Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_317.001 Er hätt' ein Auge treu und klug pba_317.004 pba_317.011Und wär auch liebevoll genug, pba_317.005 Zu schauen manches klar und rein, pba_317.006 Und wieder alles zu machen sein; pba_317.007 Hätt' auch eine Zunge, die sich ergoß pba_317.008 Und leicht und fein in Worte floß; pba_317.009 Des thäten die Musen sich erfreun, pba_317.010 Wollten ihn zum Meistersänger weihn. Dazu tritt nun die Gesinnungsweise, die hier erfordert wird, das pba_317.012 Da tritt herein ein junges Weib, pba_317.018 pba_317.029Mit voller Brust und rundem Leib; pba_317.019 Kräftig sie auf den Füßen steht, pba_317.020 Grad, edel vor sich hin sie geht, pba_317.021 Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwenzen, pba_317.022 Oder mit den Augen herum zu scharlenzen. pba_317.023 Sie trägt einen Maßstab in ihrer Hand, pba_317.024 Jhr Gürtel ist ein gülden Band, pba_317.025 Hätt' auf dem Haupt einen Kornähr-Kranz, pba_317.026 Jhr Auge war lichten Tages Glanz; pba_317.027 Man nennt sie thätig Ehrbarkeit, pba_317.028 Sonst auch Großmut, Rechtfertigkeit. Und nun die unübertreffliche Schilderung, wie solche Begabung und pba_317.030 pba_317.033 Die spricht: Jch habe dich auserlesen, pba_317.034
Vor vielen in diesem Weltwirrwesen, pba_317.035 Daß du sollst haben klare Sinnen, pba_317.036 Nichts Ungeschicklichs magst beginnen. pba_317.037 Wenn andre durcheinander rennen, pba_317.038 Sollst du's mit treuem Blick erkennen; pba_317.039 Wenn andre bärmlich sich beklagen, pba_317.040 Sollst schwankweis deine Sach' fürtragen; pba_317.041 Sollst halten über Ehr' und Recht, pba_317.042 Jn allem Ding sein schlicht und schlecht, pba_317.001 Er hätt' ein Auge treu und klug pba_317.004 pba_317.011Und wär auch liebevoll genug, pba_317.005 Zu schauen manches klar und rein, pba_317.006 Und wieder alles zu machen sein; pba_317.007 Hätt' auch eine Zunge, die sich ergoß pba_317.008 Und leicht und fein in Worte floß; pba_317.009 Des thäten die Musen sich erfreun, pba_317.010 Wollten ihn zum Meistersänger weihn. Dazu tritt nun die Gesinnungsweise, die hier erfordert wird, das pba_317.012 Da tritt herein ein junges Weib, pba_317.018 pba_317.029Mit voller Brust und rundem Leib; pba_317.019 Kräftig sie auf den Füßen steht, pba_317.020 Grad, edel vor sich hin sie geht, pba_317.021 Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwenzen, pba_317.022 Oder mit den Augen herum zu scharlenzen. pba_317.023 Sie trägt einen Maßstab in ihrer Hand, pba_317.024 Jhr Gürtel ist ein gülden Band, pba_317.025 Hätt' auf dem Haupt einen Kornähr-Kranz, pba_317.026 Jhr Auge war lichten Tages Glanz; pba_317.027 Man nennt sie thätig Ehrbarkeit, pba_317.028 Sonst auch Großmut, Rechtfertigkeit. Und nun die unübertreffliche Schilderung, wie solche Begabung und pba_317.030 pba_317.033 Die spricht: Jch habe dich auserlesen, pba_317.034
Vor vielen in diesem Weltwirrwesen, pba_317.035 Daß du sollst haben klare Sinnen, pba_317.036 Nichts Ungeschicklichs magst beginnen. pba_317.037 Wenn andre durcheinander rennen, pba_317.038 Sollst du's mit treuem Blick erkennen; pba_317.039 Wenn andre bärmlich sich beklagen, pba_317.040 Sollst schwankweis deine Sach' fürtragen; pba_317.041 Sollst halten über Ehr' und Recht, pba_317.042 Jn allem Ding sein schlicht und schlecht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0335" n="317"/><lb n="pba_317.001"/> Beruf nur in dem scharfen Auge für das Fehlerhafte und in der Fähigkeit <lb n="pba_317.002"/> es zu zeigen, also <hi rendition="#g">nur im Witze,</hi> erkennen:</p> <lb n="pba_317.003"/> <lg> <l>Er hätt' ein Auge <hi rendition="#g">treu und klug</hi></l> <lb n="pba_317.004"/> <l>Und wär auch <hi rendition="#g">liebevoll</hi> genug,</l> <lb n="pba_317.005"/> <l>Zu schauen manches <hi rendition="#g">klar und rein,</hi></l> <lb n="pba_317.006"/> <l>Und wieder alles zu machen sein;</l> <lb n="pba_317.007"/> <l>Hätt' auch eine Zunge, die sich ergoß</l> <lb n="pba_317.008"/> <l>Und leicht und fein in Worte floß;</l> <lb n="pba_317.009"/> <l>Des thäten die Musen sich erfreun,</l> <lb n="pba_317.010"/> <l>Wollten ihn zum Meistersänger weihn.