pba_243.001 herzuleiten sind, ist, daß das Lachen, sofern es die Kunst sich zum Zweck pba_243.002 setzt, ein freudiger Affekt ist, seiner Art und seinem Anlaß nach von pba_243.003 dem Lachen und dem Lächerlichen des gemeinen Lebens oft ebenso verschieden pba_243.004 wie das bloß Traurige und die entsprechenden niederdrückenden pba_243.005 Affekte von dem Tragischen und der läuternden und erhebenden Empfindung pba_243.006 desselben. Ganz in Übereinstimmung mit der Aristotelischen Kunstlehre, pba_243.007 die überall ein orthos khairein -- ein richtiges Freuen -- pba_243.008 als Kunstwirkung ins Auge faßt, verlangt Lessing von der komischen pba_243.009 Kunst, daß sie "richtiges Lachen" hervorbringe. Ein solches kann nur pba_243.010 aus dem richtigen Empfinden des Positiven und Negativen im Betragen pba_243.011 und Handeln hervorgehen und muß als solches mit Freude verbunden pba_243.012 sein. Nur derjenige, welcher das Positive im Betragen und Handeln pba_243.013 als solches richtig, also wohlgefällig, empfindet, wird ebenso mit Sicherheit, pba_243.014 unmittelbar und ohne kritische Überlegung das entgegengesetzte pba_243.015 Negative als Fehlerhaftes richtig empfinden, und diese Empfindung wird pba_243.016 von dem freudigen Affekt des Lachens begleitet sein. Umgekehrt wird pba_243.017 derjenige, welcher in solcher Weise das Fehlerhafte und Deforme als pba_243.018 Lächerliches richtig empfindet, ebenso auch für das Positive die sicher pba_243.019 und unmittelbar richtige, und zwar wohlgefällige Empfindung haben. pba_243.020 Die Affekte des Wohlgefallens und des Lachens stehen daher in pba_243.021 einer ganz ähnlichen reciproken Verbindung wie die der Furcht und des pba_243.022 Mitleids. Wo sie beide in der richtigen Weise auftreten, sind sie unauflöslich pba_243.023 aneinander geknüpft, der eine ist die notwendige Ergänzung pba_243.024 des andern; wo diese völlige Richtigkeit beider noch nicht erreicht ist, pba_243.025 dient in wirksamster Weise der eine dazu den andern zu klären und richtig pba_243.026 zu stellen. Je stärker das Wohlgefallen der richtigen Empfindung des pba_243.027 Positiven ist, desto deutlicher tritt das Negative als solches hervor und pba_243.028 erregt um so mehr den entsprechenden Affekt des Lachens; je kräftiger pba_243.029 umgekehrt das Fehlerhafte als solches mit richtigem Lachen empfunden pba_243.030 wird, desto untrüglicher und reiner gesellt sich demselben die rechte Freude pba_243.031 an dem entgegenstehenden Guten, Tüchtigen, Gesunden, Liebenswerten pba_243.032 als solchem hinzu. So sind die Affekte des Wohlgefallens und pba_243.033 des Lachens im vollen Maße geeignet ganz wie die des Mitleids pba_243.034 und der Furcht eine gegenseitige Katharsis zu wirken, pba_243.035 und zu solchem Endziel setzt die darstellende und erzählende pba_243.036 Kunst sie zum Zweck ihrer Wirkung.
pba_243.037 Auch darin sind diese komischen Affekte den tragischen gleich, daß, pba_243.038 wie sie in der richtigen Gestalt sich völlig durchdringen, so in falscher pba_243.039 Beschaffenheit sich beeinträchtigen, ja ausschließen. Wer an dem Falschen, pba_243.040 Fehlerhaften Wohlgefallen empfindet, ist für die Empfindung des Lächer-
pba_243.001 herzuleiten sind, ist, daß das Lachen, sofern es die Kunst sich zum Zweck pba_243.002 setzt, ein freudiger Affekt ist, seiner Art und seinem Anlaß nach von pba_243.003 dem Lachen und dem Lächerlichen des gemeinen Lebens oft ebenso verschieden pba_243.004 wie das bloß Traurige und die entsprechenden niederdrückenden pba_243.005 Affekte von dem Tragischen und der läuternden und erhebenden Empfindung pba_243.006 desselben. Ganz in Übereinstimmung mit der Aristotelischen Kunstlehre, pba_243.007 die überall ein ὀρθῶς χαίρειν — ein richtiges Freuen — pba_243.008 als Kunstwirkung ins Auge faßt, verlangt Lessing von der komischen pba_243.009 Kunst, daß sie „richtiges Lachen“ hervorbringe. Ein solches kann nur pba_243.010 aus dem richtigen Empfinden des Positiven und Negativen im Betragen pba_243.011 und Handeln hervorgehen und muß als solches mit Freude verbunden pba_243.012 sein. Nur derjenige, welcher das Positive im Betragen und Handeln pba_243.013 als solches richtig, also wohlgefällig, empfindet, wird ebenso mit Sicherheit, pba_243.014 unmittelbar und ohne kritische Überlegung das entgegengesetzte pba_243.015 Negative als Fehlerhaftes richtig empfinden, und diese Empfindung wird pba_243.016 von dem