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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Weg um das Vorgebirg der guten Hoffnung nach Ostindien wurde
entdeckt. Die ersehnten Goldgruben waren so auch der abendlän-
dischen Welt geöffnet und Asien mit Europa und dies mit America
verbunden.

1) Beweise dafür gibt das Schatzsammeln der Einzelnen, der Fürsten, Könige
und Regirungen, wovon die Geschichte erzählt. Bei den Griechen war sie so vor-
herrschend, daß sich Aristoteles Politic. Lib. I. 9. darüber lustig macht, indem er
die Verkehrtheit davon zeigt. Bei den Römern war schon in der Republik (Cicero
pro Flacco cap. 28.)
und später unter den Kaisern (Plinius hist. natur. lib. XII.
cap. 18.)
die Gold- und Silberausfuhr verboten. Von den andern genannten Völ-
kern zeigt es der Handelsgang und das Colonialsystem.
2) Die Entdeckung Spaniens ist eine Parallelstelle in der Geschichte mit jener
von America; durch Alexanders Eroberungen ward der Strom der edeln Metalle
aus dem Oriente nach dem Occidente eröffnet, und die Römer brachten unermeßliche
Gold- und Silberschätze aus dem Oriente. Als Völkerzüge bilden sie eine Parallele
zu den Kreutzzügen.
3) Wie viel ging bei dem Einstürzen der Barbaren nicht durch Zerstörung und
Vergraben verloren.
4) Man s. die historische Einleitung oben von §. 7. an.
§. 397.
Systeme.

Auf die beschriebene Art bereitete sich ein System der Staats-
und Volkswirthschaft vor, welches in der Entdeckung des Weges
um das Vorgebirge der guten Hoffnung eher einen Todesstoß, als
ein neues Lebenselement hätte erlangen sollen, wenn die Gemüther
und Geister nicht zu sehr schon aus den andern Ursachen in seinen
einzelnen Grundsätzen befangen gewesen wären1). Dieses System
ist 1) das Handels- oder Mercantilsystem. Es betrachtet
das Geld, Gold und Silber als den wahren Reichthum2) und
bezieht hierauf alle Maximen und Anstalten für die Förderung des
wirthschaftlichen Wohlstandes der Staaten und Völker, weßhalb es
auch den Dingen blos einen Werth beilegt, insoferne und im Verhält-
nisse, als sie Geld eintragen. Die nächste politische Folgerung hier-
aus, daß also alle bürgerlichen Gewerbe, welche Gold und Silber
hervor- und ins Land bringen3), das Land bereicherten, bewirkte eine
künstliche Leitung und mißleitende Verkünstelung der gewerblichen
Verhältnisse der Völker sowie auch eine ganze Politik, wodurch Gewalt
und Privilegium an die Stelle des Rechts und der Gleichheit,
Geld an die Stelle der eigentlichen Mittel zur Befriedigung der
Bedürfnisse, außerordentliche Ungleichheit der Vertheilung des
Vermögens unter die Staatsangehörigen an die Stelle verhältniß-
mäßiger Ausgleichung, Handelsgeist und Mißtrauen an die Stelle
wahrer Sittlichkeit, Ehre und Zutrauens traten. In Frankreich

Weg um das Vorgebirg der guten Hoffnung nach Oſtindien wurde
entdeckt. Die erſehnten Goldgruben waren ſo auch der abendlän-
diſchen Welt geöffnet und Aſien mit Europa und dies mit America
verbunden.

1) Beweiſe dafür gibt das Schatzſammeln der Einzelnen, der Fürſten, Könige
und Regirungen, wovon die Geſchichte erzählt. Bei den Griechen war ſie ſo vor-
herrſchend, daß ſich Aristoteles Politic. Lib. I. 9. darüber luſtig macht, indem er
die Verkehrtheit davon zeigt. Bei den Römern war ſchon in der Republik (Cicero
pro Flacco cap. 28.)
und ſpäter unter den Kaiſern (Plinius hist. natur. lib. XII.
cap. 18.)
die Gold- und Silberausfuhr verboten. Von den andern genannten Völ-
kern zeigt es der Handelsgang und das Colonialſyſtem.
2) Die Entdeckung Spaniens iſt eine Parallelſtelle in der Geſchichte mit jener
von America; durch Alexanders Eroberungen ward der Strom der edeln Metalle
aus dem Oriente nach dem Occidente eröffnet, und die Römer brachten unermeßliche
Gold- und Silberſchätze aus dem Oriente. Als Völkerzüge bilden ſie eine Parallele
zu den Kreutzzügen.
3) Wie viel ging bei dem Einſtürzen der Barbaren nicht durch Zerſtörung und
Vergraben verloren.
4) Man ſ. die hiſtoriſche Einleitung oben von §. 7. an.
§. 397.
Syſteme.

