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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Seelen- Weißheit.
giren/ clystiren/ syrupisiren etc. haben sich unter-
standen in einem Tage zu thun so viel als die
Blätter in 20. oder 30. dardurch ist nun das
Kraut in Verachtung kommen/ und auß dem
Sinne geschlagen/ und alle Gedancken in das
purgiren/ clystiren etc. gesetzet.

Das ist aber bey meiner Zeit mir eingedenck/
daß von vielen Personen ist gebraucht worden/
die gar flüssig/ rotzig/ arbeit-und blaterselig gewe-
sen sind/ die das Kraut gebraucht haben/ nach
Jnhalt der alten Ordnung/ die sich in ihrer Na-
tur gar erneuert und in solche Gesundheit kom-
men/ daß den humorischen Aertzten unmöglich
gewesen/ und gar nicht öffentlich/ (dieweil sie
nichts bewiesen mit den Wercken/ allein mit der
Zungen) und haben eingenommen täglich alle
morgen/ biß auff das siebenzigste Jahr ein halb
Quintlein/ darnach von den 70sten biß auff das
80ste/ und am 6. Tage ein gantz Quintlein. Es
sollen sich die vermeynte Aertzte nicht verwun-
dern/ daß die Natur mehr ist denn ihre Kunst/
was ist denen natürlichen Oertern gleich? Der
die nicht weiß/ der hat keine Kunst/ mehr ist in
diesem Kraut/ Tugend und Krafft/ dann in al-
len Scribenten/ die auff den hohen Schulen ge-
lesen werden/ zum langen Leben nie geschrieben
haben.

Phil.

Seelen- Weißheit.
giren/ clyſtiren/ ſyrupiſiren ꝛc. haben ſich unter-
ſtanden in einem Tage zu thun ſo viel als die
Blaͤtter in 20. oder 30. dardurch iſt nun das
Kraut in Verachtung kommen/ und auß dem
Sinne geſchlagen/ und alle Gedancken in das
purgiren/ clyſtiren ꝛc. geſetzet.

Das iſt aber bey meiner Zeit mir eingedenck/
daß von vielen Perſonen iſt gebraucht worden/
die gar fluͤſſig/ rotzig/ arbeit-und blaterſelig gewe-
ſen ſind/ die das Kraut gebraucht haben/ nach
Jnhalt der alten Ordnung/ die ſich in ihrer Na-
tur gar erneuert und in ſolche Geſundheit kom-
men/ daß den humoriſchen Aertzten unmoͤglich
geweſen/ und gar nicht oͤffentlich/ (dieweil ſie
nichts bewieſen mit den Wercken/ allein mit der
Zungen) und haben eingenommen taͤglich alle
morgen/ biß auff das ſiebenzigſte Jahr ein halb
Quintlein/ darnach von den 70ſten biß auff das
80ſte/ und am 6. Tage ein gantz Quintlein. Es
ſollen ſich die vermeynte Aertzte nicht verwun-
dern/ daß die Natur mehr iſt denn ihre Kunſt/
was iſt denen natuͤrlichen Oertern gleich? Der
die nicht weiß/ der hat keine Kunſt/ mehr iſt in
dieſem Kraut/ Tugend und Krafft/ dann in al-
len Scribenten/ die auff den hohen Schulen ge-
leſen werden/ zum langen Leben nie geſchrieben
haben.

Phil.
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[235/0293] Seelen- Weißheit. giren/ clyſtiren/ ſyrupiſiren ꝛc. haben ſich unter- ſtanden in einem Tage zu thun ſo viel als die Blaͤtter in 20. oder 30. dardurch iſt nun das Kraut in Verachtung kommen/ und auß dem Sinne geſchlagen/ und alle Gedancken in das purgiren/ clyſtiren ꝛc. geſetzet. Das iſt aber bey meiner Zeit mir eingedenck/ daß von vielen Perſonen iſt gebraucht worden/ die gar fluͤſſig/ rotzig/ arbeit-und blaterſelig gewe- ſen ſind/ die das Kraut gebraucht haben/ nach Jnhalt der alten Ordnung/ die ſich in ihrer Na- tur gar erneuert und in ſolche Geſundheit kom- men/ daß den humoriſchen Aertzten unmoͤglich geweſen/ und gar nicht oͤffentlich/ (dieweil ſie nichts bewieſen mit den Wercken/ allein mit der Zungen) und haben eingenommen taͤglich alle morgen/ biß auff das ſiebenzigſte Jahr ein halb Quintlein/ darnach von den 70ſten biß auff das 80ſte/ und am 6. Tage ein gantz Quintlein. Es ſollen ſich die vermeynte Aertzte nicht verwun- dern/ daß die Natur mehr iſt denn ihre Kunſt/ was iſt denen natuͤrlichen Oertern gleich? Der die nicht weiß/ der hat keine Kunſt/ mehr iſt in dieſem Kraut/ Tugend und Krafft/ dann in al- len Scribenten/ die auff den hohen Schulen ge- leſen werden/ zum langen Leben nie geſchrieben haben. Phil.

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Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/293>, abgerufen am 08.05.2024.