pba_415.001 saintete de son ministere, et de se deshonorer aux yeux des autres pba_415.002 et aux siens, ou de s'immoler lui-meme dans ses passions, ses goauts, pba_415.003 sa fortune, sa naissance, sa femme et ses enfants. Überall findet pba_415.004 er die Kraft, die Wärme, die lebhafte Färbung dieser Gattung in den pba_415.005 süßen Rührungen, den starken Sensationen, den Thränen, den attendrissements pba_415.006 sur les malheurs de la vertu. Er wünscht, daß alle pba_415.007 nachahmenden Künste sich darin vereinen möchten, daß sie im Wetteifer pba_415.008 mit den Gesetzen uns zur Liebe der Tugend und zum Hasse des Lasters pba_415.009 bewegen möchten: pour nous faire aimer la vertu et hair le vice. pba_415.010 Weit mehr als die Darstellung leidenschaftlicher Jugendliebe empfiehlt pba_415.011 er den Malern, das Bild zweier blinder Ehegatten zu malen, die noch pba_415.012 im hohen Alter zu einander hingezogen, die Augen feucht von Thränen pba_415.013 der Zärtlichkeit sich die Hände drückten und noch am Rande des Grabes pba_415.014 ihre Liebkosungen austauschten.
pba_415.015 Aus alledem geht zunächst hervor, daß Diderot in den beiden pba_415.016 wesentlichsten Punkten sich wenig über den beschränkten Standpunkt der pba_415.017 alten Theorie erhebt: daß der Gegenstand der dramatischen Poesie die pba_415.018 Nachahmung der Natur und Wirklichkeit sei, und daß ihr Zweck darin pba_415.019 bestünde, auf die moralische Besserung der Zuschauer hinzuwirken. Die pba_415.020 wahrheitsgetreue Nachahmung ist ihm zugleich die Nachahmung des pba_415.021 Guten, da er ja die menschliche Natur als solche für gut erklärt; die pba_415.022 verite, die er verlangt, schließt also nach ihm im Grunde schon die pba_415.023 Forderung der vertu als des Gegenstandes der Darstellung ein: c'est pba_415.024 en allant au theatre, sagt er von den Zuschauern der "sittlichen" pba_415.025 (honnetes) und "ernsten" Stücke, qu'ils se sauveront de la compagnie pba_415.026 des mechants dont ils sont entoures; c'est la qu'ils trouveront ceux pba_415.027 avec lesquels ils aimeraient a vivre; c'est la qu'ils verront pba_415.028 l'espece humaine comme elle est, et qu'ils se reconcilieront pba_415.029 avec elle.
pba_415.030 Nun erhebt sich Diderot freilich insofern bedeutend über die pba_415.031 lediglich moralisierende Betrachtungsweise der dramatischen Dichtung -- pba_415.032 und darin liegt auch seine große reformatorische Wirksamkeit --, daß pba_415.033 er die direkt an die Zuschauer gerichtete moralische Belehrung, ja sogar pba_415.034 die direkt auf dieselben berechnete Wirkung strengstens verwirft. Alles pba_415.035 soll sich allein nach den Beziehungen der handelnden Personen untereinander pba_415.036 entwickeln, und nur die Wirkung der Ereignisse auf diese soll pba_415.037 der Dichter bei der Komposition seiner Handlung im Auge haben. Vor pba_415.038 allen anderen Gattungen soll das ernste Drama getreu der Natur folgen, pba_415.039 d. h. in Diderots Sinne, es soll einen Vorgang, der inhaltlich seinem pba_415.040 Gebiete angehört, genau so wiedergeben, wie er in der Wirklichkeit sich
pba_415.001 sainteté de son ministère, et de se déshonorer aux yeux des autres pba_415.002 et aux siens, ou de s'immoler lui-même dans ses passions, ses goûts, pba_415.003 sa fortune, sa naissance, sa femme et ses enfants. Überall findet pba_415.004 er die Kraft, die Wärme, die lebhafte Färbung dieser Gattung in den pba_415.005 süßen Rührungen, den starken Sensationen, den Thränen, den attendrissements pba_415.006 sur les malheurs de la vertu. Er wünscht, daß alle pba_415.007 nachahmenden Künste sich darin vereinen möchten, daß sie im Wetteifer pba_415.008 mit den Gesetzen uns zur Liebe der Tugend und zum Hasse des Lasters pba_415.009 bewegen möchten: pour nous faire aimer la vertu et haïr le vice. pba_415.010 Weit mehr als die Darstellung leidenschaftlicher Jugendliebe empfiehlt pba_415.011 er den Malern, das Bild zweier blinder Ehegatten zu malen, die noch pba_415.012 im hohen Alter zu einander hingezogen, die Augen feucht von Thränen pba_415.013 der Zärtlichkeit sich die Hände drückten und noch am Rande des Grabes pba_415.014 ihre Liebkosungen austauschten.
pba_415.015 Aus alledem geht zunächst hervor, daß Diderot in den beiden pba_415.016 wesentlichsten Punkten sich wenig über den beschränkten Standpunkt der pba_415.017 alten Theorie erhebt: daß der Gegenstand der dramatischen Poesie die pba_415.018 Nachahmung der Natur und Wirklichkeit sei, und daß ihr Zweck darin pba_415.019 bestünde, auf die moralische Besserung der Zuschauer hinzuwirken. Die pba_415.020 wahrheitsgetreue Nachahmung ist ihm zugleich die Nachahmung des pba_415.021 Guten, da er ja die menschliche Natur als solche für gut erklärt; die pba_415.022 vérité, die er verlangt, schließt also nach ihm im Grunde schon die pba_415.023 Forderung der vertu als des Gegenstandes der Darstellung ein: c'est pba_415.024 en allant au théâtre, sagt er von den Zuschauern der „sittlichen“ pba_415.025 (honnêtes) und „ernsten“ Stücke, qu'ils se sauveront de la compagnie pba_415.026 des méchants dont ils sont entourés; c'est là qu'ils trouveront ceux pba_415.027 avec lesquels ils aimeraient à vivre; c'est là qu'ils verront pba_415.028 l'espèce humaine comme elle est, et qu'ils se reconcilieront pba_415.029 avec elle.
pba_415.030 Nun erhebt sich Diderot freilich insofern bedeutend über die pba_415.031 lediglich moralisierende Betrachtungsweise der dramatischen Dichtung — pba_415.032 und darin liegt auch seine große reformatorische Wirksamkeit —, daß pba_415.033 er die direkt an die Zuschauer gerichtete moralische Belehrung, ja sogar pba_415.034 die direkt auf dieselben berechnete Wirkung strengstens verwirft. Alles pba_415.035 soll sich allein nach den Beziehungen der handelnden Personen untereinander pba_415.036 entwickeln, und nur die Wirkung der Ereignisse auf diese soll pba_415.037 der Dichter bei der Komposition seiner Handlung im Auge haben. Vor pba_415.038 allen anderen Gattungen soll das ernste Drama getreu der Natur folgen, pba_415.039 d. h. in Diderots Sinne, es soll einen Vorgang, der inhaltlich seinem pba_415.040 Gebiete angehört, genau so wiedergeben, wie er in der Wirklichkeit sich
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Aus alledem geht zunächst hervor, daß Diderot in den beiden pba_415.016
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Nun erhebt sich Diderot freilich insofern bedeutend über die pba_415.031
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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