Auf die beſchriebene Art bereitete ſich ein Syſtem der Staats-
und Volkswirthſchaft vor, welches in der Entdeckung des Weges
um das Vorgebirge der guten Hoffnung eher einen Todesſtoß, als
ein neues Lebenselement hätte erlangen ſollen, wenn die Gemüther
und Geiſter nicht zu ſehr ſchon aus den andern Urſachen in ſeinen
einzelnen Grundſätzen befangen geweſen wären1). Dieſes Syſtem
iſt 1) das Handels- oder Mercantilſyſtem. Es betrachtet
das Geld, Gold und Silber als den wahren Reichthum2) und
bezieht hierauf alle Maximen und Anſtalten für die Förderung des
wirthſchaftlichen Wohlſtandes der Staaten und Völker, weßhalb es
auch den Dingen blos einen Werth beilegt, inſoferne und im Verhält-
niſſe, als ſie Geld eintragen. Die nächſte politiſche Folgerung hier-
aus, daß alſo alle bürgerlichen Gewerbe, welche Gold und Silber
hervor- und ins Land bringen3), das Land bereicherten, bewirkte eine
künſtliche Leitung und mißleitende Verkünſtelung der gewerblichen
Verhältniſſe der Völker ſowie auch eine ganze Politik, wodurch Gewalt
und Privilegium an die Stelle des Rechts und der Gleichheit,
Geld an die Stelle der eigentlichen Mittel zur Befriedigung der
Bedürfniſſe, außerordentliche Ungleichheit der Vertheilung des
Vermögens unter die Staatsangehörigen an die Stelle verhältniß-
mäßiger Ausgleichung, Handelsgeiſt und Mißtrauen an die Stelle
wahrer Sittlichkeit, Ehre und Zutrauens traten. In Frankreich

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[539/0561] Weg um das Vorgebirg der guten Hoffnung nach Oſtindien wurde entdeckt. Die erſehnten Goldgruben waren ſo auch der abendlän- diſchen Welt geöffnet und Aſien mit Europa und dies mit America verbunden. ¹⁾ Beweiſe dafür gibt das Schatzſammeln der Einzelnen, der Fürſten, Könige und Regirungen, wovon die Geſchichte erzählt. Bei den Griechen war ſie ſo vor- herrſchend, daß ſich Aristoteles Politic. Lib. I. 9. darüber luſtig macht, indem er die Verkehrtheit davon zeigt. Bei den Römern war ſchon in der Republik (Cicero pro Flacco cap. 28.) und ſpäter unter den Kaiſern (Plinius hist. natur. lib. XII. cap. 18.) die Gold- und Silberausfuhr verboten. Von den andern genannten Völ- kern zeigt es der Handelsgang und das Colonialſyſtem. ²⁾ Die Entdeckung Spaniens iſt eine Parallelſtelle in der Geſchichte mit jener von America; durch Alexanders Eroberungen ward der Strom der edeln Metalle aus dem Oriente nach dem Occidente eröffnet, und die Römer brachten unermeßliche Gold- und Silberſchätze aus dem Oriente. Als Völkerzüge bilden ſie eine Parallele zu den Kreutzzügen. ³⁾ Wie viel ging bei dem Einſtürzen der Barbaren nicht durch Zerſtörung und Vergraben verloren. ⁴⁾ Man ſ. die hiſtoriſche Einleitung oben von §. 7. an. §. 397. Syſteme. Auf die beſchriebene Art bereitete ſich ein Syſtem der Staats- und Volkswirthſchaft vor, welches in der Entdeckung des Weges um das Vorgebirge der guten Hoffnung eher einen Todesſtoß, als ein neues Lebenselement hätte erlangen ſollen, wenn die Gemüther und Geiſter nicht zu ſehr ſchon aus den andern Urſachen in ſeinen einzelnen Grundſätzen befangen geweſen wären1). Dieſes Syſtem iſt 1) das Handels- oder Mercantilſyſtem. Es betrachtet das Geld, Gold und Silber als den wahren Reichthum2) und bezieht hierauf alle Maximen und Anſtalten für die Förderung des wirthſchaftlichen Wohlſtandes der Staaten und Völker, weßhalb es auch den Dingen blos einen Werth beilegt, inſoferne und im Verhält- niſſe, als ſie Geld eintragen. Die nächſte politiſche Folgerung hier- aus, daß alſo alle bürgerlichen Gewerbe, welche Gold und Silber hervor- und ins Land bringen3), das Land bereicherten, bewirkte eine künſtliche Leitung und mißleitende Verkünſtelung der gewerblichen Verhältniſſe der Völker ſowie auch eine ganze Politik, wodurch Gewalt und Privilegium an die Stelle des Rechts und der Gleichheit, Geld an die Stelle der eigentlichen Mittel zur Befriedigung der Bedürfniſſe, außerordentliche Ungleichheit der Vertheilung des Vermögens unter die Staatsangehörigen an die Stelle verhältniß- mäßiger Ausgleichung, Handelsgeiſt und Mißtrauen an die Stelle wahrer Sittlichkeit, Ehre und Zutrauens traten. In Frankreich

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/561>, abgerufen am 21.11.2024.