pba_145.001 sein müßte; es kann bei einer von Natur gemäßigt beanlagten Seele pba_145.002 und unter gleichmäßigen und günstigen Verhältnissen sogar in vielen pba_145.003 Fällen objektiv maßvoll und richtig sein: nur niemals gut, niemals bewußt pba_145.004 recht, und keinen Augenblick, weil ganz von den äußeren Einwirkungen pba_145.005 abhängig, vor den schlimmsten Abweichungen gesichert. Wo pba_145.006 aber die Empfindungsanlage einer Seele von Hause aus nach irgend pba_145.007 einer Richtung zu den Extremen des Zuviel oder Zuwenig neigt und pba_145.008 die Umstände diese Neigung noch verstärken, da sehen wir dann zügelloses pba_145.009 und leidenschaftliches Begehren, Wollen und dementsprechende pba_145.010 Handlungen (akrateis).
pba_145.011 Nun sind aber die Veränderungsvorgänge der Seele, die wir Empfindungen pba_145.012 nennen, an und für sich zwar dem vernunftlosen Teile der pba_145.013 Seele angehörig, sie haben jedoch zugleich die Fähigkeit der Vernunft pba_145.014 Folge zu leisten, gleichsam der Stimme eines Vaters gehorsam (os pba_145.015 epipeithes to logo ... osper patros akoustikon); durch die regulierende pba_145.016 Stimme der Vernunft kann es nun im einzelnen Falle geschehen, pba_145.017 daß entweder, wenn die Empfindungsregung von Natur die richtige pba_145.018 und in richtigem Maße vorhanden war, die Willensentscheidungpba_145.019 (proairesis), welche für die Handlung maßgebend ist, nun auch mit pba_145.020 dem Bewußtsein des Rechten und aus den richtigen Gründen erfolgt, pba_145.021 oder daß zu starke Empfindungsregungen durch den Einfluß des vernünftigen pba_145.022 Willens die notwendige Herabminderung auf das richtige Maß pba_145.023 erfahren, den zu schwachen durch die von seiten der Vernunft erfolgende pba_145.024 Geltendmachung starker, berechtigter Beweggründe die erforderliche Steigerung pba_145.025 zum rechten Maße zu teil wird. Wie also richtige Handlungen pba_145.026 nicht zustande kommen können ohne die regelnde und entscheidende Mitwirkung pba_145.027 der Vernunft, so sind sie andrerseits auch nicht denkbar ohne pba_145.028 das Vorhandensein und die Mitwirkung zu Grunde liegender Empfindungen, pba_145.029 die im Verein mit jener die Willensentscheidungen bewirken; die Faktoren, pba_145.030 aus deren Vorhandensein und Zusammenwirken die richtigen Handlungen pba_145.031 hervorgehen, sind aber ebenso, wenn auch in den verschiedensten pba_145.032 Arten der Beschaffenheit und des gegenseitigen Verhältnisses, die notwendigen pba_145.033 Voraussetzungen aller menschlichen Handlungen, auch der pba_145.034 unrichtigen und der schlechten.
pba_145.035 Zu diesen beiden gesellt sich nun noch ein dritter Faktor. Bei pba_145.036 jedem Menschen, welcher nicht durch schwere Krankheit oder sonstige bedeutend pba_145.037 hindernde Verhältnisse in seiner Entwickelung gewaltsam gestört pba_145.038 ist, finden doch irgend welche Einflüsse des bewußten Wollens auf den pba_145.039 bloß pathischen -- empfindenden -- Teil der Seele statt. Durch die pba_145.040 stetige Wiederholung dieser Einflüsse in nahezu sich gleichbleibender Weise
pba_145.001 sein müßte; es kann bei einer von Natur gemäßigt beanlagten Seele pba_145.002 und unter gleichmäßigen und günstigen Verhältnissen sogar in vielen pba_145.003 Fällen objektiv maßvoll und richtig sein: nur niemals gut, niemals bewußt pba_145.004 recht, und keinen Augenblick, weil ganz von den äußeren Einwirkungen pba_145.005 abhängig, vor den schlimmsten Abweichungen gesichert. Wo pba_145.006 aber die Empfindungsanlage einer Seele von Hause aus nach irgend pba_145.007 einer Richtung zu den Extremen des Zuviel oder Zuwenig neigt und pba_145.008 die Umstände diese Neigung noch verstärken, da sehen wir dann zügelloses pba_145.009 und leidenschaftliches Begehren, Wollen und dementsprechende pba_145.010 Handlungen (ἀκρατεῖς).
pba_145.011 Nun sind aber die Veränderungsvorgänge der Seele, die wir Empfindungen pba_145.012 nennen, an und für sich zwar dem vernunftlosen Teile der pba_145.013 Seele angehörig, sie haben jedoch zugleich die Fähigkeit der Vernunft pba_145.014 Folge zu leisten, gleichsam der Stimme eines Vaters gehorsam (ὡς pba_145.015 ἐπιπειθὲς τῷ λόγῳ ... ὥσπερ πατρὸς ἀκουστικόν); durch die regulierende pba_145.016 Stimme der Vernunft kann es nun im einzelnen Falle geschehen, pba_145.017 daß entweder, wenn die Empfindungsregung von Natur die richtige pba_145.018 und in richtigem Maße vorhanden war, die Willensentscheidungpba_145.019 (προαίρεσις), welche für die Handlung maßgebend ist, nun auch mit pba_145.020 dem Bewußtsein des Rechten und aus den richtigen Gründen erfolgt, pba_145.021 oder daß zu starke Empfindungsregungen durch den Einfluß des vernünftigen pba_145.022 Willens die notwendige Herabminderung auf das richtige Maß pba_145.023 erfahren, den zu schwachen durch die von seiten der Vernunft erfolgende pba_145.024 Geltendmachung starker, berechtigter Beweggründe die erforderliche Steigerung pba_145.025 zum rechten Maße zu teil wird. Wie also richtige Handlungen pba_145.026 nicht zustande kommen können ohne die regelnde und entscheidende Mitwirkung pba_145.027 der Vernunft, so sind sie andrerseits auch nicht denkbar ohne pba_145.028 das Vorhandensein und die Mitwirkung zu Grunde liegender Empfindungen, pba_145.029 die im Verein mit jener die Willensentscheidungen bewirken; die Faktoren, pba_145.030 aus deren Vorhandensein und Zusammenwirken die richtigen Handlungen pba_145.031 hervorgehen, sind aber ebenso, wenn auch in den verschiedensten pba_145.032 Arten der Beschaffenheit und des gegenseitigen Verhältnisses, die notwendigen pba_145.033 Voraussetzungen aller menschlichen Handlungen, auch der pba_145.034 unrichtigen und der schlechten.
pba_145.035 Zu diesen beiden gesellt sich nun noch ein dritter Faktor. Bei pba_145.036 jedem Menschen, welcher nicht durch schwere Krankheit oder sonstige bedeutend pba_145.037 hindernde Verhältnisse in seiner Entwickelung gewaltsam gestört pba_145.038 ist, finden doch irgend welche Einflüsse des bewußten Wollens auf den pba_145.039 bloß pathischen — empfindenden — Teil der Seele statt. Durch die pba_145.040 stetige Wiederholung dieser Einflüsse in nahezu sich gleichbleibender Weise
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Nun sind aber die Veränderungsvorgänge der Seele, die wir Empfindungen pba_145.012
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/163>, abgerufen am 24.11.2024.
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