pba_564.001 und des Zusammenhanges der Dinge geschöpften Begriffe zu setzen. pba_564.002 Hier steht obenan das Gesetz der "Ananke", das Gesetz eiserner, undurchbrechlicher pba_564.003 Naturnotwendigkeit, das keine Ausnahme leidet, pba_564.004 dem also die Götter und Zeus an ihrer Spitze ebenso unterworfen sein pba_564.005 müssen, wie jedes Ding und Wesen. Aber hierbei konnte und kann pba_564.006 die grübelnde Vernunft sich nicht beruhigen: die Frage verlangt Antwort, pba_564.007 woher dies Gesetz seinen Ursprung hat, wer über seinen Bestand pba_564.008 und seine Ausführung wacht, "wer das Steuer der Ananke führt". pba_564.009 Hier ist, wie nicht anders möglich, die Philosophie von jeher bei dem pba_564.010 "Jgnorabimus" angelangt, aber sie hat den Verzicht auf bestimmte Erkenntnis pba_564.011 verschieden ausgedrückt. Am liebsten begnügte sie sich, auf die im pba_564.012 sittlichen Volksbewußtsein lebendigen Vernunftideen zurückzugehen und pba_564.013 diese in abstrakter Fassung zu einer höchsten, letzten Jnstanz zu pba_564.014 formulieren, um sie so außerhalb der Jndividualität und Willkür göttlicher pba_564.015 Personen gestellt zu denken. Obenan steht hier die in der Vorstellung pba_564.016 der "wachsamen Erinnyen" verkörperte Forderung einer pba_564.017 jede Verletzung ihrer Majestät rächenden Gerechtigkeit, "Themis". Aber pba_564.018 darüber hinaus gibt es einen minder deutlich hervortretenden, dennoch pba_564.019 geahnten, hin und wieder auch erfaßbaren Zusammenhang im dichten pba_564.020 Gedränge der wechselnden Erscheinungen; es ist eine in der Organisation pba_564.021 des menschlichen Geistes begründete Forderung hier im Gegensatz zu pba_564.022 den in dem Lauf der Dinge sich häufenden, scheinbaren Widersprüchen pba_564.023 eine feste, unwandelbare Ordnung vorauszusetzen.1 Aber es ist ein pba_564.024 großer Unterschied, ob diese Ordnung in gläubigem Vertrauen fromm pba_564.025 empfunden, in von solchem Sinn geformten Bildern freudig angeschaut pba_564.026 wird, oder ob reiches Wissen und klares Erkennen sie aus dem Gewußten pba_564.027 und Erkannten durch analogisches Schlußverfahren folgert, oder pba_564.028 endlich ob an der Stelle des einen wie des andern die bloße Anerkennung pba_564.029 einer allem überlegenen Macht steht, die aber unergründlich pba_564.030 geheimnisvoll keinen Blick in das ewige Dunkel ihres Wesens gestattet: pba_564.031 "Verhängnis!"
pba_564.032 Nun ist es aber der Sinn des Redenden, der dem Worte seine pba_564.033 Prägung verleiht; ihre Neigung zum Bildlichen, Personifizierenden behielt pba_564.034 die griechische Sprache im Munde eines jeden, ob er nun diesem oder pba_564.035 jenem Standpunkte Ausdruck verlieh. Danach ist es klar, daß Bezeichnungen pba_564.036 wie die "Moiren", die "Pepromene", "Heimarmene",
1pba_564.037 So bei Anaximander to khreon "das Notwendige"; bei Heraklitpba_564.038 die "Heimarmene", das festbestimmte Maß der ewig wechselnden Veränderungen; bei pba_564.039 den Pythagoräern die Zahl als Grundlage der kosmischen Harmonie.
