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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Mutterland allein allen Gewinn aus denselben zu ziehen und für
seine Producte einen vortheilhaften Absatz zu erhalten suchte. Die-
ses Aussaugungssystem, verbunden mit unerhörtem Schleichhandel
und ungeheuerem Verwaltungsaufwande ward so weit getrieben,
bis endlich Nordamerica den Befreiungskrieg begann und siegreich
vollendete. Dieses welthistorische Ereigniß machte zuerst darauf
aufmerksam, daß die Colonien ein sehr unsicherer Besitz sind, in-
dem mit der Zunahme der Bildung und Selbstständigkeit, mit dem
Gefühle des Beginnes einer Nationalität, und mit dem Steigen
des Reichthums der Drang nach Unabhängigkeit nothwendig in den
Colonisten von selbst entstehen muß; und dann zeigte dasselbe, daß
das Mutterland bei freiem Handel mit den Colonien und möglichst
selbstständiger Verfassung und Verwaltung derselben aus ihnen
einen weit größeren Vortheil bezieht, während es anderseits alle
Verwaltungskosten erspart. Hiernach hat sich nun die neuere Co-
lonialpolitik ganz zu ändern angefangen1).

IX. Der auswärtige Handel. Dieser Gewerbszweig ist
es, in welchen die Staaten von jeher am meisten fördernd und
hindernd eingegriffen haben. Die verschiedensten mercantilischen
Einrichtungen bestehen noch jetzt mit allen den künstlichen Richtun-
gen, welche sie in der ganzen Volksindustrie hervorgebracht haben.
Eine plötzliche Aufhebung derselben müßte die größte Verwirrung
und manchfaltiges Elend hervorrufen, weil eine Menge von ge-
schehener Arbeit und gemachten Capitalauslagen verloren gehen,
viele Capitalien aus Etablissements herausgezogen werden, eine
Menge von Unternehmern in Geschäfts-, und eine Unzahl von
Arbeitern in Brodlosigkeit gerathen müßten und überhaupt sämmt-
liche Preisverhältnisse sich verändern und Mißverhältnisse zwischen
Bedarf und Anschaffungsvermögen entstehen würden. So unver-
nünftig nun eine plötzliche Verwirklichung des Wunsches nach
Handelsfreiheit schon in dieser, und nebenbei erst noch in staats-
finanzieller Hinsicht sein würde, so sehr verlangt die Staatsklugheit,
nach den besondern Staatszuständen allmälig durch einen weisen
Mittelweg dem Ziele der Handelsfreiheit, das übrigens in unsern
Staaten nie verwirklicht werden wird, immer näher zu kommen.
Denn der freie Handel findet nicht blos diejenigen Zweige auf,
worin der einheimischen und ausländischen Bevölkerung der größte
Dienst geleistet wird, weil der Handelsmann sich durch die Nach-
frage nach Producten bestimmen läßt; sondern er weißt zugleich
der inländischen und ausländischen Gewerbsamkeit die natürlichsten
und vortheilhaftesten Anlagsarten für Arbeit und Capital am sicher-
sten und ungezwungensten an. Es bedürfen daher folgende Gegen-

Mutterland allein allen Gewinn aus denſelben zu ziehen und für
ſeine Producte einen vortheilhaften Abſatz zu erhalten ſuchte. Die-
ſes Ausſaugungsſyſtem, verbunden mit unerhörtem Schleichhandel
und ungeheuerem Verwaltungsaufwande ward ſo weit getrieben,
bis endlich Nordamerica den Befreiungskrieg begann und ſiegreich
vollendete. Dieſes welthiſtoriſche Ereigniß machte zuerſt darauf
aufmerkſam, daß die Colonien ein ſehr unſicherer Beſitz ſind, in-
dem mit der Zunahme der Bildung und Selbſtſtändigkeit, mit dem
Gefühle des Beginnes einer Nationalität, und mit dem Steigen
des Reichthums der Drang nach Unabhängigkeit nothwendig in den
Coloniſten von ſelbſt entſtehen muß; und dann zeigte daſſelbe, daß
das Mutterland bei freiem Handel mit den Colonien und möglichſt
ſelbſtſtändiger Verfaſſung und Verwaltung derſelben aus ihnen
einen weit größeren Vortheil bezieht, während es anderſeits alle
Verwaltungskoſten erſpart. Hiernach hat ſich nun die neuere Co-
lonialpolitik ganz zu ändern angefangen1).

