet man ihn nicht/ so bald er aber kommt/ so
macht er ohnempfinden. Der Tod/ sag ich/
welchen die Natur mitbringt/ nicht der gewalt-
same/ selbst angethane/ dessen Vorsatz nicht ohne
grosse Entrüstung und Verzweiffelung gesche-
hen kan. Darumb antwortet auch Epictetus
den Stoicis, die du vorher allegirt hast. Homi-
nes, sustinte, Deum expectate, donec ille si-
gnum dederit, & solverit vos hoc ministerio:
tunc ad eum redite. Nunc autem in praesenti,
tolerate aequo animo, & incolite regionem

istam,
M vj

Seelen-Weißheit.
dann ſolche auch auff. Nicht ohn iſt es/ daß der
Tod ein End alles Ubels iſt/ darum ſchreibt Fran-
ciſcus Petrarcha;

Fac tibi proponas mortem non eſſe timen-
dam,
Quæ bona ſi non eſt, finis tamen illa malo-
rum eſt.

Das iſt:

Den Tod ſich weißlich an/ haß dich/ thu ihn
nicht grauen/
Du wirſt ein End in ihm/ von allem Unheil
ſchauen.

Der Tod endiget alle Schmertzen/ bezahlet alle
Schulden/ nimmt hinweg alle Unehr/ oͤffnet alle
Gefaͤngnuͤſſen/ bringt den Menſchen zu einer ſuͤſ-
ſen Ruh/ und iſt an ſich ſelber gantz unempfind-
lich/ dann wann der Tod noch nicht da iſt/ ſo em-
pfindet man ihn nicht/ ſo bald er aber kommt/ ſo
macht er ohnempfinden. Der Tod/ ſag ich/
welchen die Natur mitbringt/ nicht der gewalt-
ſame/ ſelbſt angethane/ deſſen Vorſatz nicht ohne
groſſe Entruͤſtung und Verzweiffelung geſche-
hen kan. Darumb antwortet auch Epictetus
den Stoicis, die du vorher allegirt haſt. Homi-
nes, ſuſtinte, Deum expectate, donec ille ſi-
gnum dederit, & ſolverit vos hoc miniſterio:
tunc ad eum redite. Nunc autem in præſenti,
tolerate æquo animo, & incolite regionem

iſtam,
M vj
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[275/0333] Seelen-Weißheit. dann ſolche auch auff. Nicht ohn iſt es/ daß der Tod ein End alles Ubels iſt/ darum ſchreibt Fran- ciſcus Petrarcha; Fac tibi proponas mortem non eſſe timen- dam, Quæ bona ſi non eſt, finis tamen illa malo- rum eſt. Das iſt: Den Tod ſich weißlich an/ haß dich/ thu ihn nicht grauen/ Du wirſt ein End in ihm/ von allem Unheil ſchauen. Der Tod endiget alle Schmertzen/ bezahlet alle Schulden/ nimmt hinweg alle Unehr/ oͤffnet alle Gefaͤngnuͤſſen/ bringt den Menſchen zu einer ſuͤſ- ſen Ruh/ und iſt an ſich ſelber gantz unempfind- lich/ dann wann der Tod noch nicht da iſt/ ſo em- pfindet man ihn nicht/ ſo bald er aber kommt/ ſo macht er ohnempfinden. Der Tod/ ſag ich/ welchen die Natur mitbringt/ nicht der gewalt- ſame/ ſelbſt angethane/ deſſen Vorſatz nicht ohne groſſe Entruͤſtung und Verzweiffelung geſche- hen kan. Darumb antwortet auch Epictetus den Stoicis, die du vorher allegirt haſt. Homi- nes, ſuſtinte, Deum expectate, donec ille ſi- gnum dederit, & ſolverit vos hoc miniſterio: tunc ad eum redite. Nunc autem in præſenti, tolerate æquo animo, & incolite regionem iſtam, M vj

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Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/333>, abgerufen am 09.05.2024.