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Beatus, Georg: Amphitheatrvm Naturae, Schawplatz Menschlicher Herzlichkeit. Frankfurt, 1614.

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Was sie erstanden hat vor Gefahr /

Zu erzehlen begierig war /

Nach dem sie den Ort vnnd Baum ansicht /

(Die Farb deß baums sie also richt)

Zweiffelt/ ob es derselbig auch sey /

In dem sie zweiffelt schawet sie frey /

Dz blutig Erdreich jr glieder schreckt /

Jhr Füß sie wendet wider zu rück /

Erbleichet vnd erstarret gleich /

Dem Meer/ so es mit Wind bewegt /

Als sie aber jr Lieb erkannt /

Mit heller stimm jhr Arm vmbwandt /

Jr Har außreiffte jres Liebsten Leib

Geküsset/ vnd gedruckt vmbgreiff /

Die Wunden mit weynen ersetzet /

Das weynen mit Blut mischen thet /

Dem kalten Mundt viel Kuß gab /

Rieff laut/ O Pyrame wer hat

Genommen mir dich so jämmerlich /

Wer ist so grawsam vnd grewlich?

Antwort Pyrame/ Liebster mein /

Dir rufft Thysbe die Liebste dein /

Hör Pyrame/ richt auff dein gesicht /

Hör Pyrame/ solches zu mir richt /

Als Pyramus in todes Noth /

Den Namen Thysbe erhöret noch /

Sein schwere Augen er auffhub /

Sie anschawet/ bald ernider schlug /

Nach dem sie jren Schleyer erkennt /

Das Schwerdt auß der Scheiden entwendt /

Dein eigen Hand/ sagt sie zur stundt /

Dazu die Lieb hat dich verwundt /

Mein Hand/ darzu die Liebe mein /

Soll mir auch starck zum tode seyn /

Dem Todten ich verfolgen min /

Ein erbärmlich Vrsach ich bin.

Darzu auch ein Gesellin dein /

Deß Vnglücks vnd deß todes mein /

Der du ja in dem tode dein /

Von mir nit konst gescheiden seyn /

O jr Eltern mein/ O Eltern sein /

Gebetten/ erbarmet euch sein vnnd mein /

Daß welche ein grosse Liebe steht /

Die letzte Stundt zusammen gfüget het /

Ver günt/ daß sie ligen bey ein /

In einem Grab ohn falschen schein /

Aber Baum mit den Esten dein /

Der du jetzundt bedeckest ein /

Wirst bald bedecken beyder Leib /

Derhalben hab dir diß zum Reym /

Allezeit seyen die Früchte dein /

Zum trawren dienlich vnd im schein /

Ein Monument zweyfaches Blut /

Also sagt sie/ vnd nam ohn gut /

Das Schwert/ so noch vom Stich war warm /

Stach in die Brust vnter den Arm /

Die Gelübd die Götter rührten an /

Deßgleichen die Eltern ermahnt /

Dann wann derselb Apffel wirt reiff /

Die Farb jhn als dann schwartz bekleidt /

Was von dem Fewr ist vbrig /

In einem Gefäß beysammen ligt /

Historia de Pyramo & Thysbe ex Metamorph. Ouid. lib. 4. Fast. 4.

Pyramus vnnd Thysbe schön vnnd zart /

Mit Liebes Flamm vmbfangen /

Sie waren beyd von edler art /

Sie hatten groß verlangen /

Was sie erstanden hat vor Gefahr /

Zu erzehlen begierig war /

Nach dem sie den Ort vnnd Baum ansicht /

(Die Farb deß baums sie also richt)

Zweiffelt/ ob es derselbig auch sey /

In dem sie zweiffelt schawet sie frey /

Dz blutig Erdreich jr glieder schreckt /

Jhr Füß sie wendet wider zu rück /

Erbleichet vnd erstarret gleich /

Dem Meer/ so es mit Wind bewegt /

Als sie aber jr Lieb erkannt /

Mit heller stim̃ jhr Arm vmbwandt /

Jr Har außreiffte jres Liebsten Leib

Geküsset/ vnd gedruckt vmbgreiff /

Die Wunden mit weynen ersetzet /

Das weynen mit Blut mischen thet /

Dem kalten Mundt viel Kuß gab /

Rieff laut/ O Pyrame wer hat

Genommen mir dich so jäm̃erlich /

Wer ist so grawsam vnd grewlich?