IX. Der auswärtige Handel. Dieſer Gewerbszweig iſt
es, in welchen die Staaten von jeher am meiſten fördernd und
hindernd eingegriffen haben. Die verſchiedenſten mercantiliſchen
Einrichtungen beſtehen noch jetzt mit allen den künſtlichen Richtun-
gen, welche ſie in der ganzen Volksinduſtrie hervorgebracht haben.
Eine plötzliche Aufhebung derſelben müßte die größte Verwirrung
und manchfaltiges Elend hervorrufen, weil eine Menge von ge-
ſchehener Arbeit und gemachten Capitalauslagen verloren gehen,
viele Capitalien aus Etabliſſements herausgezogen werden, eine
Menge von Unternehmern in Geſchäfts-, und eine Unzahl von
Arbeitern in Brodloſigkeit gerathen müßten und überhaupt ſämmt-
liche Preisverhältniſſe ſich verändern und Mißverhältniſſe zwiſchen
Bedarf und Anſchaffungsvermögen entſtehen würden. So unver-
nünftig nun eine plötzliche Verwirklichung des Wunſches nach
Handelsfreiheit ſchon in dieſer, und nebenbei erſt noch in ſtaats-
finanzieller Hinſicht ſein würde, ſo ſehr verlangt die Staatsklugheit,
nach den beſondern Staatszuſtänden allmälig durch einen weiſen
Mittelweg dem Ziele der Handelsfreiheit, das übrigens in unſern
Staaten nie verwirklicht werden wird, immer näher zu kommen.
Denn der freie Handel findet nicht blos diejenigen Zweige auf,
worin der einheimiſchen und ausländiſchen Bevölkerung der größte
Dienſt geleiſtet wird, weil der Handelsmann ſich durch die Nach-
frage nach Producten beſtimmen läßt; ſondern er weißt zugleich
der inländiſchen und ausländiſchen Gewerbſamkeit die natürlichſten
und vortheilhafteſten Anlagsarten für Arbeit und Capital am ſicher-
ſten und ungezwungenſten an. Es bedürfen daher folgende Gegen-

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[682/0704] Mutterland allein allen Gewinn aus denſelben zu ziehen und für ſeine Producte einen vortheilhaften Abſatz zu erhalten ſuchte. Die- ſes Ausſaugungsſyſtem, verbunden mit unerhörtem Schleichhandel und ungeheuerem Verwaltungsaufwande ward ſo weit getrieben, bis endlich Nordamerica den Befreiungskrieg begann und ſiegreich vollendete. Dieſes welthiſtoriſche Ereigniß machte zuerſt darauf aufmerkſam, daß die Colonien ein ſehr unſicherer Beſitz ſind, in- dem mit der Zunahme der Bildung und Selbſtſtändigkeit, mit dem Gefühle des Beginnes einer Nationalität, und mit dem Steigen des Reichthums der Drang nach Unabhängigkeit nothwendig in den Coloniſten von ſelbſt entſtehen muß; und dann zeigte daſſelbe, daß das Mutterland bei freiem Handel mit den Colonien und möglichſt ſelbſtſtändiger Verfaſſung und Verwaltung derſelben aus ihnen einen weit größeren Vortheil bezieht, während es anderſeits alle Verwaltungskoſten erſpart. Hiernach hat ſich nun die neuere Co- lonialpolitik ganz zu ändern angefangen1). IX. Der auswärtige Handel. Dieſer Gewerbszweig iſt es, in welchen die Staaten von jeher am meiſten fördernd und hindernd eingegriffen haben. Die verſchiedenſten mercantiliſchen Einrichtungen beſtehen noch jetzt mit allen den künſtlichen Richtun- gen, welche ſie in der ganzen Volksinduſtrie hervorgebracht haben. Eine plötzliche Aufhebung derſelben müßte die größte Verwirrung und manchfaltiges Elend hervorrufen, weil eine Menge von ge- ſchehener Arbeit und gemachten Capitalauslagen verloren gehen, viele Capitalien aus Etabliſſements herausgezogen werden, eine Menge von Unternehmern in Geſchäfts-, und eine Unzahl von Arbeitern in Brodloſigkeit gerathen müßten und überhaupt ſämmt- liche Preisverhältniſſe ſich verändern und Mißverhältniſſe zwiſchen Bedarf und Anſchaffungsvermögen entſtehen würden. So unver- nünftig nun eine plötzliche Verwirklichung des Wunſches nach Handelsfreiheit ſchon in dieſer, und nebenbei erſt noch in ſtaats- finanzieller Hinſicht ſein würde, ſo ſehr verlangt die Staatsklugheit, nach den beſondern Staatszuſtänden allmälig durch einen weiſen Mittelweg dem Ziele der Handelsfreiheit, das übrigens in unſern Staaten nie verwirklicht werden wird, immer näher zu kommen. Denn der freie Handel findet nicht blos diejenigen Zweige auf, worin der einheimiſchen und ausländiſchen Bevölkerung der größte Dienſt geleiſtet wird, weil der Handelsmann ſich durch die Nach- frage nach Producten beſtimmen läßt; ſondern er weißt zugleich der inländiſchen und ausländiſchen Gewerbſamkeit die natürlichſten und vortheilhafteſten Anlagsarten für Arbeit und Capital am ſicher- ſten und ungezwungenſten an. Es bedürfen daher folgende Gegen-

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/704>, abgerufen am 24.11.2024.