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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Seelen-Weißheit.
her aus Liebe zum Besitzen und Gewalt/ dannen-
hero einer dem andern das Seinige nimmt.

65. Phil. Was ist die göttliche Beständigkeit?

Psych. Dieweil GOtt die erste Ursach und An-
fang aller Sachen/ nemlich der gantzen Natur ist/
solche aber so viel tausend Jahr/ so in Elementen
und Sternen/ als in den geringsten Kräutlein o-
der Würmlein unveränderlich beständig gehet/ so
muß nothwendig folgen/ die erste Ursach aller Ur-
sachen muß beständig/ unveränderlich und ewig
während seyn.

66. Phil. Weil/ wie du sagst/ alle Elementen und Ster-
ne/ Kräutlein und Würmlein so beständig ihre Ord-
nung halten/ warum hält dann der Mensch allein so
wenig Ordnung/ also/ daß er unbeständiger als
alles ist/ gibt denn GOtt auf ihn allein
keine Achtung?

Psych. Was des Menschen Leib anbelanget/ so
wird derselbe in Mutterleibe so künstlich/ noch
eben also/ als wie von Anfang der Welt gebildet/
daß nichts daran mangelt/ und niemand solchen
ordentlicher bilden könte; ist also die göttliche
Ordnung hierinnen nicht anzuklagen. Die Seel
anbelangend/ so bleibt sie allezeit ein geistliches
Wesen/ so unzergänglich und unsterblich ist/ also
auch hierinnen die göttliche Ordnung nicht zu
tadlen. Das aber anbelangt das Gemüth/ die
Sinn und Vernunfft/ das ist veränderlich von
Anfang seiner Erschaffung gewesen/ und das rüh-

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C ij

Seelen-Weißheit.
her aus Liebe zum Beſitzen und Gewalt/ dannen-
hero einer dem andern das Seinige nimmt.

65. Phil. Was iſt die goͤttliche Beſtaͤndigkeit?

Pſych. Dieweil GOtt die erſte Urſach und An-
fang aller Sachen/ nemlich der gantzen Natur iſt/
ſolche aber ſo viel tauſend Jahr/ ſo in Elementen
und Sternen/ als in den geringſten Kraͤutlein o-
der Wuͤrmlein unveraͤnderlich beſtaͤndig gehet/ ſo
muß nothwendig folgen/ die erſte Urſach aller Ur-
ſachen muß beſtaͤndig/ unveraͤnderlich und ewig
waͤhrend ſeyn.

66. Phil. Weil/ wie du ſagſt/ alle Elementen und Ster-
ne/ Kraͤutlein und Wuͤrmlein ſo beſtaͤndig ihre Ord-
nung halten/ warum haͤlt dann der Menſch allein ſo
wenig Ordnung/ alſo/ daß er unbeſtaͤndiger als
alles iſt/ gibt denn GOtt auf ihn allein
keine Achtung?

Pſych. Was des Menſchen Leib anbelanget/ ſo
wird derſelbe in Mutterleibe ſo kuͤnſtlich/ noch
eben alſo/ als wie von Anfang der Welt gebildet/
daß nichts daran mangelt/ und niemand ſolchen
ordentlicher bilden koͤnte; iſt alſo die goͤttliche
Ordnung hierinnen nicht anzuklagen. Die Seel
anbelangend/ ſo bleibt ſie allezeit ein geiſtliches
Weſen/ ſo unzergaͤnglich und unſterblich iſt/ alſo
auch hieꝛinnen die goͤttliche Ordnung nicht zu
tadlen. Das aber anbelangt das Gemuͤth/ die
Sinn und Vernunfft/ das iſt veraͤnderlich von
Anfang ſeiner Erſchaffung geweſen/ und das ruͤh-

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[51/0109] Seelen-Weißheit. her aus Liebe zum Beſitzen und Gewalt/ dannen- hero einer dem andern das Seinige nimmt. 65. Phil. Was iſt die goͤttliche Beſtaͤndigkeit? Pſych. Dieweil GOtt die erſte Urſach und An- fang aller Sachen/ nemlich der gantzen Natur iſt/ ſolche aber ſo viel tauſend Jahr/ ſo in Elementen und Sternen/ als in den geringſten Kraͤutlein o- der Wuͤrmlein unveraͤnderlich beſtaͤndig gehet/ ſo muß nothwendig folgen/ die erſte Urſach aller Ur- ſachen muß beſtaͤndig/ unveraͤnderlich und ewig waͤhrend ſeyn. 66. Phil. Weil/ wie du ſagſt/ alle Elementen und Ster- ne/ Kraͤutlein und Wuͤrmlein ſo beſtaͤndig ihre Ord- nung halten/ warum haͤlt dann der Menſch allein ſo wenig Ordnung/ alſo/ daß er unbeſtaͤndiger als alles iſt/ gibt denn GOtt auf ihn allein keine Achtung? Pſych. Was des Menſchen Leib anbelanget/ ſo wird derſelbe in Mutterleibe ſo kuͤnſtlich/ noch eben alſo/ als wie von Anfang der Welt gebildet/ daß nichts daran mangelt/ und niemand ſolchen ordentlicher bilden koͤnte; iſt alſo die goͤttliche Ordnung hierinnen nicht anzuklagen. Die Seel anbelangend/ ſo bleibt ſie allezeit ein geiſtliches Weſen/ ſo unzergaͤnglich und unſterblich iſt/ alſo auch hieꝛinnen die goͤttliche Ordnung nicht zu tadlen. Das aber anbelangt das Gemuͤth/ die Sinn und Vernunfft/ das iſt veraͤnderlich von Anfang ſeiner Erſchaffung geweſen/ und das ruͤh- ret C ij

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Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/109>, abgerufen am 27.04.2024.