pba_564.001 und des Zusammenhanges der Dinge geschöpften Begriffe zu setzen. pba_564.002 Hier steht obenan das Gesetz der „Ananke“, das Gesetz eiserner, undurchbrechlicher pba_564.003 Naturnotwendigkeit, das keine Ausnahme leidet, pba_564.004 dem also die Götter und Zeus an ihrer Spitze ebenso unterworfen sein pba_564.005 müssen, wie jedes Ding und Wesen. Aber hierbei konnte und kann pba_564.006 die grübelnde Vernunft sich nicht beruhigen: die Frage verlangt Antwort, pba_564.007 woher dies Gesetz seinen Ursprung hat, wer über seinen Bestand pba_564.008 und seine Ausführung wacht, „wer das Steuer der Ananke führt“. pba_564.009 Hier ist, wie nicht anders möglich, die Philosophie von jeher bei dem pba_564.010 „Jgnorabimus“ angelangt, aber sie hat den Verzicht auf bestimmte Erkenntnis pba_564.011 verschieden ausgedrückt. Am liebsten begnügte sie sich, auf die im pba_564.012 sittlichen Volksbewußtsein lebendigen Vernunftideen zurückzugehen und pba_564.013 diese in abstrakter Fassung zu einer höchsten, letzten Jnstanz zu pba_564.014 formulieren, um sie so außerhalb der Jndividualität und Willkür göttlicher pba_564.015 Personen gestellt zu denken. Obenan steht hier die in der Vorstellung pba_564.016 der „wachsamen Erinnyen“ verkörperte Forderung einer pba_564.017 jede Verletzung ihrer Majestät rächenden Gerechtigkeit, „Themis“. Aber pba_564.018 darüber hinaus gibt es einen minder deutlich hervortretenden, dennoch pba_564.019 geahnten, hin und wieder auch erfaßbaren Zusammenhang im dichten pba_564.020 Gedränge der wechselnden Erscheinungen; es ist eine in der Organisation pba_564.021 des menschlichen Geistes begründete Forderung hier im Gegensatz zu pba_564.022 den in dem Lauf der Dinge sich häufenden, scheinbaren Widersprüchen pba_564.023 eine feste, unwandelbare Ordnung vorauszusetzen.1 Aber es ist ein pba_564.024 großer Unterschied, ob diese Ordnung in gläubigem Vertrauen fromm pba_564.025 empfunden, in von solchem Sinn geformten Bildern freudig angeschaut pba_564.026 wird, oder ob reiches Wissen und klares Erkennen sie aus dem Gewußten pba_564.027 und Erkannten durch analogisches Schlußverfahren folgert, oder pba_564.028 endlich ob an der Stelle des einen wie des andern die bloße Anerkennung pba_564.029 einer allem überlegenen Macht steht, die aber unergründlich pba_564.030 geheimnisvoll keinen Blick in das ewige Dunkel ihres Wesens gestattet: pba_564.031 „Verhängnis!“
pba_564.032 Nun ist es aber der Sinn des Redenden, der dem Worte seine pba_564.033 Prägung verleiht; ihre Neigung zum Bildlichen, Personifizierenden behielt pba_564.034 die griechische Sprache im Munde eines jeden, ob er nun diesem oder pba_564.035 jenem Standpunkte Ausdruck verlieh. Danach ist es klar, daß Bezeichnungen pba_564.036 wie die „Moiren“, die „Pepromene“, „Heimarmene“,
1pba_564.037 So bei Anaximander τὸ χρεών „das Notwendige“; bei Heraklitpba_564.038 die „Heimarmene“, das festbestimmte Maß der ewig wechselnden Veränderungen; bei pba_564.039 den Pythagoräern die Zahl als Grundlage der kosmischen Harmonie.
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Hier steht obenan das Gesetz der „Ananke“, das Gesetz eiserner, undurchbrechlicher pba_564.003
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sittlichen Volksbewußtsein lebendigen Vernunftideen zurückzugehen und pba_564.013
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Nun ist es aber der Sinn des Redenden, der dem Worte seine pba_564.033
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1 pba_564.037
So bei Anaximander τὸ χρεών „das Notwendige“; bei Heraklit pba_564.038
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den Pythagoräern die Zahl als Grundlage der kosmischen Harmonie.
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/582>, abgerufen am 22.11.2024.
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