zine in besondern Fällen und in Ländern, welche oft und leicht dem Mißwachse aus- gesetzt sind, allerdings Billigung verdienen. Rau polit. Oeconomie. II. §. 133. Mohl Polizeiw. I. 273. Lotz Handb. II. 323. Gioja Nuovo Prospetto. V. 127.
Dritter Absatz. Sorge für die Armen.
§. 460. 1) Ursachen und Verhütungsmittel der Armuth.
Weil die Armuth ein Mißverhältniß zwischen Einnahmen und Bedarf ist, so kann sie auch nur aus Gründen entstehen, welche jene unter diesen erniedrigen oder diesen über jene erhöhen1). Der Ausdruck arm wird aber im Leben so unbestimmt gebraucht, daß, wenn sich die Volks- und Staatssorge auf Alle erstrecken wollte, die so genannt werden, wohl kaum die Mittel zur Armen- unterstützung zusammenzubringen wären und gerade durch diese Letztere die Sorglosigkeit und der Müssiggang ebenso vermehrt als die allgemeine Sicherheit gefährdet würde. Man hat daher auch gegen die Armenversorgungsanstalten überhaupt dies schon einge- wendet, allein im Allgemeinen gewiß mit Unrecht, weil man dabei die Gründe und Grade der Armuth und die hiernach entsprechenden Anstalten unterscheiden muß. Blos Armuth und Mangel (§. 73.) gibt einen wahren Anspruch auf Unterstützung, diese aber muß sich nach den Gründen der Armuth richten. Die allerbetrübendsten Ursachen der Verarmung sind der Müssiggang, die Lasterhaftigkeit, die Verschwendung, wirthschaftliche Ungeschicklichkeit, leichtsinnige Verheirathung und Erzeugung unehelicher Kinder; denn hier rächt sich die Schuld am Thäter durch immer zunehmendes Verderbniß und Elend, und der Fluch geht auf die schuldlosen Kinder über. Weniger erschütternd für den Menschenfreund ist die Armuth, wenn sie den Menschen unverschuldet aus äußern Ursachen trifft, als da sind: Arbeitslosigkeit zufolge der unendlich vielen Ursachen von Gewerbsstockungen, Preis- und Gewerbsveränderungen (Krieg, Revolutionen, allgemeine Aufregung, Ländereiveränderungen, Ma- schinen, Geldverhältnisse), Verlust des Vermögens durch besondere oder allgemeine Unglücksfälle, Verlust von Unterstützung durch Auf- hebung von Klöstern, körperliche und geistige Untauglichkeit zur Arbeit, fehlerhafte Staatsmaaßregeln in der Leitung des Ge- werbswesens, erdrückende Abgaben, Gerichtswillkühr, schleppender Gang im gerichtlichen Verfahren, hohe Sporteln, Rücksichtslosig- keit gegen die Familien eingesperrter Verbrecher, Tyrannei u. dgl. mehr. Die auf der Hand liegenden Mittel zu Verhütung dieser
zine in beſondern Fällen und in Ländern, welche oft und leicht dem Mißwachſe aus- geſetzt ſind, allerdings Billigung verdienen. Rau polit. Oeconomie. II. §. 133. Mohl Polizeiw. I. 273. Lotz Handb. II. 323. Gioja Nuovo Prospetto. V. 127.
Dritter Abſatz. Sorge für die Armen.
§. 460. 1) Urſachen und Verhütungsmittel der Armuth.
