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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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und des Zusammenhanges der Dinge geschöpften Begriffe zu setzen. pba_564.002
Hier steht obenan das Gesetz der "Ananke", das Gesetz eiserner, undurchbrechlicher pba_564.003
Naturnotwendigkeit, das keine Ausnahme leidet, pba_564.004
dem also die Götter und Zeus an ihrer Spitze ebenso unterworfen sein pba_564.005
müssen, wie jedes Ding und Wesen. Aber hierbei konnte und kann pba_564.006
die grübelnde Vernunft sich nicht beruhigen: die Frage verlangt Antwort, pba_564.007
woher dies Gesetz seinen Ursprung hat, wer über seinen Bestand pba_564.008
und seine Ausführung wacht, "wer das Steuer der Ananke führt". pba_564.009
Hier ist, wie nicht anders möglich, die Philosophie von jeher bei dem pba_564.010
"Jgnorabimus" angelangt, aber sie hat den Verzicht auf bestimmte Erkenntnis pba_564.011
verschieden ausgedrückt. Am liebsten begnügte sie sich, auf die im pba_564.012
sittlichen Volksbewußtsein lebendigen Vernunftideen zurückzugehen und pba_564.013
diese in abstrakter Fassung zu einer höchsten, letzten Jnstanz zu pba_564.014
formulieren, um sie so außerhalb der Jndividualität und Willkür göttlicher pba_564.015
Personen gestellt zu denken. Obenan steht hier die in der Vorstellung pba_564.016
der "wachsamen Erinnyen" verkörperte Forderung einer pba_564.017
jede Verletzung ihrer Majestät rächenden Gerechtigkeit, "Themis". Aber pba_564.018
darüber hinaus gibt es einen minder deutlich hervortretenden, dennoch pba_564.019
geahnten, hin und wieder auch erfaßbaren Zusammenhang im dichten pba_564.020
Gedränge der wechselnden Erscheinungen; es ist eine in der Organisation pba_564.021
des menschlichen Geistes begründete Forderung hier im Gegensatz zu pba_564.022
den in dem Lauf der Dinge sich häufenden, scheinbaren Widersprüchen pba_564.023
eine feste, unwandelbare Ordnung vorauszusetzen.1 Aber es ist ein pba_564.024
großer Unterschied, ob diese Ordnung in gläubigem Vertrauen fromm pba_564.025
empfunden, in von solchem Sinn geformten Bildern freudig angeschaut pba_564.026
wird, oder ob reiches Wissen und klares Erkennen sie aus dem Gewußten pba_564.027
und Erkannten durch analogisches Schlußverfahren folgert, oder pba_564.028
endlich ob an der Stelle des einen wie des andern die bloße Anerkennung pba_564.029
einer allem überlegenen Macht steht, die aber unergründlich pba_564.030
geheimnisvoll keinen Blick in das ewige Dunkel ihres Wesens gestattet: pba_564.031
"Verhängnis!"

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Nun ist es aber der Sinn des Redenden, der dem Worte seine pba_564.033
Prägung verleiht; ihre Neigung zum Bildlichen, Personifizierenden behielt pba_564.034
die griechische Sprache im Munde eines jeden, ob er nun diesem oder pba_564.035
jenem Standpunkte Ausdruck verlieh. Danach ist es klar, daß Bezeichnungen pba_564.036
wie die "Moiren", die "Pepromene", "Heimarmene",

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So bei Anaximander to khreon "das Notwendige"; bei Heraklit pba_564.038
die "Heimarmene", das festbestimmte Maß der ewig wechselnden Veränderungen; bei pba_564.039
den Pythagoräern die Zahl als Grundlage der kosmischen Harmonie.

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und des Zusammenhanges der Dinge geschöpften Begriffe zu setzen. pba_564.002
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Naturnotwendigkeit, das keine Ausnahme leidet, pba_564.004
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/582>, abgerufen am 22.11.2024.