pba_268.001 Pathos oder Ethos nicht mangelt, führt zu glücklichem Ausgang:pba_268.002 dies ist der Fall der komischen Handlung.
pba_268.003 Mitunter kann geschehen, daß es nur von dem Mischungsverhältnis pba_268.004 und der Behandlung von seiten des Dichters abhängt, ob die Handlung pba_268.005 tragischen oder komischen Charakter erhält: als zwei ebenso hervorragende pba_268.006 als bekannte Beispiele seien dafür aus dem in dieser Beziehung pba_268.007 eng verwandten dramatischen Gebiete des Euripides "Alcestis" und pba_268.008 Shakespeares "Kaufmann von Venedig" angeführt.
pba_268.009 Daraus lassen sich die Bestimmungen für die epischen Hauptgattungenpba_268.010 ableiten. Es sei zunächst das Jdyll und das heroische pba_268.011 Epos in Betracht gezogen, an späterer Stelle sodann das komische Epos.
pba_268.012
XVI.
pba_268.013 Handlungen, denen richtige Pathe und Ethe, d. h. also nach pba_268.014 dem uns geläufigen Sprachgebrauch ausgedrückt, gesunde Empfindungen pba_268.015 und gute Gesinnungen, zu Grunde liegen, mit glücklichem Ausgang,pba_268.016 richtig, d. h. wahrheitsgemäß, nachgeahmt, ergeben die idyllische pba_268.017 Gattung: sie erregt unmittelbares, reines Wohlgefallen, abgesetzt pba_268.018 und gehoben durch vorübergehende tragische Affekte -- pba_268.019 Mitleid oder Befürchtung -- oder ebenso durch Empfindungen des pba_268.020 Komischen. Alle Reflexion, moralische wie verständige, ist ganz pba_268.021 oder doch möglichst aus der idyllischen Darstellung auszuschließen, daher pba_268.022 ist ihr Charakter der des Naiven: dasselbe wird erreicht, indem entweder pba_268.023 die Handlung in der größtmöglichen Einfachheit der bedingenden pba_268.024 Lebensverhältnisse aufgebaut wird unter Personen, die auf niedriger oder pba_268.025 mittlerer Stufe der Bildung stehen, oder indem sie von Personen getragen pba_268.026 wird, denen die höchste Kultur zur Natur geworden ist. Goethes pba_268.027 "Hermann und Dorothea" vereinigt beides; bei seiner Jdee eines pba_268.028 "heroischen Jdylls" schwebte Schiller eine Handlung vor, die ganz pba_268.029 von der letzteren Art sein sollte. Es gibt keinen schlimmeren Jrrtum pba_268.030 für die Komposition des Jdylls als die Meinung, daß das Jdyll die pba_268.031 Alltäglichkeit des Lebens abzuschildern habe, daß die bloße Naturwahrheit pba_268.032 der Nachahmung von Scenen des in engem Kreise friedlich sich pba_268.033 vollziehenden Daseins seine Aufgabe sei: die idyllische Handlung ist in pba_268.034 reiner Gestalt ebenso ausnahmweise im Leben anzutreffen und bedarf in pba_268.035 der Dichtung ebenso der höchsten Kunst als die rein tragische. Die pba_268.036 Bedeutung und das Jnteresse der Handlung muß in dem unmittelbaren
pba_268.001 Pathos oder Ethos nicht mangelt, führt zu glücklichem Ausgang:pba_268.002 dies ist der Fall der komischen Handlung.
pba_268.003 Mitunter kann geschehen, daß es nur von dem Mischungsverhältnis pba_268.004 und der Behandlung von seiten des Dichters abhängt, ob die Handlung pba_268.005 tragischen oder komischen Charakter erhält: als zwei ebenso hervorragende pba_268.006 als bekannte Beispiele seien dafür aus dem in dieser Beziehung pba_268.007 eng verwandten dramatischen Gebiete des Euripides „Alcestis“ und pba_268.008 Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ angeführt.
pba_268.009 Daraus lassen sich die Bestimmungen für die epischen Hauptgattungenpba_268.010 ableiten. Es sei zunächst das Jdyll und das heroische pba_268.011 Epos in Betracht gezogen, an späterer Stelle sodann das komische Epos.
pba_268.012
XVI.
pba_268.013 Handlungen, denen richtige Pathe und Ethe, d. h. also nach pba_268.014 dem uns geläufigen Sprachgebrauch ausgedrückt, gesunde Empfindungen pba_268.015 und gute Gesinnungen, zu Grunde liegen, mit glücklichem Ausgang,pba_268.016 richtig, d. h. wahrheitsgemäß, nachgeahmt, ergeben die idyllische pba_268.017 Gattung: sie erregt unmittelbares, reines Wohlgefallen, abgesetzt pba_268.018 und gehoben durch vorübergehende tragische Affekte — pba_268.019 Mitleid oder Befürchtung — oder ebenso durch Empfindungen des pba_268.020 Komischen. Alle Reflexion, moralische wie verständige, ist ganz pba_268.021 oder doch möglichst aus der idyllischen Darstellung auszuschließen, daher pba_268.022 ist ihr Charakter der des Naiven: dasselbe wird erreicht, indem entweder pba_268.023 die Handlung in der größtmöglichen Einfachheit der bedingenden pba_268.024 Lebensverhältnisse aufgebaut wird unter Personen, die auf niedriger oder pba_268.025 mittlerer Stufe der Bildung stehen, oder indem sie von Personen getragen pba_268.026 wird, denen die höchste Kultur zur Natur geworden ist. Goethes pba_268.027 „Hermann und Dorothea“ vereinigt beides; bei seiner Jdee eines pba_268.028 „heroischen Jdylls“ schwebte Schiller eine Handlung vor, die ganz pba_268.029 von der letzteren Art sein sollte. Es gibt keinen schlimmeren Jrrtum pba_268.030 für die Komposition des Jdylls als die Meinung, daß das Jdyll die pba_268.031 Alltäglichkeit des Lebens abzuschildern habe, daß die bloße Naturwahrheit pba_268.032 der Nachahmung von Scenen des in engem Kreise friedlich sich pba_268.033 vollziehenden Daseins seine Aufgabe sei: die idyllische Handlung ist in pba_268.034 reiner Gestalt ebenso ausnahmweise im Leben anzutreffen und bedarf in pba_268.035 der Dichtung ebenso der höchsten Kunst als die rein tragische. Die pba_268.036 Bedeutung und das Jnteresse der Handlung muß in dem unmittelbaren
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/286>, abgerufen am 22.11.2024.
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