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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Diesem Chor nun gibt Prometheus den Bericht über die Ursache pba_569.002
seines Leidens, welches Vergehen es sei, das von Zeus so über alle pba_569.003
Gebühr gestraft werde. Natürlich ist nach seiner eigenen Meinung seine pba_569.004
Handlungsweise gerechtfertigt, nicht strafbar. So erzählt er denn, daß pba_569.005
Zeus, sobald er nur den Thron des Vaters, zu dem ihm Prometheus pba_569.006
verholfen, eingenommen, die Herrschaft der Welt unter die Götter verteilt pba_569.007
habe, der unseligen Sterblichen aber habe er nicht geachtet, pba_569.008
sondern er habe das ganze Geschlecht zu Grunde gehen pba_569.009
lassen, ein anderes neues an seine Stelle setzen wollen. Da pba_569.010
sei keiner der Himmlischen ihm entgegengetreten,
nur er, pba_569.011
Prometheus, habe es gewagt. Durch ihn seien die Menschen vor der pba_569.012
Vernichtung bewahrt! Dafür, für sein Mitleid mit ihnen, treffe ihn nun pba_569.013
mitleidslos die schmachvolle, unbarmherzige Strafe. Wie verträgt es pba_569.014
sich mit dieser Erzählung, daß Prometheus später selbst den Okeanos pba_569.015
den Genossen seiner That nennt, der "mit ihm alles gewagt pba_569.016
habe?
" Warum ferner hätte Zeus, der doch die Gewalt besitzt, pba_569.017
nachgegeben, da er doch in Wahrheit die Menschen nicht vertilgt? pba_569.018
Der Schicksalsspruch, den Prometheus von seiner Mutter Themis weiß, pba_569.019
daß ein Ehebund dem Zeus einst Verderben bringen werde, wenn er pba_569.020
nicht, gewarnt, ihn vermeide, spielt nicht, wie gemeint worden ist, hierbei pba_569.021
eine Rolle. Denn erstlich hat er an sich nichts mit den Menschen pba_569.022
zu thun, und sodann tritt dieses Motiv erst am Schlusse des Stücks in pba_569.023
Wirksamkeit, wo es sich um Aufhebung oder Verschärfung der Strafe pba_569.024
handelt; daß es für ihre Verhängung bestimmend gewesen sei, wird pba_569.025
nirgends mit einem Worte erwähnt. Es gibt nur eine Lösung dieser pba_569.026
Widersprüche, die aber ebenso einfach ist, als hinreichend, um nach allen pba_569.027
Seiten befriedigende Aufhellung zu verschaffen: Äschylus faßte den pba_569.028
Mythus so, daß jene Anklage des Prometheus, Zeus habe die Menschen pba_569.029
vertilgen wollen, nur die Übertreibung seines erzürnten Gemütes pba_569.030
ist, daß also die nach seiner Meinung unzulängliche Fürsorge pba_569.031
für seine Lieblinge ihm als gleichbedeutend mit ihrer pba_569.032
Vernichtung gilt.
Wie anders erscheint nun der ganze Kampf! Der pba_569.033
selbstherrliche Geist des klug vorausschauenden Verstandes, eine der alten, pba_569.034
gewaltigen Urkräfte, empört sich gegen das unerbittliche, eiserne pba_569.035
Gesetz langsam allmählicher Entwickelung,
welches Zeus' weise pba_569.036
Herrschaft den Menschen bestimmt, und welches jenem als hassenswürdig pba_569.037
grausamer Beschluß sie zu verderben gilt. Daß dem aber so sei, dafür pba_569.038
liegt das vollgültige Zeugnis in dem Anteil, den an diesem ganzen pba_569.039
Vorgange Äschylus dem Okeanos zugedichtet hat. Jn vollem Einverständnis pba_569.040
mit Zeus,
dem er fest vertraut, in Freundschaft ver-

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Diesem Chor nun gibt Prometheus den Bericht über die Ursache pba_569.002
seines Leidens, welches Vergehen es sei, das von Zeus so über alle pba_569.003
Gebühr gestraft werde. Natürlich ist nach seiner eigenen Meinung seine pba_569.004
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Zeus, sobald er nur den Thron des Vaters, zu dem ihm Prometheus pba_569.006
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Prometheus, habe es gewagt. Durch ihn seien die Menschen vor der pba_569.012
Vernichtung bewahrt! Dafür, für sein Mitleid mit ihnen, treffe ihn nun pba_569.013
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Wirksamkeit, wo es sich um Aufhebung oder Verschärfung der Strafe pba_569.024
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nirgends mit einem Worte erwähnt. Es gibt nur eine Lösung dieser pba_569.026
Widersprüche, die aber ebenso einfach ist, als hinreichend, um nach allen pba_569.027
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Mythus so, daß jene Anklage des Prometheus, Zeus habe die Menschen pba_569.029
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gewaltigen Urkräfte, empört sich gegen das unerbittliche, eiserne pba_569.035
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/587>, abgerufen am 22.11.2024.