pba_106.001 vorhanden sein, und was seiner Dichtung den Ursprung gibt und durch pba_106.002 dieselbe wiederum hervorgebracht werden soll, das ist eben die aus jener pba_106.003 Ueberzeugung quellende Gemütsbeschaffenheit und Seelenstimmung, das pba_106.004 der besondern Natur jener Ueberzeugung entsprechende Ethos. Durch pba_106.005 die Vorführung jener dieses hervorzurufen, ist also die Aufgabe, und pba_106.006 zwar, wie schon gesagt, durch indirekte Vorführung derselben.
pba_106.007 Das kann auf zweierlei Weise geschehen:
pba_106.008 Entweder, indem das Negative, seiner positiven Beimischung oder pba_106.009 des Scheines derselben entäußert, als das dargestellt wird, was es ist, pba_106.010 und durch diese Klarstellung das richtige Urteil über das, was als das pba_106.011 Positive Geltung verlangt, hervorgebracht wird.
pba_106.012 Oder, indem umgekehrt das vorwiegend Positive von seiner negativen pba_106.013 Beimischung oder von dem Scheine derselben befreit und als das, pba_106.014 was es ist, dem Urteil kenntlich gemacht wird und zwar gerade dadurch, pba_106.015 daß es mit dieser negativen Beimischung auftritt, und das Unvermögen pba_106.016 derselben jenes Urteil zu beeinträchtigen augenscheinlich wird. Das erstere pba_106.017 Verfahren ist vorwiegend der Satire eigen, das letztere vorwiegend dem pba_106.018 Humor; doch kann weder dieser noch jene darauf verzichten, sich zugleich pba_106.019 auch des andern Verfahrens zu bedienen, ohne die Gefahr einseitig zu pba_106.020 bleiben.
pba_106.021 Jede dieser beiden Verfahrungsweisen schließt nun aber in sich wieder pba_106.022 die Möglichkeit einer Umkehrung ein. Gegenüber der Austerität des Urteils, pba_106.023 welches an dem überwiegend Negativen nur dieses ins Auge faßt, pba_106.024 kann die Darstellung zu Gunsten der Gerechtigkeit und Billigkeit die pba_106.025 positive Beimischung hervorheben, und andrerseits gegenüber dem Optimismus, pba_106.026 der nichts als das Positive sehen will, zu Gunsten des Gleichgewichts pba_106.027 und vorurteilsloser Klarheit auf die anhaftenden negativen pba_106.028 Elemente hinweisen, ohne welche in der Welt der wirklichen Erscheinungen pba_106.029 auch dieses nicht zu denken ist. Hier werden die Rollen vertauscht sein: pba_106.030 das letztere ist vorwiegend das Werk der Satire, das erstere das des pba_106.031 Humors, jedoch so, daß sie, ganz wie im ersten Falle, einander wechselseitig pba_106.032 nicht entbehren können, ohne von ihrer vollen Wirkung ein Beträchtliches pba_106.033 einzubüßen.
pba_106.034 Jn allen diesen Fällen handelt es sich also um einen Läuterungsprozeß,pba_106.035 welcher überall darin besteht, durch die Evidenz des falschen pba_106.036 Urteils das richtige zur Reinheit von den Trübungen herzustellen, die pba_106.037 es von beiden entgegengesetzten Seiten bedrohen. Es wurde aber schon pba_106.038 hervorgehoben, daß diese Katharsis nicht auf dem Gebiete und durch pba_106.039 die Mittel des logischen Denkens zu erfolgen hat, sondern daß ihr Schauplatz pba_106.040 das Gemüt ist, die Kräfte, durch welche sie sich vollzieht, Erregungen
pba_106.001 vorhanden sein, und was seiner Dichtung den Ursprung gibt und durch pba_106.002 dieselbe wiederum hervorgebracht werden soll, das ist eben die aus jener pba_106.003 Ueberzeugung quellende Gemütsbeschaffenheit und Seelenstimmung, das pba_106.004 der besondern Natur jener Ueberzeugung entsprechende Ethos. Durch pba_106.005 die Vorführung jener dieses hervorzurufen, ist also die Aufgabe, und pba_106.006 zwar, wie schon gesagt, durch indirekte Vorführung derselben.
