Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_139.001 Aber selbst in ihnen ist jene Form, wenn auch fast verschwindend, wenigstens pba_139.002 Suln ketzer, juden, heiden, pba_139.008 pba_139.011von Gote sein gescheiden, pba_139.009 so hat der tiuwel daz groezer her, pba_139.010 ezn sei, daz uns genade erner. ebenso das unmittelbar folgende: pba_139.012Eeines dinges han ich grozen neit, pba_139.013 pba_139.016daz Got geleiche weter geit pba_139.014 kristen, juden, heiden: pba_139.015 der keinz ist auz gescheiden. Mitunter bestehen ausgedehnte Stellen bei Freidank aus einer ununterbrochenen pba_139.017 Swer lebet in des babstes gebote, pba_139.019 pba_139.028derst sünden ledic hin ze Gote. pba_139.020 Der babest ist ein irdisch Got, pba_139.021 Und ist doch dicke der Romaer spot. pba_139.022 Ze Rome ist sbabstes ere kranc: pba_139.023 in vremediu lant gat sein getwanc. pba_139.024 Sein hof vil dicke wüeste stat, pba_139.025 so er niht vremeder toren hat. pba_139.026 Swenne alle krümbe werden sleht, pba_139.027 so vindet man ze Rome reht. Und so fort! Auch die Form der priamel findet sich bei ihm, welche pba_139.029 Kommt kunst gegangen vor ein haus, pba_139.038
so sagt man ihr, der wirt sei aus; pba_139.039 kommt weisheit auch gezogen dafür, pba_139.040 so findt sie zugeschlossen die thür; pba_139.001 Aber selbst in ihnen ist jene Form, wenn auch fast verschwindend, wenigstens pba_139.002 Suln ketzer, juden, heiden, pba_139.008 pba_139.011von Gote sîn gescheiden, pba_139.009 so hât der tiuwel daz groezer her, pba_139.010 ezn sî, daz uns genâde erner. ebenso das unmittelbar folgende: pba_139.012Eînes dinges hân ich grôzen nît, pba_139.013 pba_139.016daz Got gelîche weter gît pba_139.014 kristen, juden, heiden: pba_139.015 der keinz ist ûz gescheiden. Mitunter bestehen ausgedehnte Stellen bei Freidank aus einer ununterbrochenen pba_139.017 Swer lebet in des bâbstes gebote, pba_139.019 pba_139.028derst sünden ledic hin ze Gote. pba_139.020 Der bâbest ist ein irdisch Got, pba_139.021 Und ist doch dicke der Rômaer spot. pba_139.022 Ze Rôme ist sbâbstes êre kranc: pba_139.023 in vremediu lant gât sîn getwanc. pba_139.024 Sîn hof vil dicke wüeste stât, pba_139.025 sô er niht vremeder tôren hât. pba_139.026 Swenne alle krümbe werden sleht, pba_139.027 sô vindet man ze Rôme reht. Und so fort! Auch die Form der priamel findet sich bei ihm, welche pba_139.029 Kommt kunst gegangen vor ein haus, pba_139.038
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So in dem folgenden Beispiel aus dem fünfzehnten Jahrhundert:
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