pba_349.001 und Gesinnungen, die Richtigkeit ihres Denkens und Meinens pba_349.002 die Handlung in diesem ruhigen Verlaufe erhält, wird pba_349.003 das Jdyll jene von ihm bezweckte Wirkung unmittelbaren reinen Wohlgefallens pba_349.004 erreichen.
pba_349.005 Alles, was zu solcher Darstellung erfordert wird, leistet das Epos. pba_349.006 Nicht gegenwärtiger, schnell zur Entscheidung fortschreitender Handlungsverlauf, pba_349.007 sondern weit angelegte, allmähliche, naturgemäße Entwickelung pba_349.008 wird dem Jdyll eigen sein; statt alles das auszuschließen, was nicht dem pba_349.009 entschiedenen Fortschreiten der Handlung dienstbar ist, wird es mit Vorliebe pba_349.010 gerade bei dem unscheinbaren Detail verweilen, aus dem die stille, pba_349.011 aber am Ende dennoch das Ganze entscheidend bestimmende, Bedeutung pba_349.012 des Alltäglichen, Stündlichen sich aufbaut; hier wird es mit breitest pba_349.013 ausgeführter Kleinmalerei an ihrer Quelle die Empfindungen, Gesinnungen pba_349.014 und Meinungen in möglichst vielseitigen Äußerungen zeigen, die pba_349.015 keineswegs allein dem gegenwärtig sich vollziehenden Fortschritte der pba_349.016 Handlung gelten, sondern zum mindestens ebenso großen Teile bestimmt pba_349.017 sind durch sich selbst zu interessieren; alle Arten von Retardationen, pba_349.018 Neben- und Zwischenhandlungen, vor allem das in heiterer Ungebundenheit pba_349.019 sich absichtslos bewegende Gespräch sind die dafür bereiten Mittel.1
pba_349.020 Aber wenn solche Charakterdarstellung und solche durch die inhaltliche pba_349.021 Vortrefflichkeit des Vorgeführten an sich selbst die Billigung gewinnende, pba_349.022 das Wohlgefallen erzeugende Darstellung von Empfindungen, pba_349.023 Gesinnungen und Meinungen scheinbar schon außerhalb der Handlungsnachahmung pba_349.024 steht, so bestehen in der That für die idyllische Dichtung pba_349.025 gerade hier die strengsten Gesetze, deren Grenzen sie nicht überschreiten pba_349.026 kann ohne ihr Wesen zu vernichten. Es gibt keine sicherere Unterscheidung pba_349.027 zwischen dem echten Jdyll und dem falschen als diese, daß das letztere pba_349.028 sich in die bloße Malerei von Pathos, Ethos und Dianoia verliert, pba_349.029 und daß die erzählte Handlung also nur als ein Notgerüst erscheint, pba_349.030 auf welchem die bunte Pracht schöner Empfindungen, edler Gesinnungen pba_349.031 und weiser Betrachtungen ausgehängt ist; während im echten Jdyll über pba_349.032 alles dieses das klare und ganz fest bestimmte Gesetz des Vollständigkeitsbegriffes pba_349.033 der Handlung entscheidet. Die Vollständigkeit pba_349.034 der idyllischen Handlung verlangt, wie aus dem Gesagten
1pba_349.035 Das alles trifft in Goethes "Hermann und Dorothea" im vollen Umfange pba_349.036 zu, obwohl die thatsächlich fortschreitende Handlung darin sich innerhalb weniger Stunden pba_349.037 abspielt. Jusofern wäre die Handlung dieses Jdylls für die dramatische Bearbeitung pba_349.038 so geeignet, wie die keines andern. Aber es gibt auch keines, das die Absurdität eines pba_349.039 solchen Gedankens mit derselben Evidenz hervortreten ließe.
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pba_349.020 Aber wenn solche Charakterdarstellung und solche durch die inhaltliche pba_349.021 Vortrefflichkeit des Vorgeführten an sich selbst die Billigung gewinnende, pba_349.022 das Wohlgefallen erzeugende Darstellung von Empfindungen, pba_349.023 Gesinnungen und Meinungen scheinbar schon außerhalb der Handlungsnachahmung pba_349.024 steht, so bestehen in der That für die idyllische Dichtung pba_349.025 gerade hier die strengsten Gesetze, deren Grenzen sie nicht überschreiten pba_349.026 kann ohne ihr Wesen zu vernichten. Es gibt keine sicherere Unterscheidung pba_349.027 zwischen dem echten Jdyll und dem falschen als diese, daß das letztere pba_349.028 sich in die bloße Malerei von Pathos, Ethos und Dianoia verliert, pba_349.029 und daß die erzählte Handlung also nur als ein Notgerüst erscheint, pba_349.030 auf welchem die bunte Pracht schöner Empfindungen, edler Gesinnungen pba_349.031 und weiser Betrachtungen ausgehängt ist; während im echten Jdyll über pba_349.032 alles dieses das klare und ganz fest bestimmte Gesetz des Vollständigkeitsbegriffes pba_349.033 der Handlung entscheidet. Die Vollständigkeit pba_349.034 der idyllischen Handlung verlangt, wie aus dem Gesagten
1pba_349.035 Das alles trifft in Goethes „Hermann und Dorothea“ im vollen Umfange pba_349.036 zu, obwohl die thatsächlich fortschreitende Handlung darin sich innerhalb weniger Stunden pba_349.037 abspielt. Jusofern wäre die Handlung dieses Jdylls für die dramatische Bearbeitung pba_349.038 so geeignet, wie die keines andern. Aber es gibt auch keines, das die Absurdität eines pba_349.039 solchen Gedankens mit derselben Evidenz hervortreten ließe.
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ausgeführter Kleinmalerei an ihrer Quelle die Empfindungen, Gesinnungen pba_349.014
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pba_349.020
Aber wenn solche Charakterdarstellung und solche durch die inhaltliche pba_349.021
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1 pba_349.035
Das alles trifft in Goethes „Hermann und Dorothea“ im vollen Umfange pba_349.036
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/367>, abgerufen am 25.11.2024.
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