pba_106.007 Das kann auf zweierlei Weise geschehen:
pba_106.008 Entweder, indem das Negative, seiner positiven Beimischung oder pba_106.009 des Scheines derselben entäußert, als das dargestellt wird, was es ist, pba_106.010 und durch diese Klarstellung das richtige Urteil über das, was als das pba_106.011 Positive Geltung verlangt, hervorgebracht wird.
pba_106.012 Oder, indem umgekehrt das vorwiegend Positive von seiner negativen pba_106.013 Beimischung oder von dem Scheine derselben befreit und als das, pba_106.014 was es ist, dem Urteil kenntlich gemacht wird und zwar gerade dadurch, pba_106.015 daß es mit dieser negativen Beimischung auftritt, und das Unvermögen pba_106.016 derselben jenes Urteil zu beeinträchtigen augenscheinlich wird. Das erstere pba_106.017 Verfahren ist vorwiegend der Satire eigen, das letztere vorwiegend dem pba_106.018 Humor; doch kann weder dieser noch jene darauf verzichten, sich zugleich pba_106.019 auch des andern Verfahrens zu bedienen, ohne die Gefahr einseitig zu pba_106.020 bleiben.
pba_106.021 Jede dieser beiden Verfahrungsweisen schließt nun aber in sich wieder pba_106.022 die Möglichkeit einer Umkehrung ein. Gegenüber der Austerität des Urteils, pba_106.023 welches an dem überwiegend Negativen nur dieses ins Auge faßt, pba_106.024 kann die Darstellung zu Gunsten der Gerechtigkeit und Billigkeit die pba_106.025 positive Beimischung hervorheben, und andrerseits gegenüber dem Optimismus, pba_106.026 der nichts als das Positive sehen will, zu Gunsten des Gleichgewichts pba_106.027 und vorurteilsloser Klarheit auf die anhaftenden negativen pba_106.028 Elemente hinweisen, ohne welche in der Welt der wirklichen Erscheinungen pba_106.029 auch dieses nicht zu denken ist. Hier werden die Rollen vertauscht sein: pba_106.030 das letztere ist vorwiegend das Werk der Satire, das erstere das des pba_106.031 Humors, jedoch so, daß sie, ganz wie im ersten Falle, einander wechselseitig pba_106.032 nicht entbehren können, ohne von ihrer vollen Wirkung ein Beträchtliches pba_106.033 einzubüßen.
pba_106.034 Jn allen diesen Fällen handelt es sich also um einen Läuterungsprozeß,pba_106.035 welcher überall darin besteht, durch die Evidenz des falschen pba_106.036 Urteils das richtige zur Reinheit von den Trübungen herzustellen, die pba_106.037 es von beiden entgegengesetzten Seiten bedrohen. Es wurde aber schon pba_106.038 hervorgehoben, daß diese Katharsis nicht auf dem Gebiete und durch pba_106.039 die Mittel des logischen Denkens zu erfolgen hat, sondern daß ihr Schauplatz pba_106.040 das Gemüt ist, die Kräfte, durch welche sie sich vollzieht, Erregungen
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vorhanden sein, und was seiner Dichtung den Ursprung gibt und durch pba_106.002
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Ueberzeugung quellende Gemütsbeschaffenheit und Seelenstimmung, das pba_106.004
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Das kann auf zweierlei Weise geschehen:
pba_106.008
Entweder, indem das Negative, seiner positiven Beimischung oder pba_106.009
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Oder, indem umgekehrt das vorwiegend Positive von seiner negativen pba_106.013
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pba_106.021
Jede dieser beiden Verfahrungsweisen schließt nun aber in sich wieder pba_106.022
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pba_106.034
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das Gemüt ist, die Kräfte, durch welche sie sich vollzieht, Erregungen
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/124>, abgerufen am 25.11.2024.
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