pba_339.001 rufen kann, so taugen sie, für sich allein gedacht, auch für die pba_339.002 Nachahmung nicht, da sie an sich gar nichts Typisches, Gesetzmäßiges pba_339.003 einschließen und daher auch der Ueberzeugungskraft, der Glaubwürdigkeit pba_339.004 entbehren. Nur in einem Falle besitzen sie diese für die Nachahmung pba_339.005 unentbehrliche Eigenschaft, wenn nämlich die Natur des Handelnden so pba_339.006 begrenzt ist, daß er eben nur so und nicht anders handeln kann. Das pba_339.007 trifft im Grunde einzig und allein bei Kindern zu, bei denen in der pba_339.008 That noch die momentane Empfindung das Handeln bestimmt; dergleichen pba_339.009 Züge sind für die reine Lyrik verwendbar, deren Aufgabe ja die pba_339.010 Nachahmung von Empfindungen ist, und außerdem für die Satire, da pba_339.011 die darin sich darstellende Naivität vortrefflich geeignet ist, durch den pba_339.012 Kontrast die Fehlerhaftigkeit der etwa in Geltung stehenden entgegengesetzten pba_339.013 Sitte oder Handlungsweise augenfällig zu machen. Jn beiden pba_339.014 Fällen war die Handlung nicht um ihrer selbst willen nachgeahmt, sondern pba_339.015 als Darstellungsmittel einem fremden Zwecke dienstbar gemacht. pba_339.016 Ebenso hat die Einführung wilder Völkerschaften oder einfacher Naturmenschen pba_339.017 nur in diesen engen Grenzen ihre Geltung; dagegen ist sie, pba_339.018 wo es die Nachahmung von Handlungen um ihrer selbst willen gilt, pba_339.019 so oft und gern man sich ihrer bedient hat, entschieden zu verwerfen. pba_339.020 Seumes "Canadier" wird mit seinem "Seht, wir Wilden sind doch pba_339.021 bess're Menschen" bei niemandem Glauben finden, da wir gar keine Mittel pba_339.022 erhalten uns zu überzeugen, wie die Empfindung, aus der er handelt, pba_339.023 bei ihm zustande gekommen ist, vielmehr wissen, daß die entgegengesetzte pba_339.024 den Wilden die natürliche ist; endlich, selbst wenn wir die Erzählung pba_339.025 auf Treu und Glauben annehmen, keinen Grund haben, aus pba_339.026 solcher Anekdote einen verallgemeinernden Schluß zu ziehen. Ähnliche pba_339.027 Beispiele finden sich in Herders "Briefen zur Beförderung der Humanität"; pba_339.028 sie sind lehrreich, weil dasselbe, was von den schönen Empfindungen pba_339.029 und Thaten dieser edlen Canadier, Huronen und Jrokesen gilt, ganz pba_339.030 ebenso seine Anwendung auf die in so zahlreichen Gedichten gepriesene pba_339.031 Unschuld und Großherzigkeit findet, zu deren Trägern im Gegensatz zu pba_339.032 den verderbten Zöglingen der Kultur die einfachen "Kinder der Natur" pba_339.033 gemacht werden. Dergleichen wird nicht einmal als moralisches Beispiel pba_339.034 zu paränetischen Zwecken brauchbar sein, sondern weit eher verstimmend pba_339.035 als ermunternd wirken. Ästhetisch zu erfreuen, das wohlgefällige pba_339.036 Empfindungsurteil zu erzeugen, vermag die Nachahmung einer Handlung, pba_339.037 sei es durch Erzählung, sei es durch drastische Darstellung, nur, wenn pba_339.038 sie das Bild der Handlung so vollständig vorführt, daß sie im Jnnern pba_339.039 des Wahrnehmenden gewissermaßen sich wiederholt, also mehr leistet, als pba_339.040 selbst die Wirklichkeit, die sie uns meistens nur von außen zeigt. Dazu