Antwort Pyrame/ Liebster mein /

Dir rufft Thysbe die Liebste dein /

Hör Pyrame/ richt auff dein gesicht /

Hör Pyrame/ solches zu mir richt /

Als Pyramus in todes Noth /

Den Namen Thysbe erhöret noch /

Sein schwere Augen er auffhub /

Sie anschawet/ bald ernider schlug /

Nach dem sie jren Schleyer erkennt /

Das Schwerdt auß der Scheiden entwendt /

Dein eigen Hand/ sagt sie zur stundt /

Dazu die Lieb hat dich verwundt /

Mein Hand/ darzu die Liebe mein /

Soll mir auch starck zum tode seyn /

Dem Todten ich verfolgen min /

Ein erbärmlich Vrsach ich bin.

Darzu auch ein Gesellin dein /

Deß Vnglücks vnd deß todes mein /

Der du ja in dem tode dein /

Von mir nit konst gescheiden seyn /

O jr Eltern mein/ O Eltern sein /

Gebetten/ erbarmet euch sein vnnd mein /

Daß welche ein grosse Liebe steht /

Die letzte Stundt zusammen gfüget het /

Ver günt/ daß sie ligen bey ein /

In einem Grab ohn falschen schein /

Aber Baum mit den Esten dein /

Der du jetzundt bedeckest ein /

Wirst bald bedecken beyder Leib /

Derhalben hab dir diß zum Reym /

Allezeit seyen die Früchte dein /

Zum trawren dienlich vñ im schein /

Ein Monument zweyfaches Blut /

Also sagt sie/ vnd nam ohn gut /

Das Schwert/ so noch vom Stich war warm /

Stach in die Brust vnter den Arm /

Die Gelübd die Götter rührten an /

Deßgleichen die Eltern ermahnt /

Dann wann derselb Apffel wirt reiff /

Die Farb jhn als dann schwartz bekleidt /

Was von dem Fewr ist vbrig /

In einem Gefäß beysammen ligt /

Historia de Pyramo & Thysbe ex Metamorph. Ouid. lib. 4. Fast. 4.