freudigen Affekt des Lachens begleitet sein. Umgekehrt wird pba_243.017 derjenige, welcher in solcher Weise das Fehlerhafte und Deforme als pba_243.018 Lächerliches richtig empfindet, ebenso auch für das Positive die sicher pba_243.019 und unmittelbar richtige, und zwar wohlgefällige Empfindung haben. pba_243.020 Die Affekte des Wohlgefallens und des Lachens stehen daher in pba_243.021 einer ganz ähnlichen reciproken Verbindung wie die der Furcht und des pba_243.022 Mitleids. Wo sie beide in der richtigen Weise auftreten, sind sie unauflöslich pba_243.023 aneinander geknüpft, der eine ist die notwendige Ergänzung pba_243.024 des andern; wo diese völlige Richtigkeit beider noch nicht erreicht ist, pba_243.025 dient in wirksamster Weise der eine dazu den andern zu klären und richtig pba_243.026 zu stellen. Je stärker das Wohlgefallen der richtigen Empfindung des pba_243.027 Positiven ist, desto deutlicher tritt das Negative als solches hervor und pba_243.028 erregt um so mehr den entsprechenden Affekt des Lachens; je kräftiger pba_243.029 umgekehrt das Fehlerhafte als solches mit richtigem Lachen empfunden pba_243.030 wird, desto untrüglicher und reiner gesellt sich demselben die rechte Freude pba_243.031 an dem entgegenstehenden Guten, Tüchtigen, Gesunden, Liebenswerten pba_243.032 als solchem hinzu. So sind die Affekte des Wohlgefallens und pba_243.033 des Lachens im vollen Maße geeignet ganz wie die des Mitleids pba_243.034 und der Furcht eine gegenseitige Katharsis zu wirken, pba_243.035 und zu solchem Endziel setzt die darstellende und erzählende pba_243.036 Kunst sie zum Zweck ihrer Wirkung.
pba_243.037 Auch darin sind diese komischen Affekte den tragischen gleich, daß, pba_243.038 wie sie in der richtigen Gestalt sich völlig durchdringen, so in falscher pba_243.039 Beschaffenheit sich beeinträchtigen, ja ausschließen. Wer an dem Falschen, pba_243.040 Fehlerhaften Wohlgefallen empfindet, ist für die Empfindung des Lächer-
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herzuleiten sind, ist, daß das Lachen, sofern es die Kunst sich zum Zweck pba_243.002
setzt, ein freudiger Affekt ist, seiner Art und seinem Anlaß nach von pba_243.003
dem Lachen und dem Lächerlichen des gemeinen Lebens oft ebenso verschieden pba_243.004
wie das bloß Traurige und die entsprechenden niederdrückenden pba_243.005
Affekte von dem Tragischen und der läuternden und erhebenden Empfindung pba_243.006
desselben. Ganz in Übereinstimmung mit der Aristotelischen Kunstlehre, pba_243.007
die überall ein ὀρθῶς χαίρειν — ein richtiges Freuen — pba_243.008
als Kunstwirkung ins Auge faßt, verlangt Lessing von der komischen pba_243.009
Kunst, daß sie „richtiges Lachen“ hervorbringe. Ein solches kann nur pba_243.010
aus dem richtigen Empfinden des Positiven und Negativen im Betragen pba_243.011
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als solches richtig, also wohlgefällig, empfindet, wird ebenso mit Sicherheit, pba_243.014
unmittelbar und ohne kritische Überlegung das entgegengesetzte pba_243.015
Negative als Fehlerhaftes richtig empfinden, und diese Empfindung wird pba_243.016
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Die Affekte des Wohlgefallens und des Lachens stehen daher in pba_243.021
einer ganz ähnlichen reciproken Verbindung wie die der Furcht und des pba_243.022
Mitleids. Wo sie beide in der richtigen Weise auftreten, sind sie unauflöslich pba_243.023
aneinander geknüpft, der eine ist die notwendige Ergänzung pba_243.024
des andern; wo diese völlige Richtigkeit beider noch nicht erreicht ist, pba_243.025
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als solchem hinzu. So sind die Affekte des Wohlgefallens und pba_243.033
des Lachens im vollen Maße geeignet ganz wie die des Mitleids pba_243.034
und der Furcht eine gegenseitige Katharsis zu wirken, pba_243.035
und zu solchem Endziel setzt die darstellende und erzählende pba_243.036
Kunst sie zum Zweck ihrer Wirkung.
pba_243.037
Auch darin sind diese komischen Affekte den tragischen gleich, daß, pba_243.038
wie sie in der richtigen Gestalt sich völlig durchdringen, so in falscher pba_243.039
Beschaffenheit sich beeinträchtigen, ja ausschließen. Wer an dem Falschen, pba_243.040
Fehlerhaften Wohlgefallen empfindet, ist für die Empfindung des Lächer-
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/261>, abgerufen am 25.11.2024.
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