Die Wichtigkeit der Landwirthschaft ist in politischer Hinsicht so anerkannt, daß es gar keiner besondern Ausführungen bedarf, ob der Staat verpflichtet sei, auf ihre Förderung dieselbe Aufmerk- samkeit wie auf die der andern Gewerbe zu verwenden. Die Landwirthschaftspflege1) ist einer der wichtigsten Gegenstände der Staatsgesetzgebung und Verwaltung. Die Gegenstände, worauf sich diese zu erstrecken hat, sind jene des Feld- und Gartenbaues und der Thierzucht. Was die beiden Ersteren betrifft, so unter- liegen der Staatssorge folgende verschiedene landwirthschaftliche Verhältnisse.
A.Die Urbarmachungen (§. 139.). Wenn die Bevöl- kerung zunimmt, erfolgt das Streben nach Urbarmachungen von selbst. Da nun außerdem dazu mehr oder weniger Capitalbesitz gehört, so werden sie auch nur im Verhältnisse des vorräthigen Capitals vorgenommen werden. Daher hat sich die Regirung sorg- sam vor directen Ermunterungen zu hüten. Kleine Urbarmachungen von Eigenthum erfolgen im Volke von selbst, aber große, welche viel Capital und organisirte Leitung erfordern, können und dürfen ohne Anzeige bei der Staatsbehörde und ohne deren Aufsicht nicht vollführt werden. Denn sie sind auf die Staatszustände vom er- folgreichsten Einflusse in Betreff des Klima, Gesundheitszustandes, der Bevölkerung und des wirthschaftlichen Wohlstandes2), und dürfen deßhalb nicht vom Privateigenthume abhängen, sondern die Eigenthümer großer nicht urbarer Strecken sind verpflichtet, ihr Eigenthum, wenn sie es nicht selbst urbar machen wollen, an die Anderen gegen volle Entschädigung abzutreten und die vom Staate revidirten Plane der Urbarmachung sind unter der Direction von Staatsbehörden vorzunehmen.
B.Die gutsherrlichen Verhältnisse. Freies erbliches Grundeigenthum ist das erste Beförderungsmittel des landwirth- schaftlichen Gewerbes (§. 409. 1. §. 208. 5.). Dieses zu bewirken, ist also ein Hauptmittel der Erhöhung des Wohlstandes und Pflicht des Staats. Allein mit ihr collidirt die Pflicht, zur Sicherung
Die Wichtigkeit der Landwirthſchaft iſt in politiſcher Hinſicht ſo anerkannt, daß es gar keiner beſondern Ausführungen bedarf, ob der Staat verpflichtet ſei, auf ihre Förderung dieſelbe Aufmerk- ſamkeit wie auf die der andern Gewerbe zu verwenden. Die Landwirthſchaftspflege1) iſt einer der wichtigſten Gegenſtände der Staatsgeſetzgebung und Verwaltung. Die Gegenſtände, worauf ſich dieſe zu erſtrecken hat, ſind jene des Feld- und Gartenbaues und der Thierzucht. Was die beiden Erſteren betrifft, ſo unter- liegen der Staatsſorge folgende verſchiedene landwirthſchaftliche Verhältniſſe.
A.Die Urbarmachungen (§. 139.). Wenn die Bevöl- kerung zunimmt, erfolgt das Streben nach Urbarmachungen von ſelbſt. Da nun außerdem dazu mehr oder weniger Capitalbeſitz gehört, ſo werden ſie auch nur im Verhältniſſe des vorräthigen Capitals vorgenommen werden. Daher hat ſich die Regirung ſorg- ſam vor directen Ermunterungen zu hüten. Kleine Urbarmachungen von Eigenthum erfolgen im Volke von ſelbſt, aber große, welche viel Capital und organiſirte Leitung erfordern, können und dürfen ohne Anzeige bei der Staatsbehörde und ohne deren Aufſicht nicht vollführt werden. Denn ſie ſind auf die Staatszuſtände vom er- folgreichſten Einfluſſe in Betreff des Klima, Geſundheitszuſtandes, der Bevölkerung und des wirthſchaftlichen Wohlſtandes2), und dürfen deßhalb nicht vom Privateigenthume abhängen, ſondern die Eigenthümer großer nicht urbarer Strecken ſind verpflichtet, ihr Eigenthum, wenn ſie es nicht ſelbſt urbar machen wollen, an die Anderen gegen volle Entſchädigung abzutreten und die vom Staate revidirten Plane der Urbarmachung ſind unter der Direction von Staatsbehörden vorzunehmen.