Pyramus vnnd Thysbe schön vnnd zart /

Mit Liebes Flam̃ vmbfangen /

Sie waren beyd von edler art /

Sie hatten groß verlangen /

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        <p>Nach dem sie den Ort vnnd Baum ansicht /</p>
        <p>(Die Farb deß baums sie also richt)</p>
        <p>Zweiffelt/ ob es derselbig auch sey /</p>
        <p>In dem sie zweiffelt schawet sie frey /</p>
        <p>Dz blutig Erdreich jr glieder schreckt /</p>
        <p>Jhr Füß sie wendet wider zu rück /</p>
        <p>Erbleichet vnd erstarret gleich /</p>
        <p>Dem Meer/ so es mit Wind bewegt /</p>
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        <p>Mit heller stim&#x0303; jhr Arm vmbwandt /</p>
        <p>Jr Har außreiffte jres Liebsten Leib</p>
        <p>Geküsset/ vnd gedruckt vmbgreiff /</p>
        <p>Die Wunden mit weynen ersetzet /</p>
        <p>Das weynen mit Blut mischen thet /</p>
        <p>Dem kalten Mundt viel Kuß gab /</p>
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        <p>Wer ist so grawsam vnd grewlich?</p>
        <p>Antwort Pyrame/ Liebster mein /</p>
        <p>Dir rufft Thysbe die Liebste dein /</p>
        <p>Hör Pyrame/ richt auff dein gesicht /</p>
        <p>Hör Pyrame/ solches zu mir richt /</p>
        <p>Als Pyramus in todes Noth /</p>
        <p>Den Namen Thysbe erhöret noch /</p>
        <p>Sein schwere Augen er auffhub /</p>
        <p>Sie anschawet/ bald ernider schlug /</p>
        <p>Nach dem sie jren Schleyer erkennt /</p>
        <p>Das Schwerdt auß der Scheiden entwendt /</p>
        <p>Dein eigen Hand/ sagt sie zur stundt /</p>
        <p>Dazu die Lieb hat dich verwundt /</p>
        <p>Mein Hand/ darzu die Liebe mein /</p>
        <p>Soll mir auch starck zum tode seyn /</p>
        <p>Dem Todten ich verfolgen min /</p>
        <p>Ein erbärmlich Vrsach ich bin.</p>
        <p>Darzu auch ein Gesellin dein /</p>
        <p>Deß Vnglücks vnd deß todes mein /</p>
        <p>Der du ja in dem tode dein /</p>
        <p>Von mir nit konst gescheiden seyn /</p>
        <p>O jr Eltern mein/ O Eltern sein /</p>
        <p>Gebetten/ erbarmet euch sein vnnd mein /</p>
        <p>Daß welche ein grosse Liebe steht /</p>
        <p>Die letzte Stundt zusammen gfüget het /</p>
        <p>Ver günt/ daß sie ligen bey ein /</p>
        <p>In einem Grab ohn falschen schein /</p>
        <p>Aber Baum mit den Esten dein /</p>
        <p>Der du jetzundt bedeckest ein /</p>
        <p>Wirst bald bedecken beyder Leib /</p>
        <p>Derhalben hab dir diß zum Reym /</p>
        <p>Allezeit seyen die Früchte dein /</p>
        <p>Zum trawren dienlich vn&#x0303; im schein /</p>
        <p>Ein Monument zweyfaches Blut /</p>
        <p>Also sagt sie/ vnd nam ohn gut /</p>
        <p>Das Schwert/ so noch vom Stich war warm /</p>
        <p>Stach in die Brust vnter den Arm /</p>
        <p>Die Gelübd die Götter rührten an /</p>
        <p>Deßgleichen die Eltern ermahnt /</p>
        <p>Dann wann derselb Apffel wirt reiff /</p>
        <p>Die Farb jhn als dann schwartz bekleidt /</p>
        <p>Was von dem Fewr ist vbrig /</p>
        <p>In einem Gefäß beysammen ligt /</p>
        <p>Historia de Pyramo &amp; Thysbe ex Metamorph. Ouid. lib. 4. Fast. 4.</p>
        <p>Pyramus vnnd Thysbe schön vnnd zart /</p>
        <p>Mit Liebes Flam&#x0303; vmbfangen /</p>
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[536/0556] Was sie erstanden hat vor Gefahr / Zu erzehlen begierig war / Nach dem sie den Ort vnnd Baum ansicht / (Die Farb deß baums sie also richt) Zweiffelt/ ob es derselbig auch sey / In dem sie zweiffelt schawet sie frey / Dz blutig Erdreich jr glieder schreckt / Jhr Füß sie wendet wider zu rück / Erbleichet vnd erstarret gleich / Dem Meer/ so es mit Wind bewegt / Als sie aber jr Lieb erkannt / Mit heller stim̃ jhr Arm vmbwandt / Jr Har außreiffte jres Liebsten Leib Geküsset/ vnd gedruckt vmbgreiff / Die Wunden mit weynen ersetzet / Das weynen mit Blut mischen thet / Dem kalten Mundt viel Kuß gab / Rieff laut/ O Pyrame wer hat Genommen mir dich so jäm̃erlich / Wer ist so grawsam vnd grewlich? Antwort Pyrame/ Liebster mein / Dir rufft Thysbe die Liebste dein / Hör Pyrame/ richt auff dein gesicht / Hör Pyrame/ solches zu mir richt / Als Pyramus in todes Noth / Den Namen Thysbe erhöret noch / Sein schwere Augen er auffhub / Sie anschawet/ bald ernider schlug / Nach dem sie jren Schleyer erkennt / Das Schwerdt auß der Scheiden entwendt / Dein eigen Hand/ sagt sie zur stundt / Dazu die Lieb hat dich verwundt / Mein Hand/ darzu die Liebe mein / Soll mir auch starck zum tode seyn / Dem Todten ich verfolgen min / Ein erbärmlich Vrsach ich bin. Darzu auch ein Gesellin dein / Deß Vnglücks vnd deß todes mein / Der du ja in dem tode dein / Von mir nit konst gescheiden seyn / O jr Eltern mein/ O Eltern sein / Gebetten/ erbarmet euch sein vnnd mein / Daß welche ein grosse Liebe steht / Die letzte Stundt zusammen gfüget het / Ver günt/ daß sie ligen bey ein / In einem Grab ohn falschen schein / Aber Baum mit den Esten dein / Der du jetzundt bedeckest ein / Wirst bald bedecken beyder Leib / Derhalben hab dir diß zum Reym / Allezeit seyen die Früchte dein / Zum trawren dienlich vñ im schein / Ein Monument zweyfaches Blut / Also sagt sie/ vnd nam ohn gut / Das Schwert/ so noch vom Stich war warm / Stach in die Brust vnter den Arm / Die Gelübd die Götter rührten an / Deßgleichen die Eltern ermahnt / Dann wann derselb Apffel wirt reiff / Die Farb jhn als dann schwartz bekleidt / Was von dem Fewr ist vbrig / In einem Gefäß beysammen ligt / Historia de Pyramo & Thysbe ex Metamorph. Ouid. lib. 4. Fast. 4. Pyramus vnnd Thysbe schön vnnd zart / Mit Liebes Flam̃ vmbfangen / Sie waren beyd von edler art / Sie hatten groß verlangen /

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Zitationshilfe: Beatus, Georg: Amphitheatrvm Naturae, Schawplatz Menschlicher Herzlichkeit. Frankfurt, 1614, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beatus_amphitheatrum_1614/556>, abgerufen am 18.05.2024.