pba_722.001 Der Ausdruck derselben wäre das ästhetische Urteil, einfach pba_722.002 gegeben in der vollendeten, d. h. denkbar richtigsten und höchsten pba_722.003 Energie der Ästhesis gegenüber der am vorzüglichsten für pba_722.004 sie geeigneten Erscheinung.
pba_722.005 Daher hat Kant unrecht, zu behaupten, daß eine objektive pba_722.006 Bestimmung des Schönen unmöglich sei. Es gibt auch eine pba_722.007 objektive Gewähr der Richtigkeit des ästhetischen Urteils, daß ein pba_722.008 Ding schön sei, also allen so erscheinen müsse. Sie liegt pba_722.009 in der Feststellung der Beschaffenheit, die ein Ding oder Vorgang pba_722.010 haben muß, damit sie geeignet seien, der Ästhesis den vorzüglichsten pba_722.011 Anlaß zur Entfaltung ihrer höchsten Energie pba_722.012 zu gewähren.
pba_722.013 Diese Beschaffenheit läßt sich zu einem Teile mit vollster pba_722.014 Bestimmtheit feststellen, zum andern freilich nur aus der pba_722.015 Erfahrung bestimmen: die Grenze zwischen diesen beiden Teilen pba_722.016 ist bei den verschiedenen Künsten, je nach den Mitteln und pba_722.017 der Art und Weise ihrer Nachahmung eine verschiedenepba_722.018 und nur aus der Untersuchung ihrer Technik kennen zu lernen.
pba_722.019 Da die Gegenstände der Nachahmung immer dieselben pba_722.020 sind, Empfindungen, Gesinnungen, Handlungen, so wird pba_722.021 nach dieser Richtung auch immer eine fest bestimmte objektive pba_722.022 Kritik des Schönen durch die Vermögen des Verstandes und pba_722.023 der Vernunft nach ihrena priorigeltenden Gesetzen geübt pba_722.024 werden können.
pba_722.025 Jn der Poesie, deren Nachahmungsmittel das Wort ist, wird pba_722.026 die Grenze dieser Kritik daher am weitesten vorgerückt sein. pba_722.027 Schwerer sind die Nachahmungsmittel der Töne in ihrer harmonischenpba_722.028 und melodischen Anordnung, und der Rhythmen einer solchen pba_722.029 Kritik zu unterwerfen; doch sind auch hier bestimmte Gesetze erkennbar, pba_722.030 nach denen allgemeingültige Wirkungen dieser Art von Nachahmung sich pba_722.031 bestimmen lassen. Die griechische Musik besaß hierfür ein System fest pba_722.032 ausgebildeter Vorschriften. Dem Fortschreiten der ästhetischen Theorie pba_722.033 der modernen Musik ist nach dieser Seite hin noch ein weites Feld pba_722.034 offen. Noch weiter weicht die Grenze in dem Reiche der Formenpba_722.035 zurück, weil Formen und Farben nicht Nachahmungen psychischer pba_722.036 Bewegungen selbst, sondern im günstigsten Falle nur die Zeichen pba_722.037 derselben sein können, in andern nur durch Analogie und pba_722.038 Supposition als solche betrachtet werden.
pba_722.039 Es ist ein radikaler Fehler der Methode, die Kant in seiner Kritik pba_722.040 der Urteilskraft anwendet, durch den sich viele Jrrtümer derselben er-
pba_722.001 Der Ausdruck derselben wäre das ästhetische Urteil, einfach pba_722.002 gegeben in der vollendeten, d. h. denkbar richtigsten und höchsten pba_722.003 Energie der Ästhesis gegenüber der am vorzüglichsten für pba_722.004 sie geeigneten Erscheinung.
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pba_722.013 Diese Beschaffenheit läßt sich zu einem Teile mit vollster pba_722.014 Bestimmtheit feststellen, zum andern freilich nur aus der pba_722.015 Erfahrung bestimmen: die Grenze zwischen diesen beiden Teilen pba_722.016 ist bei den verschiedenen Künsten, je nach den Mitteln und pba_722.017 der Art und Weise ihrer Nachahmung eine verschiedenepba_722.018 und nur aus der Untersuchung ihrer Technik kennen zu lernen.
pba_722.019 Da die Gegenstände der Nachahmung immer dieselben pba_722.020 sind, Empfindungen, Gesinnungen, Handlungen, so wird pba_722.021 nach dieser Richtung auch immer eine fest bestimmte objektive pba_722.022 Kritik des Schönen durch die Vermögen des Verstandes und pba_722.023 der Vernunft nach ihrena priorigeltenden Gesetzen geübt pba_722.024 werden können.
pba_722.025 Jn der Poesie, deren Nachahmungsmittel das Wort ist, wird pba_722.026 die Grenze dieser Kritik daher am weitesten vorgerückt sein. pba_722.027 Schwerer sind die Nachahmungsmittel der Töne in ihrer harmonischenpba_722.028 und melodischen Anordnung, und der Rhythmen einer solchen pba_722.029 Kritik zu unterwerfen; doch sind auch hier bestimmte Gesetze erkennbar, pba_722.030 nach denen allgemeingültige Wirkungen dieser Art von Nachahmung sich pba_722.031 bestimmen lassen. Die griechische Musik besaß hierfür ein System fest pba_722.032 ausgebildeter Vorschriften. Dem Fortschreiten der ästhetischen Theorie pba_722.033 der modernen Musik ist nach dieser Seite hin noch ein weites Feld pba_722.034 offen. Noch weiter weicht die Grenze in dem Reiche der Formenpba_722.035 zurück, weil Formen und Farben nicht Nachahmungen psychischer pba_722.036 Bewegungen selbst, sondern im günstigsten Falle nur die Zeichen pba_722.037 derselben sein können, in andern nur durch Analogie und pba_722.038 Supposition als solche betrachtet werden.
pba_722.039 Es ist ein radikaler Fehler der Methode, die Kant in seiner Kritik pba_722.040 der Urteilskraft anwendet, durch den sich viele Jrrtümer derselben er-
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[722/0740]
pba_722.001
Der Ausdruck derselben wäre das ästhetische Urteil, einfach pba_722.002
gegeben in der vollendeten, d. h. denkbar richtigsten und höchsten pba_722.003
Energie der Ästhesis gegenüber der am vorzüglichsten für pba_722.004
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pba_722.005
Daher hat Kant unrecht, zu behaupten, daß eine objektive pba_722.006
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objektive Gewähr der Richtigkeit des ästhetischen Urteils, daß ein pba_722.008
Ding schön sei, also allen so erscheinen müsse. Sie liegt pba_722.009
in der Feststellung der Beschaffenheit, die ein Ding oder Vorgang pba_722.010
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pba_722.013
Diese Beschaffenheit läßt sich zu einem Teile mit vollster pba_722.014
Bestimmtheit feststellen, zum andern freilich nur aus der pba_722.015
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und nur aus der Untersuchung ihrer Technik kennen zu lernen.
pba_722.019
Da die Gegenstände der Nachahmung immer dieselben pba_722.020
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nach dieser Richtung auch immer eine fest bestimmte objektive pba_722.022
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pba_722.039
Es ist ein radikaler Fehler der Methode, die Kant in seiner Kritik pba_722.040
der Urteilskraft anwendet, durch den sich viele Jrrtümer derselben er-
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 722. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/740>, abgerufen am 22.11.2024.
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