pba_339.001 rufen kann, so taugen sie, für sich allein gedacht, auch für die pba_339.002 Nachahmung nicht, da sie an sich gar nichts Typisches, Gesetzmäßiges pba_339.003 einschließen und daher auch der Ueberzeugungskraft, der Glaubwürdigkeit pba_339.004 entbehren. Nur in einem Falle besitzen sie diese für die Nachahmung pba_339.005 unentbehrliche Eigenschaft, wenn nämlich die Natur des Handelnden so pba_339.006 begrenzt ist, daß er eben nur so und nicht anders handeln kann. Das pba_339.007 trifft im Grunde einzig und allein bei Kindern zu, bei denen in der pba_339.008 That noch die momentane Empfindung das Handeln bestimmt; dergleichen pba_339.009 Züge sind für die reine Lyrik verwendbar, deren Aufgabe ja die pba_339.010 Nachahmung von Empfindungen ist, und außerdem für die Satire, da pba_339.011 die darin sich darstellende Naivität vortrefflich geeignet ist, durch den pba_339.012 Kontrast die Fehlerhaftigkeit der etwa in Geltung stehenden entgegengesetzten pba_339.013 Sitte oder Handlungsweise augenfällig zu machen. Jn beiden pba_339.014 Fällen war die Handlung nicht um ihrer selbst willen nachgeahmt, sondern pba_339.015 als Darstellungsmittel einem fremden Zwecke dienstbar gemacht. pba_339.016 Ebenso hat die Einführung wilder Völkerschaften oder einfacher Naturmenschen pba_339.017 nur in diesen engen Grenzen ihre Geltung; dagegen ist sie, pba_339.018 wo es die Nachahmung von Handlungen um ihrer selbst willen gilt, pba_339.019 so oft und gern man sich ihrer bedient hat, entschieden zu verwerfen. pba_339.020 Seumes „Canadier“ wird mit seinem „Seht, wir Wilden sind doch pba_339.021 bess're Menschen“ bei niemandem Glauben finden, da wir gar keine Mittel pba_339.022 erhalten uns zu überzeugen, wie die Empfindung, aus der er handelt, pba_339.023 bei ihm zustande gekommen ist, vielmehr wissen, daß die entgegengesetzte pba_339.024 den Wilden die natürliche ist; endlich, selbst wenn wir die Erzählung pba_339.025 auf Treu und Glauben annehmen, keinen Grund haben, aus pba_339.026 solcher Anekdote einen verallgemeinernden Schluß zu ziehen. Ähnliche pba_339.027 Beispiele finden sich in Herders „Briefen zur Beförderung der Humanität“; pba_339.028 sie sind lehrreich, weil dasselbe, was von den schönen Empfindungen pba_339.029 und Thaten dieser edlen Canadier, Huronen und Jrokesen gilt, ganz pba_339.030 ebenso seine Anwendung auf die in so zahlreichen Gedichten gepriesene pba_339.031 Unschuld und Großherzigkeit findet, zu deren Trägern im Gegensatz zu pba_339.032 den verderbten Zöglingen der Kultur die einfachen „Kinder der Natur“ pba_339.033 gemacht werden. Dergleichen wird nicht einmal als moralisches Beispiel pba_339.034 zu paränetischen Zwecken brauchbar sein, sondern weit eher verstimmend pba_339.035 als ermunternd wirken. Ästhetisch zu erfreuen, das wohlgefällige pba_339.036 Empfindungsurteil zu erzeugen, vermag die Nachahmung einer Handlung, pba_339.037 sei es durch Erzählung, sei es durch drastische Darstellung, nur, wenn pba_339.038 sie das Bild der Handlung so vollständig vorführt, daß sie im Jnnern pba_339.039 des Wahrnehmenden gewissermaßen sich wiederholt, also mehr leistet, als pba_339.040 selbst die Wirklichkeit, die sie uns meistens nur von außen zeigt. Dazu
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bess're Menschen“ bei niemandem Glauben finden, da wir gar keine Mittel pba_339.022
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Unschuld und Großherzigkeit findet, zu deren Trägern im Gegensatz zu pba_339.032
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/357>, abgerufen am 24.11.2024.
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