</l> </lg> <lb n="pba_317.011"/> <p>Dazu tritt nun die Gesinnungsweise, die hier erfordert wird, das <lb n="pba_317.012"/> <hi rendition="#g">rechte Ethos,</hi> das den Grund dieser Darstellungsweise bilden muß. <lb n="pba_317.013"/> Kann es einen kräftigeren und edleren Gegensatz geben, als die Verkörperung, <lb n="pba_317.014"/> die Goethe diesem Ethos leiht, gegenüber der äußerlich <lb n="pba_317.015"/> glänzenden, innerlich morschen Frivolität, die so oft und immer wieder <lb n="pba_317.016"/> unter lautem Beifall sich an seine Stelle setzt?</p> <lb n="pba_317.017"/> <lg> <l>Da tritt herein ein junges Weib,</l> <lb n="pba_317.018"/> <l>Mit voller Brust und rundem Leib;</l> <lb n="pba_317.019"/> <l>Kräftig sie auf den Füßen steht,</l> <lb n="pba_317.020"/> <l>Grad, edel vor sich hin sie geht,</l> <lb n="pba_317.021"/> <l>Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwenzen,</l> <lb n="pba_317.022"/> <l>Oder mit den Augen herum zu scharlenzen.</l> <lb n="pba_317.023"/> <l>Sie trägt einen Maßstab in ihrer Hand,</l> <lb n="pba_317.024"/> <l>Jhr Gürtel ist ein gülden Band,</l> <lb n="pba_317.025"/> <l>Hätt' auf dem Haupt einen Kornähr-Kranz,</l> <lb n="pba_317.026"/> <l>Jhr Auge war lichten Tages Glanz;</l> <lb n="pba_317.027"/> <l>Man nennt sie thätig Ehrbarkeit,</l> <lb n="pba_317.028"/> <l>Sonst auch Großmut, Rechtfertigkeit.</l> </lg> <lb n="pba_317.029"/> <p>Und nun die unübertreffliche Schilderung, wie solche Begabung und <lb n="pba_317.030"/> Gesinnungsweise die Ausrüstung für die echte komische Dichtung bildet, <lb n="pba_317.031"/> in der Einweihung des Dichters durch diese Führerin zu seiner Bestimmung:</p> <lb n="pba_317.032"/> <lb n="pba_317.033"/> <lg> <l>Die spricht: Jch habe dich auserlesen,</l> <lb n="pba_317.034"/> <l>Vor vielen in diesem Weltwirrwesen,</l> <lb n="pba_317.035"/> <l>Daß du sollst haben klare Sinnen,</l> <lb n="pba_317.036"/> <l>Nichts Ungeschicklichs magst beginnen.</l> <lb n="pba_317.037"/> <l>Wenn andre durcheinander rennen,</l> <lb n="pba_317.038"/> <l>Sollst du's mit treuem Blick erkennen;</l> <lb n="pba_317.039"/> <l>Wenn andre bärmlich sich beklagen,</l> <lb n="pba_317.040"/> <l>Sollst schwankweis deine Sach' fürtragen;</l> <lb n="pba_317.041"/> <l>Sollst halten über Ehr' und Recht,</l> <lb n="pba_317.042"/> <l>Jn allem Ding sein schlicht und schlecht,</l> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [317/0335]
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Beruf nur in dem scharfen Auge für das Fehlerhafte und in der Fähigkeit pba_317.002
es zu zeigen, also nur im Witze, erkennen:
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Er hätt' ein Auge treu und klug pba_317.004
Und wär auch liebevoll genug, pba_317.005
Zu schauen manches klar und rein, pba_317.006
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Hätt' auch eine Zunge, die sich ergoß pba_317.008
Und leicht und fein in Worte floß; pba_317.009
Des thäten die Musen sich erfreun, pba_317.010
Wollten ihn zum Meistersänger weihn.
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Dazu tritt nun die Gesinnungsweise, die hier erfordert wird, das pba_317.012
rechte Ethos, das den Grund dieser Darstellungsweise bilden muß. pba_317.013
Kann es einen kräftigeren und edleren Gegensatz geben, als die Verkörperung, pba_317.014
die Goethe diesem Ethos leiht, gegenüber der äußerlich pba_317.015
glänzenden, innerlich morschen Frivolität, die so oft und immer wieder pba_317.016
unter lautem Beifall sich an seine Stelle setzt?
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Da tritt herein ein junges Weib, pba_317.018
Mit voller Brust und rundem Leib; pba_317.019
Kräftig sie auf den Füßen steht, pba_317.020
Grad, edel vor sich hin sie geht, pba_317.021
Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwenzen, pba_317.022
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Und nun die unübertreffliche Schilderung, wie solche Begabung und pba_317.030
Gesinnungsweise die Ausrüstung für die echte komische Dichtung bildet, pba_317.031
in der Einweihung des Dichters durch diese Führerin zu seiner Bestimmung:
pba_317.032
pba_317.033
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Sollst halten über Ehr' und Recht, pba_317.042
Jn allem Ding sein schlicht und schlecht,
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