Weil die Armuth ein Mißverhältniß zwiſchen Einnahmen und Bedarf iſt, ſo kann ſie auch nur aus Gründen entſtehen, welche jene unter dieſen erniedrigen oder dieſen über jene erhöhen1). Der Ausdruck arm wird aber im Leben ſo unbeſtimmt gebraucht, daß, wenn ſich die Volks- und Staatsſorge auf Alle erſtrecken wollte, die ſo genannt werden, wohl kaum die Mittel zur Armen- unterſtützung zuſammenzubringen wären und gerade durch dieſe Letztere die Sorgloſigkeit und der Müſſiggang ebenſo vermehrt als die allgemeine Sicherheit gefährdet würde. Man hat daher auch gegen die Armenverſorgungsanſtalten überhaupt dies ſchon einge- wendet, allein im Allgemeinen gewiß mit Unrecht, weil man dabei die Gründe und Grade der Armuth und die hiernach entſprechenden Anſtalten unterſcheiden muß. Blos Armuth und Mangel (§. 73.) gibt einen wahren Anſpruch auf Unterſtützung, dieſe aber muß ſich nach den Gründen der Armuth richten. Die allerbetrübendſten Urſachen der Verarmung ſind der Müſſiggang, die Laſterhaftigkeit, die Verſchwendung, wirthſchaftliche Ungeſchicklichkeit, leichtſinnige Verheirathung und Erzeugung unehelicher Kinder; denn hier rächt ſich die Schuld am Thäter durch immer zunehmendes Verderbniß und Elend, und der Fluch geht auf die ſchuldloſen Kinder über. Weniger erſchütternd für den Menſchenfreund iſt die Armuth, wenn ſie den Menſchen unverſchuldet aus äußern Urſachen trifft, als da ſind: Arbeitsloſigkeit zufolge der unendlich vielen Urſachen von Gewerbsſtockungen, Preis- und Gewerbsveränderungen (Krieg, Revolutionen, allgemeine Aufregung, Ländereiveränderungen, Ma- ſchinen, Geldverhältniſſe), Verluſt des Vermögens durch beſondere oder allgemeine Unglücksfälle, Verluſt von Unterſtützung durch Auf- hebung von Klöſtern, körperliche und geiſtige Untauglichkeit zur Arbeit, fehlerhafte Staatsmaaßregeln in der Leitung des Ge- werbsweſens, erdrückende Abgaben, Gerichtswillkühr, ſchleppender Gang im gerichtlichen Verfahren, hohe Sporteln, Rückſichtsloſig- keit gegen die Familien eingeſperrter Verbrecher, Tyrannei u. dgl. mehr. Die auf der Hand liegenden Mittel zu Verhütung dieſer
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zine in beſondern Fällen und in Ländern, welche oft und leicht dem Mißwachſe aus-
geſetzt ſind, allerdings Billigung verdienen. Rau polit. Oeconomie. II. §. 133.
Mohl Polizeiw. I. 273. Lotz Handb. II. 323. Gioja Nuovo Prospetto. V. 127.
Dritter Abſatz.
Sorge für die Armen.
§. 460.
1) Urſachen und Verhütungsmittel der Armuth.
Weil die Armuth ein Mißverhältniß zwiſchen Einnahmen und
Bedarf iſt, ſo kann ſie auch nur aus Gründen entſtehen, welche
jene unter dieſen erniedrigen oder dieſen über jene erhöhen1).
Der Ausdruck arm wird aber im Leben ſo unbeſtimmt gebraucht,
daß, wenn ſich die Volks- und Staatsſorge auf Alle erſtrecken
wollte, die ſo genannt werden, wohl kaum die Mittel zur Armen-
unterſtützung zuſammenzubringen wären und gerade durch dieſe
Letztere die Sorgloſigkeit und der Müſſiggang ebenſo vermehrt als
die allgemeine Sicherheit gefährdet würde. Man hat daher auch
gegen die Armenverſorgungsanſtalten überhaupt dies ſchon einge-
wendet, allein im Allgemeinen gewiß mit Unrecht, weil man dabei
die Gründe und Grade der Armuth und die hiernach entſprechenden
Anſtalten unterſcheiden muß. Blos Armuth und Mangel (§. 73.)
gibt einen wahren Anſpruch auf Unterſtützung, dieſe aber muß ſich
nach den Gründen der Armuth richten. Die allerbetrübendſten
Urſachen der Verarmung ſind der Müſſiggang, die Laſterhaftigkeit,
die Verſchwendung, wirthſchaftliche Ungeſchicklichkeit, leichtſinnige
Verheirathung und Erzeugung unehelicher Kinder; denn hier rächt
ſich die Schuld am Thäter durch immer zunehmendes Verderbniß
und Elend, und der Fluch geht auf die ſchuldloſen Kinder über.
Weniger erſchütternd für den Menſchenfreund iſt die Armuth, wenn
ſie den Menſchen unverſchuldet aus äußern Urſachen trifft, als da
ſind: Arbeitsloſigkeit zufolge der unendlich vielen Urſachen von
Gewerbsſtockungen, Preis- und Gewerbsveränderungen (Krieg,
Revolutionen, allgemeine Aufregung, Ländereiveränderungen, Ma-
ſchinen, Geldverhältniſſe), Verluſt des Vermögens durch beſondere
oder allgemeine Unglücksfälle, Verluſt von Unterſtützung durch Auf-
hebung von Klöſtern, körperliche und geiſtige Untauglichkeit zur
Arbeit, fehlerhafte Staatsmaaßregeln in der Leitung des Ge-
werbsweſens, erdrückende Abgaben, Gerichtswillkühr, ſchleppender
Gang im gerichtlichen Verfahren, hohe Sporteln, Rückſichtsloſig-
keit gegen die Familien eingeſperrter Verbrecher, Tyrannei u. dgl.
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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/673>, abgerufen am 24.11.2024.
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