B.Die gutsherrlichen Verhältniſſe. Freies erbliches Grundeigenthum iſt das erſte Beförderungsmittel des landwirth- ſchaftlichen Gewerbes (§. 409. 1. §. 208. 5.). Dieſes zu bewirken, iſt alſo ein Hauptmittel der Erhöhung des Wohlſtandes und Pflicht des Staats. Allein mit ihr collidirt die Pflicht, zur Sicherung
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[658/0680]
Zweites Stück.
Der Landwirthſchaftsbetrieb.
Erſter Abſatz.
Der Feld- und Gartenbau.
§. 463.
A. Urbarmachungen. B. Gutsherrliche Verhältniſſe.
Die Wichtigkeit der Landwirthſchaft iſt in politiſcher Hinſicht
ſo anerkannt, daß es gar keiner beſondern Ausführungen bedarf,
ob der Staat verpflichtet ſei, auf ihre Förderung dieſelbe Aufmerk-
ſamkeit wie auf die der andern Gewerbe zu verwenden. Die
Landwirthſchaftspflege1) iſt einer der wichtigſten Gegenſtände
der Staatsgeſetzgebung und Verwaltung. Die Gegenſtände, worauf
ſich dieſe zu erſtrecken hat, ſind jene des Feld- und Gartenbaues
und der Thierzucht. Was die beiden Erſteren betrifft, ſo unter-
liegen der Staatsſorge folgende verſchiedene landwirthſchaftliche
Verhältniſſe.
A. Die Urbarmachungen (§. 139.). Wenn die Bevöl-
kerung zunimmt, erfolgt das Streben nach Urbarmachungen von
ſelbſt. Da nun außerdem dazu mehr oder weniger Capitalbeſitz
gehört, ſo werden ſie auch nur im Verhältniſſe des vorräthigen
Capitals vorgenommen werden. Daher hat ſich die Regirung ſorg-
ſam vor directen Ermunterungen zu hüten. Kleine Urbarmachungen
von Eigenthum erfolgen im Volke von ſelbſt, aber große, welche
viel Capital und organiſirte Leitung erfordern, können und dürfen
ohne Anzeige bei der Staatsbehörde und ohne deren Aufſicht nicht
vollführt werden. Denn ſie ſind auf die Staatszuſtände vom er-
folgreichſten Einfluſſe in Betreff des Klima, Geſundheitszuſtandes,
der Bevölkerung und des wirthſchaftlichen Wohlſtandes2), und
dürfen deßhalb nicht vom Privateigenthume abhängen, ſondern die
Eigenthümer großer nicht urbarer Strecken ſind verpflichtet, ihr
Eigenthum, wenn ſie es nicht ſelbſt urbar machen wollen, an die
Anderen gegen volle Entſchädigung abzutreten und die vom Staate
revidirten Plane der Urbarmachung ſind unter der Direction von
Staatsbehörden vorzunehmen.
B. Die gutsherrlichen Verhältniſſe. Freies erbliches
Grundeigenthum iſt das erſte Beförderungsmittel des landwirth-
ſchaftlichen Gewerbes (§. 409. 1. §. 208. 5.). Dieſes zu bewirken,
iſt alſo ein Hauptmittel der Erhöhung des Wohlſtandes und Pflicht
des Staats. Allein mit ihr collidirt die Pflicht, zur Sicherung
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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/680>, abgerufen am 24.11.2024.
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