pba_394.001 schweren Ernst des Schicksals auch nicht so weit aus den Augen, daß pba_394.002 es die Verkehrtheit im Handeln als solche zum Gegenstande der Lustempfindung pba_394.003 macht. Jndem es also weder das Eine noch das Andere pba_394.004 rein und um seiner selbst willen darstellt, erreicht es seine Vollendung,pba_394.005 wenn es beide Elemente zugleich in lebendiger Wechselwirkung pba_394.006 sich gegenseitig durchdringend vorführt, wobei sie, einander pba_394.007 wechselsweise herabmindernd und ausgleichend, ein Neues, Drittespba_394.008 hervorgehen lassen: die unmittelbare Erscheinung gesunden klaren pba_394.009 Empfindens und maßvoll richtiger Gemütshaltung, echter Phronesis, pba_394.010 daraus bestimmten rechten Handelns und glücklichen Gelingens. Diesepba_394.011 und ihr durch die Handlung bestimmtes Widerspiel ergeben als die pba_394.012 ästhetische Wirkung, auf welche das Schauspiel abzielt, die pba_394.013 Empfindungen der unmittelbaren Freude an der Darstellung pba_394.014 der Phronesis und des aus derselben bestimmten Handelnspba_394.015 und des gerechten Unwillens -- der Nemesis -- über ihre pba_394.016 Verletzungen, so zwar, daß beide Empfindungen wechselsweise pba_394.017 zu ihrer gegenseitigen, völligen Klärung zusammenwirken.
pba_394.018
pba_394.019 Jndem die Erregung dieser beiden Empfindungen und ihrer Katharsis pba_394.020 zum Zielpunkte für die Einrichtung und Durchführung der Handlung pba_394.021 genommen wird, ergeben sich daraus die Gesetze für die Technik dieser pba_394.022 dramatischen Gattung.
pba_394.023 Obenan stehen die negativen Bestimmungen, daß sowohl die Ausartung pba_394.024 in die Tragik als die in die Komik strengstens zu vermeiden pba_394.025 sind, weil beide durch die Entschiedenheit der durch sie erregten Affekte pba_394.026 die specifisch dieser Gattung entsprechenden Empfindungen verdrängen pba_394.027 würden. Schon das Vorwiegen starker Rührung ebenso wie das pba_394.028 Eindringen des Lächerlichen in den Körper der Haupthandlungpba_394.029 würde dem Zwecke (telos) des "Schauspiels" starken Eintrag thun, pba_394.030 während in den untergeordneten Nebenhandlungen beide ihre Stelle haben pba_394.031 und ihre wohlberechtigte Wirkung thun können.
pba_394.032 Für die Einrichtung der Handlung gilt als Hauptvorschrift, pba_394.033 daß eine ernste Schicksalsentscheidung ihren Kern zu bildenpba_394.034 habe, für deren Beschaffenheit aber, umgekehrt wie in der Tragödie, pba_394.035 nicht der Faktor der über den Menschen stehenden, allgewaltigen Fügung pba_394.036 maßgebend ist, sondern die, der Anlage und dem Verlaufe nach, pba_394.037 vielmehr als durchaus in den Bereich ihres Thuns und pba_394.038 Lassens, Erkennens und Verfehlens, ihrer Trefflichkeit pba_394.039 oder, sei es sittlichen, sei es intellektuellen, Verkehrtheitpba_394.040 gestellt erscheint. Hier zeigen sich also, in der Handlung sich nach allen
pba_394.001 schweren Ernst des Schicksals auch nicht so weit aus den Augen, daß pba_394.002 es die Verkehrtheit im Handeln als solche zum Gegenstande der Lustempfindung pba_394.003 macht. Jndem es also weder das Eine noch das Andere pba_394.004 rein und um seiner selbst willen darstellt, erreicht es seine Vollendung,pba_394.005 wenn es beide Elemente zugleich in lebendiger Wechselwirkung pba_394.006 sich gegenseitig durchdringend vorführt, wobei sie, einander pba_394.007 wechselsweise herabmindernd und ausgleichend, ein Neues, Drittespba_394.008 hervorgehen lassen: die unmittelbare Erscheinung gesunden klaren pba_394.009 Empfindens und maßvoll richtiger Gemütshaltung, echter Phronesis, pba_394.010 daraus bestimmten rechten Handelns und glücklichen Gelingens. Diesepba_394.011 und ihr durch die Handlung bestimmtes Widerspiel ergeben als die pba_394.012 ästhetische Wirkung, auf welche das Schauspiel abzielt, die pba_394.013 Empfindungen der unmittelbaren Freude an der Darstellung pba_394.014 der Phronesis und des aus derselben bestimmten Handelnspba_394.015 und des gerechten Unwillens — der Nemesis — über ihre pba_394.016 Verletzungen, so zwar, daß beide Empfindungen wechselsweise pba_394.017 zu ihrer gegenseitigen, völligen Klärung zusammenwirken.
pba_394.018
pba_394.019 Jndem die Erregung dieser beiden Empfindungen und ihrer Katharsis pba_394.020 zum Zielpunkte für die Einrichtung und Durchführung der Handlung pba_394.021 genommen wird, ergeben sich daraus die Gesetze für die Technik dieser pba_394.022 dramatischen Gattung.
pba_394.023 Obenan stehen die negativen Bestimmungen, daß sowohl die Ausartung pba_394.024 in die Tragik als die in die Komik strengstens zu vermeiden pba_394.025 sind, weil beide durch die Entschiedenheit der durch sie erregten Affekte pba_394.026 die specifisch dieser Gattung entsprechenden Empfindungen verdrängen pba_394.027 würden. Schon das Vorwiegen starker Rührung ebenso wie das pba_394.028 Eindringen des Lächerlichen in den Körper der Haupthandlungpba_394.029 würde dem Zwecke (τέλος) des „Schauspiels“ starken Eintrag thun, pba_394.030 während in den untergeordneten Nebenhandlungen beide ihre Stelle haben pba_394.031 und ihre wohlberechtigte Wirkung thun können.
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Jndem die Erregung dieser beiden Empfindungen und ihrer Katharsis pba_394.020
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/412>, abgerufen am 23.11.2024.
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